Was soll ich sagen... es ist halt gerade wenig los. Also schafft man sich seine Themen selbst.
Was dann häufig dazu führt, dass man sich Mannschaften anguckt, denen es gerade nicht so gut geht und deren Lage analysiert. Worauf dann immer der "es fehlt an einem Sportlichem Konzept" folgt. Ist halt so. Ist auch unleugbar.
Aber sind "Sportliche Konzepte" nicht völlig überbewertet? Gibt es die eigentlich wirklich? Klar, einige wenige Vereine wie der SC Freiburg kann sich das auf die Fahne schreiben. Aber der Rest?
Gehen wir einfach mal den am besten geführten Verein in Deutschland angucken. Und das sind halt immer die Bayern. Wie sieht deren "sportliches Konzept" eigentlich aus?
Und klar, da kommt dann "Mia san Mia!" Das Problem daran ist: Das ist ein arrogantes Selbstverständnis, aber kein wirklicher Plan. Jedenfalls nicht wirklich. Und da kann man auch alles drauf klatschen, was man will. Im wesentlichen läuft alles auf ein "wir wollen Meister werden" hinaus. Immer und immer wieder.
Aber wenn man sich mal anguckt, wie oft im Detail oder sogar in der Groben Ausrichtung dieses Konzept über den Haufen geworfen worden ist. Der Trainer, mit dem man jahrelang zusammen arbeiten wollte, entlassen wurde, weil man ein Mal keinen Titel holte... Und ja, der letzte Trainer, der ohne Titel in München bleiben durfte, war Jupp Heynckes... Ende der 80er. Nur bleiben die Bayern halt selten ohne Titel, deswegen fällt es kaum auf, wie schnell die Trainer weg sind, wenn die Titel in Gefahr geraten. Aber guckt euch einfach mal an, wie schnell Niko Kovac trotz Doublegewinn abgesägt worden ist... das sind eigentlich Moves, die man vom konzeptlosen Hamburger SV erwartet, nicht vom seriös geführten Rekordmeister. Trotzdem machte man es praktisch schon zum 2. Mal in 3 Jahren, denn auch Carlo Ancelotti konnte man gar nicht schnell genug ersetzen...
Gehen wir mal schnell durch, wie oft die Bayern ihren Masterplan über Bord geworfen haben. Alles begann ja mit der Generation Beckenbauer, Müller, Meier. Also als die eigene Jugendarbeit die Bayern an die absolute europäische Spitze führte und man 3 Jahre in Folge die Champions League gewann.
Aber hier ist so ein unschönes Detail: Bereits in den 80ern wurde diese Idee zu "Wir verkaufen unsere Talente um den Verein zu sanieren" "weiterentwickelt". Darüber redet heute natürlich niemand mehr, aber Karl-Heinz Rummenigge musste im Jahr 1984 an Inter Mailand verkauft werden, damit der Verein saniert werden konnte. Dafür reichten damals noch 11 Millionen Mark...
Das lag halt unter anderem daran, dass man mit Jean-Marie Pfaff seinen ersten internationalen Star gekauft hat. Also das war der erste "Wir holen einen großen Spieler" Transfer aus dem Jahre 1982.
Nun muss ich zugeben, dass ich über die 80er Jahre selber wenig sagen kann, weil ich da noch nicht in der Lage war den Fußball so detailiert zu verfolgen. So alt bin ich halt noch nicht. Und eine legendäre Übergeneration wie in den 70ern fehlt da halt. Aber in den 90ern war der neuste heiße Scheiß dann: Wir kaufen unsere Talente vom Karlsruher SC. Alles, was da halbwegs geradeaus laufen kann, kommt zu uns. Oliver Kreuzer, Oliver Kahn, Mehmet Scholl. Michael Tarnat, Michael Sternkopf und Thorsten Fink werden da in einer Ran-Bilderserie aufgezählt. Der eigene Nachwuchs bestand zu der Zeit... aus Markus Babbel. Und wurde sonst weitestgehen vernachlässigt. Und ja, aus dieser Zeit kommt eigentlich die "Bayern kauft die Bundesliga kaputt" Theorie. Und zumindest beim Karlsruher SC kann man das durchaus so sehen. Obwohl all die Spieler natürlich auch woanders hin gewechselt wären.
Hasan Salihamidzic war dann das eine überraschend erfolgreiche Exponat der "Wir holen uns alles, was laufen kann... und das möglichst Ablösefrei" Phase. Also die hat ja nie wirklich aufgehört. Aber da wurden halt auch so Namen wie Jan Schlaudraff ein Mal kurz ausprobiert und mit Gewinn weiter gereicht. Die Liste der derart gescheiterten Talente ist verdammt lang. Bei Karlsruhe konnte man ja noch behaupten, dass 5 von 6 Spielern es in den Stammkader geschafft haben... bei vielen späteren Transfers war das nicht mehr der Fall.
Den Champions League Titel 2001 holte man im Wesentlichen, in dem man gestandene Deutsche Profis aus dem Ausland zurück in die Heimat holte. Also Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Stefan Effenberg sein symbolisch genannt. Eine derartige "Rückholaktion" war für die Bayern auch mal was neues.
Oh und das, was in den 90ern Karlsruhe war, wurde dann zu Bayer Leverkusen, von denen man sich Michael Ballack, Lucio, Paolo Sergio holte. Man kauft halt immer bei der direkten Konkurrenz ein.
Dann kam ganz plötzlich die "Wir über-korrigieren und holen uns internationale Stars." Phase. Also man kann sich das ja kaum noch vorstellen, aber die Bayern wurden in diesem Jahrtausend mal nur Vierter. Und damals bedeutete Platz 4 einen Abstieg in den "Cup der Verlierer." Also holte man für richtig viel Geld Luca Toni und Franck Ribery. 2 Spieler, die sich im Sommer zuvor im WM Finale gegenüber standen. Es war das letzte Mal, dass die Bayern nicht mindestens dritter wurden. Aber das "Konzept" hieß halt "sobald es eng wird, greifen wir mal richtig tief in die Tasche um das zu reparieren". Und dieses "Konzept" hat man sich zwangsweise im Sommer 2007 ausgedacht...
Dazu stolperte man wieder in eine herausragende eigene Generation um Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos und Thomas Müller, die den Kern des nächsten Champions League Sieges 2012 stellten. Back to the roots. Obwohl ja auch diese eigene Generation durch Ribery und Arjen Robben erweitert wurde. Darauf ruhte man sich dann so sehr aus, dass kaum noch eigene Talente eine echte Chance bekamen.
Dafür entwickelte man praktisch mit dem Robben Transfer einen neuen Tick: Man kaufte sich jeden Sommer einen Star dazu. Und ab 2012 erweiterte man als neue Idee sein Beuteschema um den internationalen Transfermarkt, anstatt nur (mittlerweile bei) Borussia Dortmund zu plündern. So kamem Javi Martinez, Tiago, Mehdi Benatia, Aturo Vidal, Douglas Costa, Renato Sanchez, Corentin Tolisso, Kingsley Coman, Lucas Hernandez und jetzt Leroy Sané für jeweils mindestens 20 Millionen Mark seit Sommer 2012. Das einzige Jahr, in dem auf einen derartigen Transfer verzichtet wurde, war 2018.
Hier muss man halt auch hervorheben, dass solche Transfers vor Ribery und Toni die absolute Ausnahme darstellten. Was natürlich auch daran lag, dass man nicht beliebig viele ausländische Spieler verpflichten durfte. Aber die "Wir verpflichten jedes Jahr einen Star aus dem Ausland" Strategie aus diesem Jahrzehnt hat mit dem "Wir bauen unseren Erfolg auf unserer eigenen Jugend aus" Idee von den 70er Jahren gar nichts mehr gemeinsam. Nebenbei hat man Real Madrid und seine "Intertgalaktischen" immer dafür ausgelacht, dass sie sich jedes Jahr unbedingt einen Star holen müssen. Mittlerweile macht man das irgendwie selber...
Und das sind nebenbei nur die neuen Konzepte auf dem Transfermarkt. Nebenbei hat man sein Produkt auf dem Rasen auch immer wieder angepasst. Von defensiv strukturiert (oder kontrollierter Offensive, wie man das im Neusprech sagt) unter Trappatoni und Rehagel zu gnadenlosem Offensivfußball unter Pep Guardiola. Von diesem großen Gestalter ging es dann direkt weiter zum reinen Verwalter Ancelotti, der halt praktisch nur auf die individuelle Klasse gesetzt hat. Dazwischen gab es noch Klinsmanns legendäre Budda-Statuen und absolutes Chaos auf dem Platz. Das einzige, was all diese Spielphilosophien geeint hat, war: Solange du damit Titel holst, ist uns der Rest egal.
Was ist also das sportliche Konzept der Bayern? Habe Erfolg und wirtschafte seriös. Das ist auch schon alles. Diese 5 Worte sind die einzigen, die konstant relevant waren, seit dem Uli Hoeneß selber die Stiefel geschnürt hat. Sie blieben erhalten, als er ins Büro gewechselt hat und auch als er in den Knast musste, wurde nach diesen einfachen System weiter gearbeitet.
Und das ist abgesehen vom "habe Erfolg, Geld spielt keine Rolle, im Zweifelsfall gehen wir halt pleite" Konzept das einzige, welches wirklich existiert. Warum funktioniert dieses System bei den Bayern? Nun ja, weil sie, Uli Hoeneß sei dank, immer fähige Entscheidungsträger in ihren Reihen hatten. Also ja, das eigentliche Konzept lautete nur: Habe den besten Manager der Liga.
Wie quasi schon bei meinem Loblied auf Max Eberl festgestellt wurde: Das einzige, was wirklich wichtig ist, ist ein guter Manager/Sportdirektor/Sportvorstand. Wenn man den gefunden hat, werden alle anderen Entscheidungen relativ einfach. Man muss halt nur noch aufpassen, dass man den nicht komplett freidrehen lässt. Und ihn regelmäßig überprüfen, weil es durchaus passieren kann, dass er die neusten Entwicklungen im Sport verpasst und dann einfach irgendwann kein guter Manager mehr ist.
Nehmen wir mal spaßeshalber den Hamburger SV.... also das Paradebeispiel im "Es fehlt an einem Konzept". Seit Jahrzehnten. Aber eigentlich fehlt es ihnen nur an einem guten Manager, der die richtigen Entscheidungen trifft und so den Verein in die Erfolgsspur zurück bringt... und dabei seriös wirtschaftet. Und wofür der dann auch immer steht... das ist dann genau das "Konzept", welches der HSV braucht.
Sportliche Konzepte sind so ein bisschen was wie Diskussionen über Gott. Die können bei einer Flasche Wein unter Akademikern wunderbar und lustig sein. Es hat aber für die praktische Arbeit und eigentliche Entscheidungsfindung keinerlei Relevanz. Die richtigen Leute finden ist das einzige, was wirklich zählt.
Und um nochmal den Bogen zu schlagen: Gerade wenn man bedenkt, wie zufällig die Gladbacher am Ende über Eberl gestolpert sind und wie sie den fast wieder loswerden wollten... Es ist ja nicht so, dass das derzeit in Gladbach so gut funktionierende "Konzept" aus einem langjährigen Plan entstanden ist, sondern man ist im Panikmodus darüber gestolpert.
Auf der Gegenseite hatte man bei Werder Bremen das Gefühl, dass die Übernahme des Vereins von Leuten wie Marco Bode und Frank Baumann langfristig geplant worden ist... was aber nicht bedeutet, dass es kein bescheuertes Konzept ist...
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