Donnerstag, 16. Juli 2020

Quo vadis, Bundesliga 2020: Borussia Dortmund

Kommen wir zu dem eigentlichen Ansatz dieser Serie. Was muss der eigentlich designierte Herausforderer Nummer 1 machen, damit sie ein wirklicher Herausforderer für die Bayern und damit Kandidat für die Deutsche Meisterschaft werden.

Denn als erstes werde ich mal folgende These in den Raum werfen: So, wie es derzeit läuft, wird Borussia Dortmund niemals Meister. Pokalsieger vielleicht, dafür reichen ja so ein paar gute Spieler. Aber konstant auf 34 Spieltage die erforderliche Leistung zu bringen, wird unmöglich sein.

Und das ist keine Mentalitätsfrage. Also nicht vordergründig. Es ist eine Frage der Teamstruktur.
Also Dortmund bezeichnet sich ja gerne als bester Ausbildungsverein in Europa. Sie sind aber genau genommen nur der beste Weiterbildungsverein. Eine Zwischenstation für die Hochtalentierten.

Das sieht man ja auch, wenn man sich die Situation um Jude Bellingham genauer anguckt. Also falls euch der Name, wie mir bis vor kurzen auch, nichts sagt: Das soll das nächste Mega-Talent aus England sein, der sich aber den Schritt direkt in die Premiere League nicht zutraut. Also geht er mit 17 Jahren in die Bundesliga. Und weil der Ruf der Dortmunder so gut ist, stechen die bei solchen Transfers sogar die Bayern aus.

Aber hier ist das Problem: Wenn man Bellingham fragt, warum er nach Dortmund geht, sagt er so was wie "Das ist der beste Schritt für mich. Dortmund ist der Verein, bei dem ich mich am besten weiterentwickeln kann."
Kein "Das ist die legendärste Tribüne Europas, da will ich unbedingt mal vorspielen." Oder "Ich war schon immer Dortmund Fan." Was immerhin bedeutet, dass die Talente ehrlich sind. Das führt aber halt zu dem großen Problem, dass es bei der Borussia seit Jahren hat: Sobald die Talente ihren Zwischenschritt erledigt haben, wollen sie sofort weg.
Das war bei Ousmane Dembele am deutlichsten. Aber auch Christian Pulisic ist mit 21 Jahren schon zu Chelsea gewechselt. Und jetzt ist Jadon Sancho wohl der nächste, der vor einem Abgang steht, bevor er 22 Jahre alt ist. Nächsten Sommer, Spoiler, wird Erling Haaland auf dem Transfermarkt erscheinen. Im Jahr darauf dann Giovanni Reyna und eben Bellingham. Vielleicht bleibt letzterer ein Jahr länger.

Wenn Dortmund es schaffen würde aus dem Quartett Haaland, Sancho, Bellingham und Reyna 3 Mann bis 2022 zu halten, würde ich sie zum Meisterschaftskandidaten Nummer eins in der Übernächsten Saison erklären. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass dies geschieht, ist so was von gering, dass sie vernachlässigt werden kann.
So wird Dortmund auch weiterhin phasenweise begeisternden Fußball spielen, aber auch immer unter den Entwicklungsschmerzen der Übertalente leiden. Die sind ja bei Haaland sogar wörtlich zu nehmen, denn anscheinend ist er körperlich noch nicht so weit die Dauerbelastung Profifußball zu verkraften. Und sobald er das über 50 Spiele im Jahr kann, wechselt er zu Real Madrid. Davon hat Dortmund aber wenig. Und ja, das Problem wurde hier schon mal ausführlich erörtert...

Das wirklich schockierende an der besten Talentschmiede Europas ist halt: Keiner von denen kommt wirklich aus der eigenen Jugend oder Region. Damit hat halt auch keiner von denen in Dortmund Bettwäsche geschlafen. Und auch deswegen versucht jeder so schnell wie möglich den für sich persönlich nächsten Schritt zu gehen. Da man es selber nicht schafft solche Spieler grundlegend auszubilden, fehlt es dann halt an entscheidenden Stellen an Identifikation. Und da reicht es ja zu sagen "Ich bleibe noch 2 Jahre, zu Liverpool oder Barca kann ich auch noch mit 24 Jahren wechseln."

Um das mal praktisch zu erklären: Dortmund hat 8 A-Jugendmeisterschaften gewonnen. Das ist praktisch Platz 2 hinter dem VfB Stuttgart. Aber wenn ihr euch den derzeitigen Kader der Deutschen Nationalmannschaft anguckt, haben sie da einen einzigen Spieler für "ausgebildet". Und das "ausgebildet" steht deswegen in Anführungszeichen, weil man Marco Reus mit 16 vom Hof gejagt hat.
Nur so zum Vergleich: Joshua Kimmich, Timo Werner, Segre Gnabry, Bernd Leno und Sebastian Rudy spielten in der U17 für den VfB Stuttgart und wurden hinterher Nationalspieler. Lukas Klostermann und Leon Goertzka spielten in der Nachbarschaft beim VfL Bochum. Man könnte also im Umfeld durchaus brauchbare Talente finden. Genau genommen hat aber ein verdammter Zweitligist eine erfolgreichere Jugendarbeit als Borussia Dortmund.
Und ja, bei der Jugendarbeit geht es nicht vorrangig darum Titel zu sammeln, sondern gehobene Bundesligaspieler auszubilden. Und daran scheitert Dortmund auf eklatante Art und Weise.

Ob Leon Goretzka in Dortmund geblieben wäre, wenn sie in im Alter von 16 Jahren geholt hätten, ist natürlich spekulativ, Aber es ist schon auffällig, dass ein Marco Reus sich gegen einen Wechsel entschieden hat und irgendwann beschloss: Eine Meisterschaft mit meinem Herzensverein ist mehr wert als 4 bei den Bayern. Da versuche ich lieber weiter hier auf Titeljagd zu gehen.
Und wenn man noch 2-3 weitere Talente auf ähnlichem Niveau und mit derselben Einstellung finden würde. Also ich sag mal demonstrativ Benedikt Höwedes auf Schalke. Der hätte gerade nach 2014 zu wesentlich besseren Vereinen wechseln können, musste aber am Ende vertrieben werden, weil... ähm... nun ja, Schalke halt. Aber da findet man solche Spieler.
Jonas Hector und Timo Horn in Köln. Selbst dieser Chaosklub hat es geschafft, seine Leistungsträger emotional so sehr an sich zu binden, dass die in die 2. Liga gegangen sind.Weil man sie halt auch schon als Jugendspieler in ihren Reihen hatte.

Dortmund muss halt seine Jugendarbeit komplett umkrempeln. Weg vom "Wir holen Titel, teilweise mit internationalen `'Stars'." Hin zum "Wir bilden wirklich selber Verstärkungen für unsere 1. Mannschaft aus." Damit die dann mit 23-25 Jahren eine Achse bilden, um die man wirklich was aufbauen kann. Und die selber auch den Anspruch haben: Ich gehe hier erst weg, wenn ich Meister geworden bin. Oder ich versuche es zumindest 5 bis 6 Mal, bevor ich verzweifelt aufgebe.

Und ja, die Dortmunder Führung hat nach dem Fall Dembele viel darüber geredet, dass so etwas nicht mehr passieren wird. Dass man im Zweifelsfall auch mal auf Geld verzichtet und die Spieler auf die Tribüne setzt. Praktisch gesehen hat man Pulisic, Abdou Diallo und Achraf Hakimi trotzdem ziehen lassen. Deswegen gehe ich ja auch davon aus, dass Sancho diesen Sommer den Trend fortsetzt. Praktisch hat sich also nichts verändert.
Und natürlich hatte man bei Hakimi als Leihspieler keinen direkten Einfluss. Aber dass der anscheinend lieber zu Inter Mailand wechselt, wo die Gesamtsituation eher schlechter als in Dortmund ist, zeigt, wie schlimm das Problem genau genommen ist und wie schnell die Talente weiter ziehen.

Solange man nur eine Durchlaufstation für Top-Talente ist, wird es einem immer an der Konstanz fehlen, die man braucht um die Bayern vom Thron zu stürzen.

Aber irgendwie bezweifele ich, dass den Borussen schon aufgefallen ist, dass ihre Jugendarbeit nicht annähernd so gut ist, wie sie selber glauben. Die Beweihräuchern sich an ihrer überragenden Scoutingabteilung (zu recht) und den errungenen Titeln, die aber halt wenig wert sind. wenn dabei keine guten Spieler raus kommen. Jedenfalls habe ich noch keine Stimmen gehört, dass diese Institution mal kritisch durchleuchtet werden müsste. Anders als zum Beispiel bei den Bayern... zu denen kommen wir dann als nächstes.

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