Donnerstag, 12. September 2024

Ich hoffe, ihr habt die letzte Pause genossen

An der Stelle muss man wieder erwähnen, wie wichtig die Länderspiel-Pausen mittlerweile sind. Denn die entschleunigen den Fußball halt doch ein wenig. Selbst wenn man an für die Spiele nominiert wird, hat man "nur" 2 Spiele in den 13 Tagen zwischen dem "regulären Betrieb". 

Dazu muss man auch festhalten, dass die Spiele, trotz des plötzlich ansehnlichen Niveau, welches Deutschland zum ersten Mal seit Jahren in der Nations League auf den Platz gebracht haben, nicht annähernd die Intensität eines Ligaspiels haben. Also man nehme den Extremvergleich zwischen Kasachstan - Norwegen und Manchester City - Chelsea London. Um nur mal zu erwähnen, dass das selbst für einen teilnehmenden Erling Haaland eher wie Urlaub ist.

Hier kommt aber das entscheidende: Solche "2 Spiele in 13 Tagen" Phasen werden eine echte Seltenheit sein. Die Bayern haben bis 21.12. 20 Pflichtspiele im Kalender stehen. Wie alle anderen Teilnehmer an der Champions League auch, da die alle im Pokal weiter sind. Die spielen also im Schnitt alle 4,85 Tage für ihren Verein. Dazu kommen noch 4 Länderspiele, die den Schnitt auf alle 4 Tage runterdrücken. 

Wobei man hier auch festhalten muss: Wenn die Länderspiel-Pause komplett abgeschafft werden würden, würden die gierigen Vereinsmannschaften Wege finden, auch diese Pausen mit Pflichtspielen vollzupumpen. Ohne die Nationalmannschaften würden die halt die Champions League auf 10 Spieltage strecken. Oder die Liga auf 20 Mannschaften aufstocken. Die würden Möglichkeiten finden.

Lasst es mich mal so verdeutlichen: Die nächste Länderspiel-Pause im Oktober unterbricht eine Serie von 4 englischen Wochen infolge für die Spitzenteams. Da es im neuen Modus auch wirklich wichtig ist, wie die einzelnen Gruppenspiele ausgehen, muss man sich in dieser Phase plötzlich auch Mühe geben. 

Also um auch das nochmal zu verdeutlichen, und diesen Beitrag zu einer Vorschau auf den neuen Modus zu erweitern: Bisher war es vollkommen egal, ob man seine Gruppe mit 18 Punkten, oder mit 13 Punkten, gewann. Wichtig war nur, dass man seine Gruppe gegen teilweise extrem unausgeglichene Gegner als erster abschließt, dann landet man in Lostopf 1. Oder dass man zumindest 2. wird. Alles andere war vollkommen egal.

Und das führte dann plötzlich dazu, dass Arsenal London am letzten Spieltag 8 Änderungen an der Startelf vornahm. Wollt ihr noch ein Extrembeispiel: Nico Paz hat für Real Madrid 39 Champions League Minuten absolviert. Unter anderem gegen Union Berlin. Er kommt im selben Zeitraum auf 19 La Liga Minuten. Man konnte es sich halt eher leisten, so ein Talent mal in der Königsklasse reinzuwerfen. In der Liga wäre das viel zu riskant, da könnte man wichtige Punkte verlieren, wenn die einen Fehler machen. Letztes Beispiel: Eine unmotivierte B-Elf von Barcelona sorgte dafür, dass Royal Antwerp FC seinen ersten Champions League Sieg einfahren konnte. Das ist einerseits historisch, andererseits auch nur für die Statistik wichtig.

Jetzt wird die Frage, ob du als 8. oder 9. die Gruppenphase beendest, einen massiven Unterschied machen. Schließlich bekommt der Tabellenneunte ein zusätzliches Heimspiel, welches er vermarkten kann. Gegen den 24., das ist also ein Spiel, welches man sicher gewinnen sollte.

Ok, auch wenn es extrem lustig wäre, wenn jemand bewusst verliert, damit er aus dem zusätzlichen Heimspiel Gewinne generieren kann, werden doch alle versuchen diese zusätzlichen Spiele möglichst zu vermeiden. Und Spoiler: Der Sieger wird am Ende aus den ersten 8 der Tabelle kommen. Auch wegen der 2 zusätzlichen Spiele für den Rest.

Aber nicht nur die "Playoffs" werden gesetzt. Auch der weitere Turnierbaum wird sich aus der Abschlusstabelle erschließen. Man will also möglichst weit oben in der Tabelle stehen, damit man den anderen Favoriten möglichst aus dem Weg geht. Der Tabellenerste kann auf den -zweiten erst im Finale treffen. Wenn man also Manchester City oder Real Madrid möglichst lange aus dem Weg gehen will, sollte man unter den Top 4 landen. Wer unter den besten Vieren landet, hat nochmal einen deutlichen Vorteil gegenüber den anderen, die die Zwischenrunde ebenfalls auslassen: Sie bekommen den leichteren Weg ins Halbfinale.

Praktisches Beispiel: Beim Duelle Borussia Dortmund - Schachtar Donezk am letzten Spieltag wird die eine Mannschaft alles dafür geben, um unter den ersten 8 zu landen. Während die andere Mannschaft alles dafür geben wird, mindestens 24. zu werden. Wer jetzt wer ist, lasse ich euch entscheiden...

Nebenbei dürfte es bei nur 8 Spieltagen und relativ wenigen direkten Duellen eine extrem enge Tabelle geben. Mich würde es überraschen, wenn Platz 10 und Platz 7 vor dem letzten Spieltag mehr als 2 Punkte trennen. Am Ende dürfte auch oftmals das Torverhältnis entscheiden. Wodurch auf einmal jedes Spiel und jedes Tor eine viel höhere Bedeutung bekommen wird.

Es wurden nicht nur 2 zusätzliche Spiele für alle Mannschaften eingeführt. Es wurde dafür gesorgt, dass all diese Spiele ein viel höhere Intensität haben werden. Das ist wesentlich schlimmer, als die reine Addition.

Für uns als Zuschauer ist das großartig. Ich habe ja die Gruppenphase der Champions League in den letzten Jahren komplett ausgeblendet, denn ich mir war bewusst: Selbst wenn es in dem einen oder anderen Spiel eine kleine oder große Sensation gibt, ändert das am Endergebnis wenig bis nichts. Jetzt werden sich die Favoriten keinerlei Aussetzer erlauben dürfen. Und wenn sie sich doch einen leisten, könnten sie noch Wochen oder Monate später dafür bezahlen, weil sie entweder in die Bonusrunde müssen oder halt schon im Viertelfinale auf die Topfavoriten treffen.

Für die Spieler ist das natürlich eine Katastrophe, weil sie jetzt in jedem Champions League Spiel auf dem Platz stehen müssen und dort auch mit maximaler Anspannung antreten müssen. Aber um das Wohlbefinden der Spieler schert sich ja eh niemand mehr. Wenn sie Pech haben...

Also der letzte Spieltag dürfte das wildeste sein, was wir jemals erlebt haben. 18 Spiele mit identischer Anstoßzeit. Und die eine oder andere Mannschaft wird nach 60 Minuten feststellen, dass sie plötzlich doch 5:0 und nicht nur 3:0 gewinnen müssen, wenn sie unter die Top 8 wollen. Während der Gegner feststellt, dass er sich "nur" eine 0:4 Niederlage erlauben darf... oder plötzlich doch noch auf den "Ehrentreffer" gehen müssen.

So wird dann selbst ein Duell wie Bayern München gegen Slovan Bratislava, das im alten Modus vollkommen irrelevant gewesen wäre, erstaunlich brisant. Klar, Bratislava hat nur Außenseiterchancen auf den 24. Platz und wird wahrscheinlich schon ausgeschieden sein. Wobei es, wenn 6 Punkte für Platz 24 reichen könnten, extrem schwierig wird, bereits ausgeschieden zu sein. Bayern wird sicher unter den Top 10 landen. Aber für die könnte es am Ende echt um das Torverhältnis gehen, wenn sie Platz 9 aus dem Weg gehen wollen.

Meine Prognose: Young Boys Bern gegen Roter Stern Belgrad wird die einzige Ansetzung am letzten Spieltag sein, die vollkommen irrelevant ist, weil beider bereits ausgeschieden sein werden.

Und natürlich macht dieser Modus das Turnier nur oberflächlich spannender. Genaugenommen ist es jetzt schon ausgeschlossen, dass die 16 besten Mannschaften die Playoffs verpassen. Eine "Todesgruppe" in die der AC Mailand und Newcastle United ausscheiden, wurde praktisch abgeschafft. Alle 5 deutschen Teilnehmer dürften auf genügend Punkte kommen, dass sie garantiert in den Playoffs landen. Selbiges gilt für alle Engländer, Italiener und wahrscheinlich auch Spanier... wobei der FC Girona da für mich eine absolute Wildcard ist. Sie haben also 10 statt 6 Spieler fest eingeplant. Genau darum ging es am Ende.

Aber der Weg zu diesem absehbaren Ende wird um einiges unterhaltsamer sein, als wir das bisher kannten.

Mittwoch, 11. September 2024

Jetzt jammern alle über den Schiedsrichter!

So oft, wie der Gelbe Karten gezeigt hat. Und das für Kleinigkeiten... wie taktische Fouls. Und vor allem wegen Spielverzögerung (bei Florian Wirtz in der 87. Minute) und Meckern (David Raum in der 32. Minute). DAS GEHT JA GAR NICHT!

Das ist zumindest mein erster Eindruck, wenn ich durch meine Timeline gehe. Ich muss zugeben, dass ich das Spiel selbst nicht gesehen habe... und weil es das nicht bei den Öffentlich-Rechtlichen zu sehen gab, kann ich es jetzt auch nicht nachschauen. In die RTL-Zusammenfassung haben es die Verwarnungen, im Gegensatz zum nicht gegebenen Elfmeter, nicht geschafft. Und kicker.de sagt mir nur, dass der Schiedsrichter schlecht war...

Es kann also sein, dass ich überreagiere. Oder die Fans. Oder beide. Lasst uns alle überreagieren.
Also gerade, dass sich über Wirtz und Raum aufgeregt wird, ist wieder bezeichnend. Wenn ein deutscher Angriff durch eine Spielverzögerung unterbrochen wird, würden all die, die sich jetzt üebr die Verwarnung aufregen, direkt einen Platzverweis fordern. Dazu haben wir gerade bei der EM beschlossen, dass wir dieses ständige Reklamieren und Jammern beim Schiedsrichter nicht mehr sehen wollen. Wir konnten auch sehen, wie viel angenehmer das Erlebnis wird, wenn diese Aktionen sanktioniert und damit abgeschafft wird.

Dann wurde das aber in der Bundesliga nur einen Spieltag lang angewendet. Aber auch nur einen Spieltag lang. Das reicht ja auch. Ich habe hier ja nach dem 2. Spieltag aufgelistet, dass es mindestens 4 Gelbe Karten wegen Meckerns hätte geben müssen... die allesamt stecken geblieben sind. 

Anderthalb Wochen später ist der gemeine Deutsche schon wieder entsetzt, wenn die geltenden Regeln des internationalen Fußballs plötzlich angewendet werden. Wenn die Schiedsrichter tatsächlich die Eier in der Hose haben und für das nervige Reklamieren eine Verwarnung verteilen.

Wisst ihr, was eine vernünftige Reaktion auf diese Verwarnung wäre: Hey, auch wenn es einen meiner Spieler trifft, finde ich es gut, dass diese neue Regel auch angewendet wird! Immerhin lernt er diese Lektion in einem relativ unwichtigen Wettbewerb und nicht im EM Viertelfinale. Aber hoffentlich lernt er einfach was daraus und rennt nicht weiterhin wegen jeder Kleinigkeit zum Schiedsrichter.

Ich weise ja immer wieder darauf hin, wie wichtig es ist, dass "wir Fans" diese neue Regel auch dann unterstützen, wenn sie gegen unsere Jungs angewendet wird. Denn die Spieler werden uns bei jeder Gelegenheit einreden, dass diese neue Auslegung total bescheuert und unnötig ist. Denen dann eine "Nein, ist es nicht. Wir wollen das so!" zu entgegnen, ist elementar wichtig.

Es sieht aber direkt so aus, als hätten "wir" das bei der ersten und einfachsten Gelegenheit direkt verkackt. Anscheinend bin ich der einzige, der offiziell sagt: "Ist doch gut, dass der Raum dafür Gelb sieht". Alle anderen reagieren eher mit einem "Weil der zu laut geatmet hat, wird er direkt verwarnt"...

Schade. Also das belegt für mich auch nur, dass es in der Bundesliga weiterhin ignoriert werden wird und dann bei internationalen Einsätzen alle entsetzt gucken. Also die deutschen Fans werden sich dann nicht fragen, warum man dieses wesentlich angenehmere Spiel nicht jedes Wochenende sehen kann, sondern warum "unsere Helden" ständig verwarnt werden...

Aber vielleicht habe ich Glück und das Ganze ist nur eine Überreaktion. Ich werde es weiterhin beobachten.

Donnerstag, 5. September 2024

Die andere lustige Frage in der Ausgabe

 ging an Manuel Neuer: "Gibt es ein Spiel, das sie gerne noch mal spielen würden?" Und die Antwort lautet: die EM Halbfinale 2012 und 2016...

Nicht das dritte Gruppenspiel der WM in Russland gegen Südkorea, obwohl das viel mehr Sinn ergeben würde. Also lieber nochmal die an sich ordentlichen Turniere nachspielen, als das historische Verkacken korrigieren. 

Aber das fällt ja gerade extrem auf: Über die letzten Weltmeisterschaften wird einfach nicht mehr geredet. Nicht nur das: Die Turniere werden bei der Bewertung der Weltmeister-Generation völlig außen vor gelassen. Natürlich wäre es auch unangenehm, beim großen Abschiedsinterview nach den absoluten Tiefpunkten zu fragen. Kritischer Journalismus würde aber genau das machen. Aber so was gibt es ja beim Kicker nicht.

Wenn man sich mit einem souveränen Sieg gegen Südkorea als Gruppenerster durchgesetzt hätte, wäre der Gegner im Achtelfinale aus der Schweiz gekommen. Da hätte man sich doch noch ins Viertelfinale schleichen können, wo es gegen England ging. Da hätte der Mythos der Turniermannschaft eingesetzt. 2014 war man schließlich auch erst ab dem Viertelfinale wirklich gut...

Aber gut, so ein Halbfinale ist natürlich traumatisierender. 

Die Turniere zwischen 2016 und 2024 werden ja aber allgemein einfach ausgeblendet. Also zumindest für die jetzt endgültig ausgeschiedene Weltmeister-Generation. Ein Joshua Kimmich muss sich damit immer noch bei jeder Gelegenheit rumschlagen. Wenn er in 2 Jahren nicht Weltmeister wird, werden wir bei ihm immer als Erstes ans Vorrundenaus denken... İlkay Gündoğan hat diesen Kampf jetzt ja aufgegeben. Aber sein wir ehrlich: Bei Kimmichs Abschiedsinterview werden die verkackten Turniere angesprochen werden.

Es fordern jetzt ja auch verdammt viele ein Abschiedsspiel für Thomas Müller. Dass der theoretisch nach der EM 2014 hätte zurücktreten können... oder spätestens nach dem 2. Vorrundenaus, welches er als Stammspieler miterlebt hat, zurücktreten müssen. Bei der kritischen Zählweise kommt der auf 50 Abschiedsspiele. Und ein letztes Abschiedsturnier. 50 Spiele, in denen er nebenbei als Offensivspieler wenig bis nicht für die Nationalmannschaft geleistet hat.

Um das nochmal zu verdeutlichen: Müller und Neuer waren Stammspieler bei der WM 2018 und 2022. Sie tragen als Führungsspieler eine elementare Verantwortung für diese katastrophalen Turniere. Trotzdem bringt sie niemand mit diesen Turnieren in Verbindung. Wer so viel Scheiße baut, ohne dass irgendwas hängen bleibt, sollte dringend in die Politik gehen. So viele Gelegenheiten zum Rücktritt lassen sonst nur CDU Politiker aus.

Wirklich absurd wurde es, als es Tage vor dem Rücktritt ja hieß, dass Neuer immer noch der Beste ist. So unsachlich ist die Debatte über diesen Torwart mittlerweile. Und dann zählt man alle Fehler, die er vor dem Turnier gemacht hat, auf und verdeutlicht damit, dass er eigentlich vorher auf die Bank gehört hätte... und dann kommt ein "Ja, aber vor dem Patzer gegen Real Madrid hat er doch gut gehalten."

Dabei habe ich höchsten Respekt davor, dass Neuer sich nach seiner schweren Skiverletzung wieder zurückgekämpft hat. Das wird natürlich auch im Interview erwähnt. Und 4 Seiten später wird dann darüber sinniert, wie weit weg Sepp Meier wäre, wenn sein Autounfall nicht die Karriere über Nacht beendet hätte.

Neuer hatte, obwohl er quasi alles gewonnen hat, den Ehrgeiz, sich zurückzuquälen. Davor habe ich den höchsten Respekt. Und darauf kann man als Nationaltrainer durchaus auch bauen. Als Ersatzkeeper kann man da wunderbar moralischen Support für die Mannschaft spenden. 

Aber Neuer hat halt auch seit seinem Comeback eine eklatante Schwäche: Er lässt zu viele Bälle, die er früher festgehalten oder zur Ecke geklärt hätte, nach vorne prallen. Damit ist es ausgeschlossen, dass er noch "der Beste" sein kann. Denn wenn man diesen Titel, den Neuer ja auch lange genug gehalten hat, innehaben will, darf man sich keinerlei Schwächen erlauben.

Ich habe hier ja bereits mehrfach ausgeführt, dass alle Torhüter sich mit einem Idealbild von Manuel Neuer vergleichen müssen. Also alle, außer Neuer selbst. Da wird selbstverständlich davon ausgegangen, dass er immer noch so gut ist, wie er damals war, auch wenn die Faktenlage ein anderes Bild aufzeigt.

Aber gut, das ist jetzt ja nur noch das Problem der Bayern. Die werden Neuer jetzt so lange spielen lassen, wie er will. Er wird noch den einen oder anderen Meistertitel einfahren, weil die Bayern in der Bundesliga einfach zu dominant sind, als dass seine einzelnen Patzer einen Unterschied ausmachen. Und in der heißen Phase der Champions League gucken dann alle entsetzt, wenn er wieder patzt...

Mittwoch, 4. September 2024

Man soll ja im Urlaub mal was neues ausprobieren

 Oder Dinge tun, die man viel zu lange nicht mehr gemacht hat. Freunde treffen, die man seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat. Einfach um mal zu gucken, was sich bei denen so getan hat.

Mein Freund, bei dem ich ein Mal im Jahr vorbeischaue, ist der Kicker. Hauptsächlich, weil das im Funkloch die einzige Möglichkeit ist, die Fußballergebnisse zu erfahren. Ernsthaft, wie schwer sich Bayer Leverkusen gegen Jena getan hat, habe ich erst am Freitag erfahren.

Ich habe ja jahrzehntelang den Kicker religiös gelesen, bis mir irgendwann aufgefallen ist, dass sie das "Fachmagazin" nicht nur aus dem Titel, sondern auch aus dem eigenen Anspruch gestrichen haben. Dass die sich immer komplett alle journalistischen Sicherungen rausknallen, wenn Deutschland spielt, war mir irgendwie immer bewusst, aber 2021 war es mir dann einfach zu viel. Jetzt habe ich mir aber die Ausgabe 70 geholt und am Strand gelesen. Und da gibt es einige interessante Episoden, die ich mit euch teilen will.

Als Erstes fand ich die brutale Ehrlichkeit im "business"-Interview mit Ilja Kaenzig wunderschön. Da wird halt über die wirtschaftliche Situation des VfL Bochums geredet. Da geht es dann auch um die Frage, inwieweit man in der 4. Bundesligasaison bereits ein etabliertes Mitglied der Liga ist. Und dann erwähnt Kaenzig, dass man ja auch verdammt viel Glück gehabt hat, weil entsprechend kleine Vereine aufgestiegen sind. Und dann geht es um Mannschaften, die potenziell von unten kommen und den Bochumern das Leben schwer machen könnten. Zitat: "Wenn Fürth, Paderborn oder Darmstadt hochgeht, haben wir einen Puffer. Wenn es der 1. FC Nürnberg ist, Hannover 96 oder der Karlsruher SC, der richtig boomt, also Klubs mit großen Stadien und großer Anziehungskraft, dann sind die direkt auf Augenhöhe mit uns, obwohl wir bereits vier Jahre oben sind. Da reden wir noch nicht von Schalke, Hertha BSC oder dem 1. FC Köln." 

Ich schwöre, dass das nicht editiert ist. Kaenzig zählt 9 Mannschaften auf, deren Aufstieg er anscheinend für realistisch hält. Eine dieser Mannschaften ist gerade 17. und hat bereits Thorsten Lieberknecht entlassen. Der eine Name, der nicht fällt, ist der Hamburger SV. Kaenzig hat einfach begriffen, dass ein Aufstieg der Hamburger absolut unrealistisch ist.

Unterschwellig bringt dieses Interview aber eine andere Wahrheit ans Licht: Die Qualität in der Liga muss verdammt stark nachgelassen haben. Die wirtschaftliche Kraft einiger Traditionsvereine wurde halt durch Heidenheim und St. Pauli ersetzt. St. Pauli kann auf dem Transfermarkt einfach nicht so agieren, wie der 1. FC Köln das könnte... also, wenn die denn dürften.

Mit dem Abstieg der Kölner spielen mittlerweile 4 Vereine, die wirtschaftlich in die Top 10 gehören sollten, in der 2. Liga. Das ist unfassbar viel Potenzial, welches, bei allem Respekt, nicht durch all die Kompetenz in diesen Vereinen ausgeglichen werden kann. 

An der Fieberkurve des VfLs kann man ja die Entwicklung der Bundesliga ganz gut nachvollziehen. Von 1972 bis 1993 galt man als "Unabsteigbar". Man steckte zwar verdammt häufig im Abstiegskampf, sicherte sich aber trotzdem jedes Mal irgendwie den Klassenerhalt. Die beste Platzierung in der herausragenden Saison war Platz 8. Mehr war einfach nicht drin.

Der erste Abstieg galt noch als Betriebsunfall. Doch nach dem 5. Abstieg konnte man nicht mehr ignorieren, dass man zur klassischen Fahrstuhlmannschaft geworden ist. Nach dem 6. Abstieg sah es plötzlich so aus, als hätte man den Anschluss zur Bundesliga endgültig verpasst. Man war plötzlich dichter an der dritten, als an der 2. Liga. Und natürlich gab es zwischenzeitlich diese eine Märchensaison unter Peter Neururer, in der man sich für den Europacup qualifiziert. Aber sachlich gesehen zeigte die Kurve der Bochumer 20 Jahre lang nach unten.

Bochum hat den Aufsprung auf den Kommerzialisierungszug, den Schalke und Dortmund so elegant genommen haben, dass die eigenen Fans es gar nicht bemerkt haben, verpasst. Sie haben ihn deutlich verpasst und wurden von Wolfsburg, Augsburg, Mainz, Freiburg, Hoffenheim und RB Leipzig links überholt. 

Und plötzlich steht man wieder in seiner 4. Bundesligasaison infolge. Ganz sachlich gesehen sieht es, auch wenn die aktuelle Tabelle etwas anderes sagt, gar nicht soo schlecht in Sachen Klassenerhalt aus, schließlich muss man "nur" Kiel und St. Pauli hinter sich lassen, den Rest regelt die Relegation. Und selbst Heidenheim hat laut Transfermarkt.de einen günstigeren Kader... 

Damit hat man zum ersten Mal seit dem Wiederaufstieg nicht einen der 2. (laut Marktwert) schwächsten Kader der Bundesliga. Das gab es seit 2008/09 nicht mehr. Aber hier kommt das ganz große Problem: Der Marktwert des Bochumer Kaders ist, während man von Rang 17 auf Rang 15 gesprungen ist, von 64,53 Millionen auf 59,7  Millionen Euro gesunken.
Hier muss man natürlich einschieben, dass der Marktwert zu Saisonende mit dem Marktwert zu Saisonbeginn verglichen wird. Also ein Jan-Niklas Beste hat seinen Marktwert verdoppelt. Heidenheim wird zu Saisonbeginn 2023 keinen teureren Kader gehabt haben, als die Bochumer. 

Aber die Bochumer sind halt auch nicht an den Heidenheimern "vorbeigezogen", weil sie sich verbessert haben, sondern weil der Substanzverlust dort noch größer war, als in den eigenen Reihen.

Das ist auch etwas, was allgemein bedacht werden muss: Die Bochumer haben sich jetzt nicht wieder etabliert, weil sie groß investiert haben. Sie haben dies geschafft, während sie einen Konsolidierungskurs fahren mussten.
Dass die Bochumer jetzt da sind, wo sie sind, hat, bei allem Respekt vor der herausragenden Arbeit, die da geleistet wird, auch mit den katastrophalen Vorstellungen der eigentlich enteilten Konkurrenz zu tun. Sie können nur dort sein, wo sie jetzt sind, weil die Liga deutlich schwächer geworden ist.

Dass die Liga zumindest in der unteren Tabellenhälfte deutlich schwächer geworden ist, darf man aber so nicht sagen, weil es dem hochpolierten Image der Liga schaden würde. Deswegen wird das indirekt auf Seite 82 angeschnitten, aber nicht vernünftig ausgeführt.

Denn vernünftige Analysen bekommt man halt nur in einem Fachmagazin und nicht im Kicker.

Montag, 2. September 2024

Worst of des "Warum wurde Kompany noch nicht entlassen?" Wochenendes

 Das ist doch unentschuldbar. Nicht nur, dass die Bayern nach 2 Spieltagen immer noch nicht von Platz 1 grüßen... die stehen HINTER dem 1. FC Heidenheim. Zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte.

Aber Heidenheim ist auch... Tabellenführer. In welche Realität sind wir denn hier abgedriftet? Also selbst nach 2 Spieltagen sollte das eigentlich unmöglich sein und zu einem permanenten Systemabsturz führen. Und da haben wir noch gar nicht darüber geredet, dass Bayer Leverkusen verloren hat.

Dass wir aber noch in "unserer" und "der richtigen" Realität sind, erkennt man an 2 Dingen: Erstens: Es wird immer noch über Handspiel und den VAR diskutiert. Es versteht weiterhin niemand, was jetzt ein Handspiel ist und wann der Videoassistent eingreifen darf oder muss. Und das war ja auch nach dem ersten Spieltag so. Und jetzt geht es direkt so weiter.

Das zweite beruhigende Merkmal: Bundesligaprofis meckern fleißig weiter. Ich habe ja urlaubsbedingt vom ersten Spieltag nichts gesehen, damit dauerte es nur 7 Minuten, bis auf meinem Bildschirm Kingsley Coman, Thomas Müller und Joshua Kimmich den Schiedsrichter bedrängten, weil der in der 95. Minute natürlich den zweiten fragwürdigen Handelfmeter gab. Alle 3 sind Stars... aber eben kein Kapitän. Gelb sahen sie nicht.

Gerade das Meckern der Bayern-Spieler ist so absurd. Also klar, der Elfmeter ist fragwürdig. Aber die führen 2:0 und nach dem Elfmeter wird ziemlich direkt abgepfiffen. Man sollte genügend Klasse in den eigenen Reihen haben, dass Freiburg nie wieder an den Ball kommt. Im schlimmsten Fall gewinnen die also nur 2:1 und nicht 2:0. Was überhaupt keinen Unterschied macht. Und wenn die nach der 95. Minute noch 2 Gegentore kassieren, liegt das eher daran, dass man sich selbst durchs Meckern abgelenkt hat, als durch die fragwürdige Entscheidung des Schiedsrichters.

Auch Victor Boniface hätte verwarnt werden müssen, da sich lautstark beschwerte, weil es für seinen heftigen Treffer im Gesicht des Gegners nur Gelb gab. Hier wird es halt doppelt absurd: Auch wenn man Boniface keine Absicht unterstellen kann, so kann er für die grobe Fahrlässigkeit direkt mit Rot vom Platz gestellt werden. Er sollte froh sein, dass es nur Gelb gab. Dass er dann noch Meckern darf, obwohl das ja mit großer Ankündigung untersagt worden ist, ist einfach nur lächerlich. 

Nach dem 2:2 durch Jonny Burkhardt beschweren sich 3 Stuttgarter beim Schiedsrichter über ein angebliches Handspiel. In der ersten Reihe steht der bereits verwarnte Julian Chabot, der, kurz nachgeschaut, nicht als Kapitän geführt wird.

Und dann beschwert sich Marvin Duksch, weil er einen auch eher als lächerlich einzustufenden Elfmeter nicht bekommt. Gut, war ein angebliches Handspiel, da sieht eh niemand durch und da kann man sich immer beschweren.

Auf der anderen Seite hat Marco Rose sehr schnell Gelb-Rot bekommen. Was absurd ist, weil wir hier ja von demselben Schiedsrichter reden, bei dem Boniface vergeblich um einen Platzverweis gebettelt hat. Also Matthias Jöllenbeck wusste durchaus, dass er aufs Meckern sehr schnell Gelb zeigen kann. Und dass er dies auch 2-mal nacheinander machen kann. Nur bei Boniface hat er es sich halt doch nicht getraut. Obwohl, zumindest nach dem Eindruck der Sportschau Bilder ein "Na gut, wenn du unbedingt willst, schicke ich dich halt doch zum Duschen, da hast du deine 2. Gelbe Karte" die richtige Reaktion gewesen wäre.

Das waren direkt 4 Szenen, die es laut neuster Ankündigung nicht mehr geben soll. Keiner dieser Spieler wurde dafür verwarnt. Das sind aber auch 2 Dinge, auf die ich gleich hingewiesen habe: 1.: Es gab gar keine neue Regel. Es gab nur die Anweisung, die vorhandenen Regeln endlich mal anzuwenden. 2.: Der Erfolg wird maßgeblich davon abhängen, ob und wie lange die Schiedsrichter das durchziehen. 

Da kann man die schöne neue Regel auch direkt in die Tonne treten. Was wirklich schade ist, denn die EM hat ja gezeigt, wie viel angenehmer das Spiel für uns Zuschauer wird, wenn so was konsequent unterbunden wird. Aber anscheinend trauen sich unsere Schiedsrichter dann doch nicht, einem Müller auch konsequent Gelb zu geben oder einen Spieler wegen solcher Aktionen vom Platz zu stellen. Das ist eine verpasste Chance.

Aber es wird ja auch weitestgehend ignoriert. Also weder Jöllenbeck noch Robert Hartmann oder Tino Gerach und Christian Dingert haben in ihrer Kicker Bewertung einen Anschiss bekommen, weil sie die ganz klare und eindeutige Anweisung von Fifa und DFB ignoriert haben. 

Man hätte den Fußball grundlegend verändern können und es für alle Beteiligten inklusive der Profis, die dank der zusätzlichen Sperren ihre dringend benötigten Regenerationspausen bekommen. Aber anscheinend besteht doch kein wirkliches Interesse daran und wir gucken lieber weiterhin weinenden Kleinkindern beim Kicken zu... Und es sind noch 4 Jahr Olympiade... bis wir das nächste mal mitbekommen, dass dies in anderen Sportarten viel besser läuft, weil dort das, was jetzt kurzzeitig angekündigt wurde, einfach umgesetzt und respektiert wird, wird noch viel Zeit vergehen.