Mittwoch, 15. Juli 2020

Quo vadis, Bundesliga 2020: RB Leipzig

Ruhe bewahren? Kann es so einfach sein? Aber ja, RB Leipzig muss gerade gar nichts ändern und einfach langfristig evaluieren, ob ihr "Wir kaufen nur junge, entwicklungsfähige Spieler" Konzept wirklich bis ganz oben führt oder nicht. Und gerade auf den letzten Metern braucht man einen langen Atem.

Klar, in erster Instanz tut es weh, dass man erst Naiby Keita und dann Timo Werner an die "Elite" der Premiere League verkaufen musste. Aber sachlich gesehen ist es doch ein gutes Zeichen, dass Mannschaften auf gehobenen Verhältnissen ankommen müssen, damit die Topspieler den Verein verlassen. Als konkreten Vergleich würde ich da mal Eintracht Frankfurt anbringen: Die müssen 2 ihrer 3 Spitzenspieler an einen Abstiegskandidaten aus England und ein alterndes Team in einer kaputten Liga au Italien verkaufen. Wenn West Ham United bei einem Leistungsträger anfragt, lacht der die aus und bleibt in Leipzig. Zumindest scheint das derzeit die Entwicklung der Lage zu sein... jetzt wo ich das sage, wird wahrscheinlich als nächstes Yussuf Poulsen zu West Ham wechseln... oh... aber alles zu seiner Zeit.

Wenn man die ganzen "Kommerz ist Kacke" Emotionen mal raus lässt, ist ja das spannendste am Projekt RB, wie schnell man sich aus dem "Nichts" ein Spitzenteam formen kann. Und ja, als Traditionsfan darf man das Scheiße finden, darum geht es nicht. Aber RB ist da gerade auf einem ziemlich guten Weg. Aber genau genommen hat man auch den einfachen Teil des Weges hinter sich, die letzten Meter bis zu den Gifpeln werden die Schwersten.

So steht man nach 4 Jahren in der Bundesliga zum ersten Mal unter den Top 8 in der Champions League. Das ist ja irgendwie das Ziel, welches man langfristig konstant anpeilt. Neben dem einen oder anderen Titel. Aber gerade um von der Top 8 zu einem echten Titelkandidat aufzusteigen, braucht man halt dann doch einen relativ langen Atem.

Also praktisch erklärt kaufte sich ja Roman Abramowitsch sich 2003 bei Chelsea London ein. Danach spielte man eine ganze Weile im Dunstkreis der Titelanwärter mit. Irgendwie war allen klar, dass der ganz große Wurf nicht ewig verhinderbar sein würde. Gedauert hat es trotzdem 9 Jahre. Und klar, man wurde verdammt schnell 2 Mal Meister, man hatte allerdings auch eine ganz andere Grundlage als RB Leipzig.

Dafür kann Leipzig halt von den Fehlern der Anderen lernen... Und es vermeiden sinnlose Ablösesummen in Spieler wie Damien Duff zu stecken. Es gibt halt gerade in der Anfangsphase verdammt viele Spieler, bei denen man sich fragt: War es wirklich nötig 25 Millionen für die zu bezahlen?

Manchester City ist nebenbei in Jahr 8 des großen "Wir erkaufen uns den maximalen Erfolg" Konzepts... und warten immer noch auf ihr erstes Champions Leauge Finale. Aber von denen kann man lernen, dass man sich gute Anwälte für die Prozesse beim CAS leisten sollte... und wenn man die hat, kann man machen, was man will.

Die spannende Frage bleibt halt: Wann wird RB doch die Nerven verlieren und versuchen auf dem Transfermarkt richtig fett zuzuschlagen? Und wird das dann wirklich helfen.

Entscheidend ist dabei dann natürlich die eigene Jugendarbeit. Also RB Leizpig sind ja in einer wirklich angenehmen Position: Sie können den Bereich Mitteldeutschland relativ konkurrenzlos abarbeiten. Ich verdeutliche das gerne am Beispiel Rene Adler: Wenn man vor 20 Jahren als junger, talentierter Leipziger Talent eine Bundesligakarriere anstreben wollte, musste man mit 15 die Stadt verlassen und Richtung Westen ziehen. Es wird dann immer romantisierend erzählt, wie Adler auf dem Dachboden von Rüdiger Vollborn gelebt hat. Obwohl das eigentlich eine grausame Geschichte ist, weil da ein 15 jähriger sein komplettes Soziales Umfeld hinter sich lassen musste...

Mittlerweile kann man da einfach in Sachsen bleiben. Oder als Hallenser endlich mal auf die Gute Seite wechseln. Halle existiert ja de facto nur, damit Leute, die für Leipzig nicht gut genug sind, irgendwo in der Nähe eine Asyl finden und zum Numerus Clauses Flüchtling werden können... aber anderes Thema.

RB Leizpig muss halt auch mal dafür sorgen, dass aus der eigenen Jugendakademie wirklich bundesligataugliche Spieler hervorgebracht werden. Möglichst konstant. Und selbst wenn sie für die Leipziger nicht gut genug sind, können sie mit diesen Talenten immer noch die Liga in der Breite verstärken.

Aber stand Jetzt hat RB Salzburg immer noch mehr Bundesligaspieler ausgebildet als die Leipziger. Und ja, nicht nur wegen den 15 Transfers "innerhalb des Vereins". Das belegt aber auch, dass bei RB Leute am werkeln sind, die wissen, wie man Jugendspieler aus- und weiterbildet. Nur ist von dieser Kernkompetenz wenig in Sachsen angekommen.
Aber dass es in dieser vor RB doch recht karg besetzten Gegend eine 5 Sterne Akademie geben soll, kann kein schlechtes Zeichen für die Bundesliga als ganzes sein.

Das bringt uns dann doch zu... Yussuf Poulsen. Und da muss ich eines vorwegnehmen: Ich mag diese Art Spieler. Sein "Mythos" ist ja, dass er als quasi einziger all die Entwicklungsschritte von Regionalliga bis Champions League mitgemacht hat. Und ich sage seit Jahren: Wenn der irgendwann nochmal den Killerinstinkt vor dem Tor entwickelt...
Aber dann fiel mir auf: Poulsen ist de facto der Thomas Müller von RB Leipzig. Also ein Spieler, der extrem davon profitiert, dass er überqualifizierte Mitspieler neben sich hat. Der von diesen Mitspieler extrem profitiert. Der sich dann aber über Jahre hinweg den Ruf erarbeitet hat, dass es ohne ihn irgendwie nicht geht. Der sich aber auch in der Kabine einen Status erarbeitet hat, der dazu führt, dass es ohne ihn nicht geht...
Also das ist ja, für den etwas größeren Rahmen, das faszinierende am Trainerwechsel von Niko Kovac zu Hansi Flick: Kovac wollte genau genommen nur einen Thomas Müller langsam aber sicher aussortieren. Was ja auch vernünftig erschien, schließlich hat man ja gerade einen Coutinho für genau die Rolle hinter Robert Lewandowski geholt. Und sich damit zumindest theoretisch ein Upgrade zugelegt. So stand Müller dann bei 5 benoteten Spielen und 4 Torvorlagen, bis es zur, man muss es ja so nennen, großen Meuterei gegen Eintracht Frankfurt kam. In der Thomas Müller ein 6 bekam... Und als Dank dafür von Flick zum bedingungslosen Stammspieler ernannt... und dann löste ein Müller all die Probleme, die sich vorher unter Kovac aufgestaut haben. Aber genau genommen war das die eine wirkliche Veränderung, die Flick vorgenommen hat.
Das Problem daran? Müllers letzter guter Auftritt in einem Champions League Viertel oder Halbfinale ist Jahre her. Die Wahrscheinlichkeit dass er sich plötzlich gegen die hochkarätigere Konkurrenz in den entscheidenden Champions League Spielen durchsetzt... also ich befürchte ja seit Jahren, dass ich da einen Statcurse auslöse, aber bisher ist der nicht wirklich gekommen.

Um den Bogen zu RB zu schlagen: Ich habe das Gefühl, dass Poulsen genau dieselbe Rolle in Leipzig einnimmt. Also er ist eigentlich nicht mehr gut genug für die Ansprüche des Vereins, hat aber eine derart wichtige Rolle als Leader, dass er immer sofort gebracht wird, wenn es mal im Ansatz nicht läuft... was dann aber dazu führt, dass an sich bessere Spieler sich nicht durchsetzen können und das Weite suchen.
Als ganz praktisches Beispiel sei hier der Fakt genannt, dass Matheus Cunha mittlerweile bei der Hertha spielt, obwohl da von den reinen fußballerischen Fähigkeiten eher der Poulsen hingehört. Aber es gab halt kein konstantes Vorbeikommen für Cunha an der Vereinsikone. Auch wenn der zumindest langfristig definitiv der bessere Stürmer sein wird. Falls er es nicht schon ist. Und so hält dann ein Spieler die Weiterentwicklung eines ganzen Vereins aus, weil man emotional zu sehr aneinander hängt... und ja, das passiert einem sogar als Dosenverein...

Ich habe das ungute Gefühl, dass RB die Bayern erst dann herausfordern kann, wenn sie Poulsen aussortiert haben... so leid mir das dann für den tut.

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