Wegen der Tradition und so...
Nebenbei überdenke ich gerade meine Arbeitsweise. Also ich höre die Alben,
bis auf die Top 5, in "chronologischer Reihenfolge", schreibe die
"Review" und sortiere die dann ein. Das könnte beim Lesefluss
auffallen, weil ich vielleicht auf Dinge Bezug nehme, die erst noch kommen. Und
wie immer ist es am Ende wichtiger, dass mir das Album dieses Jahr über den Weg
gelaufen ist, und nicht, dass es wirklich dieses Jahr rauskam. Das erste Album
ist... acid.milch&honig.
Und ja, ich hab in der letzten Woche etwa 38 Alben durchgehört, die für mich zu
sortieren... Trotzdem habe ich noch "Honorable Mentions: Tyna's PNK
ist noch zu neu im Plattenregal. Genau so wie das "Ich bleibe nicht
hier" Album von Deine Cuisine. Die bringt nächstes Jahr ein neues
Album raus, deswegen werde ich das "aktuelle" nicht mehr in die
Charts einfügen. Tanner Adells Buckel Bunny ist diese neue,
selbstbewusste Country Musik, die Beyoncé inspiriert hat und alte, weiße Männer
überfordert. Es ist aber auch nur eine EP und deswegen etwas zu kurz, um hier
aufzutauchen. Freekinds "Good News" ist ebenfalls
"nur" eine EP... aber vertraut mir, wenn ich euch sage, dass es sich
lohnt, sich dafür einen Schallplattenspieler zu holen, weil es dieses Werk
ausschließlich auf Vinyl gibt. Dota und Dan's De Repente Fortaleza ist halt eher
eines dieser Zwischenprojekte als ein richtiges Album. Und es wäre leichte, diese
Platte einzusortieren, wenn ich portugiesisch könnte. Spax's "Engel
und Ratten" war das beste Hip Hop Album des Jahres... 2003. Aber geil,
dass es ein Rerelease gab, da ich die Platte zwischenzeitlich mal verkaufen
musste.
Platz 40: Antonia Hausmann - Teleidoscope: Ein Jazz-Album muss halt in
die Charts. Und das Antonia Hausmann Album kann man schlecht hinten
runterfallen lassen. Schließlich war sie still und heimlich schon viel zu oft
in den Albumcharts vertreten. Hauptsächlich als Teil von Karl die Große.
Aber eben auch Teil der Liveband von Clueso. Oder bei Fatoni.
Oder, oder, oder. Wenn man die Linar Notes deutscher Alben liest, stolpert man
häufiger über diesen Namen. Wenn man eine Posaune braucht, ruft man bei
Hausmann an... oder so. Das Album selber sind halt klassische
Jazz-Kompositionen, die genau um diese Posaune aufgebaut wurden.
Platz 39: Ant - Collection of Sounds Vol. 1+2: Normalsterbliche so: Braucht man
wirklich 2 Instrumental-Alben von Ant, wenn man bereits 36 Atmosphere,
15 Borther Ali Vinyls und die gesamte Felt-Collection hat? Also in der
Summe deutlich über 50 Platten mit Beats von diesem Mann? Ich so: Volume 3
kommt im Januar!!! Die Platten bestehen im wesentlichen aus Beatskizzen, die
man wunderbar zum Freestylen nutzen kann. Zumindest will ich mir das einreden,
damit nicht nur mein Sammlerherz was von der Platte hat.
Platz 38: DJ Stylewarz - Hall of Fame: Stylewarz ist und bleibt halt eine
Oldschool Legende. Der letzte DJ vom Alte
Schule Sampler, der wirklich noch aktiv ist. Und der alle paar Jahre
seine Freunde einlädt und ein neues Album raushaut. Für die wirklichen
Highlights sorgen dann Umse auf "Family
Biz" und Ferris MC auf "Hall
of Fame". Dazu kommen 3 reine DJ Tracks in denen Stylewarz
beweist, dass er immer noch scratchen kann, auch wenn er die Schallplatten
längst durch Laptops ersetzt hat... weil halt auch ein Oldschooler auf
Nachhaltigkeit setzt.
Platz 37: Get Jealous - Casually Breaking Hearts: Das ist dann der
erste Eintrag aus der Kategorie: "Das wird ja immer rockiger hier!"
Isso. Ich fühle mich halt mittlerweile bei jungen und aufstrebenden
(Punk)-Rocker*innen wohler, als bei der neusten Hip Hop Generation. Das ich
mich vom Hip Hop entferne, ist keine ganz neue Erkenntnis... dass ich
mittlerweile auch lieber bei Punk bin, irgendwie schon. Was man diesen Charts
anmerken wird. Das Konzept hier ist denkbar einfach: Harte Gitarren auf
einfachen Drums. Dazu kommt die Verarbeitung der Genderdysphorie von Leadsängerin
Otto. Was auch am Ende zum stärksten Song des Albums führt.
Platz 36: Ätna - Lucky Dancer: Wahrscheinlich ist dies das Album, welches in
einem Jahr am weitesten nach oben verschoben werden muss. Denn ich muss ganz
ehrlich zugeben: So richtig verstehe ich es noch nicht. Das war aber bei Ätna
Alben immer so und dieses ist noch relativ neu in der Playlist. Ätna sind immer
noch Inez am Gesang und Demian am Schlagzeug. Dazu jede Menge Effekte und
Synths. Es ist aber auch kein Zufall, dass ich die beiden bereits 2 Mal mit
einem Orchester auf der Bühne gesehen habe. Denn die Alben sind echt komplex, da
kann man mit dem großen Besteck einiges rausholen. Aber die beiden haben Musik
auch an der Uni studiert.
Das neue Album ist atmosphärischer als die alten Sachen. Es gibt mehr Flächen
und weniger Tanzmusik. Das fiel mir vor allem auf, als Live dann endlich
"Trick by Trick" gespielt wurde. Da dachte sich die Menge: Das sind
die Bänger, für die ich Eintritt bezahlt habe. "My
first high" ist bis jetzt mein Lieblingssong, weil da das
Schlagzeug richtig kickt. Inez Stimme funktioniert für mich auf "Hiatus"
am Besten.
Platz 35: Endless Wellness - Endless Wellness: Dieses Album lässt sich
relativ schnell zusammenfassen: Wenn man sich mit der markanten Gesangsstimme
von Philipp Auer anfreunden kann, findet man hier eine sympathische Band. Was
halt auch irgendwie unfair ist, weil wir hier auch wirklich von einer Band reden.
Dennoch kann man schon nach dem Opener "Donnerwetterblitz",
der nur mit Gitarre und Stimme beginnt, feststellen, ob das was für einen ist.
Die Kompositionen werden auf dem Album auch gerne durch Streicherarrangements
erweitert. Heraus kommt ein Album, das zu sanft für Rock ist, aber zu komplex
ist, um als Pop durchzugehen. Das nennt man dann wohl "Alternativ und
Indie"... Die Texte lassen sich am ehesten mit AnnenMeyKanterei
vergleichen: Also man weiß nicht wirklich, ob das jetzt tiefgründig und lyrisch
oder doch einfach nur sinnlos ist. "Hand
im Gesicht" ist da das perfekte Beispiel: Ich hab den Text bis
jetzt nicht wirklich verstanden, aber er hat halt eine Geralt von Rivia
Referenz, deswegen suche ich weiter... Aber am Ende erwische ich mich immer
wieder, wie ich bei "Danke
für alles" mitsinge: "Wir haben heute nichts versäumt, das
waren die Eltern." Funktioniert also zumindest für mich.
Platz 34: Marsimoto - Keine Intelligenz: Vor Jahren habe ich ja mal
behauptet, dass Marsi das kreativere Alter Ego von Marteria ist. Mittlerweile
ist das irgendwie vorbei. Denn Marsi macht irgendwie das, was er halt immer
macht: mit seiner hochgepitchten Stimme über ausproduzierte Beats rappen. Mal,
wie auf "Heile Welt", "Washington PC" und "Das
Gehirn" mit besser funktionierenden Ideen. Aber auch mit viel
Durchschnitt. Am Ende ist es einfach auch Zeit, dass sich der Marsianer von
diesem Planeten verabschiedet. War eine Geile Zeit, aber wirklich was neues
kommt da nicht mehr.
Platz 33: Borislav Slavov - Baldur's Gate 3 Soundtrack: Falls ihr es verpasst
habt: Baldurs Gate 3 ist das beste Spiel aller Zeiten. Ein wahrer
Gamechanger einer kleinen Indie Firma, welches letztes Jahr so ziemlich alles
Platt gemacht hat und den großen Firmen verdeutlicht hat, dass man sehr
Wohl erfolgreich sein kann, wenn man Detailliebe anstatt Micro
Transactions liefert. Mitten in diesem Spiel kommt dann in einem der
wichtigsten Kämpfe
dieser Schatz als Hintergrund Musik. Und obwohl man Ewigkeiten an dem
Kampf sitzt, wird der Song auch nach 30 Minuten in der Endlosschleife nie langweilig. Nachdem ich
dann mit dem Spiel durch war und alle alten Gefährten von Baldurs Gate 2
umgebracht habe, wollte ich Larian Studios unbedingt noch etwas Geld
geben... also bestellte ich die Limited Edition Vinyl, nur um diesen einen Song
zu besitzen. Als sie nach einem halben Jahr endlich ankam, musste ich kurz
darüber nachdenken, ob ich sie nicht eingeschweißt lassen soll... weil die
Platte laut
Discogs seinen Wert verdreifacht hat und damit eine verdammt gute
Wertanlage ist... Ich wollte aber Raphaels Final Act mindestens ein Mal
auflegen. Der Rest des Albums besteht aus einigen "Barden Hymnen" und
ganz viel atmosphärischer Musik.
Platz 32: Textor - So tun als ob: Was soll man dazu schon groß sagen, außer:
Textor taucht halt alle 4 Jahre aus der Versenkung auf und tut dann
Textor-Dinge. Ob jetzt mit seinem langjährigen Partner Quasimodo als
Kinderzimmer Productions, oder
jetzt wieder Solo. Danach spielt er 5 handverlesene Konzerte und
verschwindet wieder in der Versenkung. Die Frage, ob Textor dabei ein guter MC
ist, der die ganzen komischen Dinge, die er so macht, mit Absicht einbaut, oder
ob er eben einfach kein guter MC ist, wird nie final beantwortet werden. Das
ist mittlerweile aber auch egal. Ob es wirklich Sinn ergibt, sich zu Fragen, was
der Philosoph Andi Brehme dazu sagt, wird auch nie final geklärt
werden.. Da hat jemand seine Nische gefunden und macht einfach nur sein
seltsames Ding. Wer es mag, wird all die Alben lieben. Wer schon mit den alten
Sachen nichts anfangen konnte, wird jetzt nicht plötzlich den Aha Moment
erleben und Fan werden.
Platz 31: Klan - Das Ende der Welt: Das soll das letzte Klan Album werden. Sie
haben ja auch alles erreicht, was von ihnen erwartbar war: Popmusik mit guten
deutschen Texten. Dem Album hört man deutlich an, dass die beiden Brüder schon
vorher der ersten Note wussten, dass es ihr Abschied werden soll. Da wurde noch
einmal "vollgetankt"
und Gas gegeben. Die neue Welt ist schon bestellt, aber
man wartet vergeblich auf den Postboten. Gefühlt gab es auf dem
Jaaaaaaaaa! Album mehr politischen Inhalt, aber wenn man sich verabschieden
will, muss man sich wahrscheinlich auch mit sich selbst beschäftigen. Als
letzten Track gibt es dann ein "war
schön mit euch." Das kann man so stehen lassen.
Platz 30: Mal Élevé & Osy - Amour Résistance: Mal Élevé ist und bleibt ein
unverbesserlicher Optimist. Seit 20 Jahren kündigt er die kommende Revolution an
und liefert weltweiten Widerstand. Jetzt halt im Namen der Liebe. Und mit dem
wesentlich jüngeren Osy als neuer Partner in Crime. Live reißen die beiden
immer noch alles ab. Auf den Alben passiert genau genommen wenig neues: Man
träumt von einer anderen Welt, solidarisiert sich mit den
Antifaschisten und redet
nicht mit Polizisten und fordert mit Rio
Reiser Referenz zum Häuser besetzen auf. Das ist halt einer dieser
Künstler, bei denen die Haltung wichtiger ist, als die musikalischen Details.
Platz 29:Smile - Price of Progress: Das eine wirklich schlimme an einer
Fußball-EM in eigenem Land ist ja, dass das restliche kulturelle Leben noch
mehr zum Erliegen kommt, als das im Sommer sonst der Fall ist. Und auch wenn
sie sich bei der Fan Meile in Leipzig mit den Live-Acts wirklich viel Mühe
gegeben haben: Nach 2 Wochen habe ich einfach die stickigen und engen Clubs
vermisst. Also bin ich zu Smile in die Ilse. Einfach nur, um wieder ein
Clubkonzert zu sehen. Und als die Leadsängerin dann zum Auftakt durch die Crowd
ist, wurde mir wieder bewusst, dass sich der ganze Schweißgeruch doch lohnt.
Das Album selber wird durch den buchstäblichen Sprechgesang geprägt. Umgeben
werden die von robusten Gitarren, was dem ganzen einen eher psychedelischen
Post-Punk Vibe gibt. Wirklich absurd wird es dann, wenn eine Amerikanische
Sängerin dir erklärt, was ein "Herrengedeck"
ist.
Platz 28: the Sensitives - Patch it up an go!: Die 3 spielen reinsten Punkrock:
Schlagzeug, Gitarre und Bass. Dazu eine männliche und eine weibliche Gesangstimme.
Viel mehr brauchen die nicht. Sie sind deutlich schneller und härter als Smile.
Wie sich das für ordentliche Punk Musik gehört, passiert musikalisch auch nicht
viel, aber die Energie ist schon ansteckend. Das ist halt Musik, zu der man
live pogen sollte. "If
only I could learn from my mistakes, I'll be an expert now" ist
eine dieser einfachen Lebensweisheiten, die man so wunderbar zu Musik machen
kann. Genau so wie "All I ever needed to live, was
something to die for."
Platz 27: Ami Warning - Auszeit: Im Gegensatz zu all den meisten anderen Alben,
leidet dieses Exemplar unter dem Nachteil, dass ich die Tour nicht Live sehen
konnte... weil die Konzerte tatsächlich ausverkauft waren. Was ihr aber auch
einfach zu gönnen ist. 10 Jahre nach ihrem Debüt Album hat sie den Schritt von
der Vorband zum Headliner der eigenen, ausverkauften Tour gemacht. Ami Warning
ist nebenbei auch eine dieser Künstlerinnen, die selbst bei Festival- oder
Vorband-Auftritten mit gekürzter Zeit immer mal wieder ins Publikum fragt, was
sie denn jetzt spielen soll.
So viel verändert hat sich aber gar nicht. Die Produktion ist etwas
Bandlastiger, aber im Wesentlichen ist es immer noch eine warme Gesangsstimme
und die Gitrarre, die das Album prägen. Das Highlight ist dann, wie häufig, der
Titeltrack. Fatoni klärt im "war
dabei" dann, ob das jetzt unter "Singer/Songwriter" oder
R'n'B läuft: es featurerd ein Rapper, es muss also R'n'B sein... "Liebe
ist laut" verdeutlicht, wie gut sich Mola und Ami ergänzen.
Platz 26: Karo Lynn - a line in my skin: Die wohl teuerste Erkenntnis
des Jahres war ja, dass zumindest ich nicht wirklich Geld spare, wenn ich bei
Konzerten auf der Gästeliste stehe. Das bekomme ich mittlerweile nämlich
relativ häufig hin... nur kaufe ich dann 1 bis 2 Platten von Bands, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Das erste Mal
passierte mir das bei Karo Lynn, wo ich direkt beide gekauft habe. Andere
Beispiele wären Polis, Florian Paul und die Kapelle der letzten
Hoffnung, Josh und Hayiti. Um die "Moritzbastei
Honorable Mentions List" auch abzuharken.
Karo Lynn macht jedenfalls eher düstere Popmusik. Also ich würde am ehesten die
Tuvaband als Referenz, die keiner versteht, angeben. Der Sound ist eher
düster, die Texte schwanken zwischen melancholisch und abstrakt. Mein
persönliches Highlight ist der "are you shaking, or am I?" Part auf
It's breaking the ice. Den gibt es aber online
nur in der Akkustik Version, welches den elektronischeren Klang des
Albums nicht wirklich repräsentiert. Deswegen wird der Titelsong auch
noch verlinkt.
Platz 25: acid.milch&honig - acid.milch&honig: Oder so. Wie
heißt das Ding eigentlich? Discogs behauptet: Genau
so. Und eigentlich gehört es noch in die letzten Charts, weil auf dem
Album 30.11.23 steht... Anyhow: Der Typ ist ein Leipziger Elektropunk
Mysterium. Also der war irgendwie immer präsent, aber nie wirklich da. Man lief
sich immer wieder bei der einen oder anderen Live Eskalation über den Weg.
Diese Liveauftritte arten auch gerne in Elektro Cover Versionen
"beliebter" Popsongs aus. Gerüchte über ein Album gab es schon vor 10
Jahren, aber dass es wirklich fertig werden würde, war zu bezweifeln. Bis zur Release
Show an eben dem 30.11.. Hat sich das Warten gelohnt? Wenn man auf Elektropunk
mit dämlichen Texten steht, schon. Aber eigentlich ist das eher ein Live-Ding.
Ganz nach dem Motto: "Wir
machen hier alles kaputt!" Wenn man den Panzersong mag, mag man
auch den Rest, wenn nicht, dann brauch man das Album auch nicht...
Platz 24: FeurigseinPeter - Punk Revolution: Wo wir gerade schon bei Leipziger
Subkultur waren: Ich dürfte der einzige Mensch auf der Welt sein, der dieses
Album gekauft hat... weil ich Spotify konsequent verweigere und dem Gitarristen
5 Euro in die Hand gedrückt habe, damit er mir die MP3s schickt. Die wurden
dann garantiert in Sterni investiert. FeurigseinPeter ist halt dann halt reiner
Punk. Da gibt es also genügend Trinklieder, um Alben zu füllen. Aber mit Regenauf Asphalt liefern sie ein überraschend melancholisch/politisches Lied ab...
was dann natürlich am wenigsten abgespielt wird. Und mit "Schwurbelfrei"
eine leider viel zu nötige Hymne gegen Querdenker und Nazis. Oh und da bin ich
kurz im Video zu sehen, das ist dann nach dem Chor im "Akustisch und
Live" von 100 Kilo Herz die nächste "Cameo"...
Platz 23: Sobi - Beloved Child: Aus der "Ich bin da ins Konzert
gestolpert, weil ich nix zu tun hatte" Kategorie kommt die Beloved Child
Platte von Sobi. Man kann ja auch mal die
kleinen Siege des Lebens feiern, anstatt sich mit den ganzen Problemen
zu beschäftigen. Ist auch viel gesünder. Dieses Album strahlt eine gewisse
Zufriedenheit und Geborgenheit aus, die man in der kommerziell ausgelegten und
erfolgreichen Musik einfach nicht findet.
Platz 22: Grossstadtgeflüster - Das Über-ICKE: Das ist eine von diesen
Bands, die ich ewig so halb auf dem Radar hatte, bei denen der Funke nicht
wirklich überspringen wollte. Auch wenn es mehr nach vorne geht, ist die Band
ähnlich wie Mine: Einzigartiger, fetter Sound und gute Texte. Nur halt eher für
den Club, als fürs Heimkino. Und die Texte sind oftmals eher albern. Neu ist halt, dass diese Textideen bei mir besser
klicken, als auf den "alten" Alben. Dafür habe ich mich selber ein
Mal zu oft fragen hören "Wo ist das Ketchup?"
Und natürlich habe ich die AGBs keine Gültigkeit, weil
ich die gar nicht les'.
Platz 21: Marie Curry - Cameo: Ich bin ein wenig verwirrt, weil die
Frau ein straightes Hip Hop Album rausbringt. Denn "Alles
groß" vom letzten Neonschwarz-Album war ja eher ein
angesungener Song. Und dieses Ding soll das Solo-Projekt ja getriggert haben.
Aber am Ende ist es die Vollendung der Wandlung von der Chorus-Gesangsstimme
zur guten Rapperin. Nicht überragend, aber gut genug, um ein halbstündiges
Soloalbum zu tragen. Das hätte ich, ganz ehrlich, nach den ersten Neonschwarz
Alben nicht erwartet. Dass der Name der Band jetzt schon zum Zweiten Mal fällt,
zeigt aber das große Problem dieses Albums: Diese Band ist zusammen deutlich besser,
als ihre Einzelteile. Sie ergänzen sich einfach, also fehlt bei so einem
Solo-Album etwas. Trotzdem bleibt ein sehr solides Solodebüt mit klarer feministischer
Kante. Wer eine Janelle Monaé Referenz
einbaut, ist bei mir immer beliebt. Außerdem kommt das Album mit dem
Gütesiegel des einzigen Millie Dance Part des Jahres.
Platz 21: Chloé - Trouble in Paradise: Chloe legt direkt ihr zweites Soloalbum
nach. Da ich mit dem letzten Album nicht so wirklich warm geworden bin, komme
ich damit sehr gut klar. Trouble in Paradise gefällt mir persönlich besser,
weil endlich wieder vernünftig gesungen wird, anstatt auf das Ciara-sques
minimalistischeren Sprechgesang zu setzen. Chloe hat ja die Range, und das zeigt sie
jetzt endlich auch wieder. "Strawberry
Lemonade" geht verdammt gut ins Ohr. "Nice
Girls finish last" ist herrlich versaut. In "Roses"
geht es nur um Selbstbefriedigung. Wenn sei dann ein "Stupid
Motherfucker" raushaut, hat das einfach eine ansteckende Energie.
Platz 20: Nichtseattle - Haus: Heute in der beliebten Serie
"Absurde Konzeptalben": Wir nennen das Album Haus, bauen das Artwork
um ein Zelt auf, das an verschiedenen Orten aufgestellt wird, und geben dann
jedem Song einen zusätzlichen (Titel), der sich auf ein Haus bezieht. Und die
Vinyl kommt natürlich mit einer H-, einer A-, einer U- und einer S-Seite.
Fertig ist die Grundidee von diesem Album. Geprägt wird es durch wirklich komplexe
Kompositionen. Auf diesem Song sind die "kürzeren Lieder" 4 Minuten
lang. Dass der Name für dieses Projekt eine Tocotronic Referenz ist, ergibt
auch Sinn, denn die Texte orientieren sich schon am Anspruch dieser Band. Man
muss wirklich in die Platte reinhören, um sie halbwegs zu verstehen. "Frau
sein" dreht sich darum, was dies für verschiedene Generationen
bedeutet... und beginnt mit einem "Ich will das nicht!" und endet mit
einem "Ich mach das nicht!" Auf "Beluga"
alleine passiert inhaltlich mehr, als auf manchen Hip Hop Alben der Neuzeit.
Das ganze endet dann in einem "Ich bin immer soo fleißig/
und trotzdem: irgendwie reicht's nicht."
Platz 19: Ferris MC - Mortal Comeback: Damit, dass Ferris im Jahr 2024 nochmal
ein tightes und reifes Album abliefert, hätte wohl niemand gerechnet. Also
inklusive Ferris selbst, denn wenn man so grob über seine Biographie und seine
Drogenexzesse geht, ist es schon eine Überraschung, dass der überhaupt noch
lebt. Und auf Einklang
beginnt er dann mit "So fühlt sich die Welt clean an." Gerade bei dem
Text merkt man, dass Ferris selber nicht so wirklich glauben kann, dass er
angekommen ist. Auf die Exzesse und das Gelaber hinter seinem Rücken versucht
der sucht der "Freak"
jetzt mit einem Lächeln zurückzuschauen. Auf "28325"
schaut er auf Bremen Tenever als seine Urkatastrophe zurück, hält aber auch
fest, dass dies Vergangenheit ist. Dem Mann geht es mittlerweile gut und as hat
er sich verdient. Dafür musste er halt auch das eine oder andere "Trauma"
verarbeiten. Faszinierenderweise kommt Ferris auch 2024 mehr über die Stimme
und die Attitüde, weniger über die Technik und die Reime... nur ist die Attitüde
mittlerweile "Familienvater" und nicht mehr "Assi".
Platz 18: 3% - Kill The Dead: Das Highlight der letzten Nachmittagssession im
legendären Molotow waren diese 3 Rapper aus Australien. Die Wut und die
Haltung erinnern an Public Enemy, nur halt ohne den schon immer eher
nervigen Flavor Flav... Und dem Fakt, dass es schon nach 2024 und nicht nach
1988 klingt. BnP!
Der Name der Band bezieht sich darauf, dass nur noch 3,8% der australischen
Bevölkerung Aboriginals
sind. In dem Album geht es dann hauptsächlich darum, wie beschissen mit denen
umgegangen wird. Die wollen doch nur ihr Land
zurück. Und beschweren sich darüber, dass
viel zu viele von ihnen im Knast sitzen. Das wird natürlich komplett
untergehen, weil sich niemand für die Probleme der Australischen Ureinwohner
interessiert. Das Album sollte aber genau deswegen gehört werden.
Platz 17: Adam Angst - Twist: Wie geht man am Besten mit beschissenen
Wahlergebnissen um? Kurzfristig, indem man sicher stellt, dass man für den
Abend ein Punkrock-Konzert-Ticket hat. Denn gerade wenn die Rechten an die
Urnen marschieren, hilft es, sich auf linksgrünversiften Konzerten daran zu
erinnern, dass man doch nicht alleine ist. Und ja, genau so bin ich zu Adam Angst
gestolpert. Ich suchte... "eine
Lösung für deine Probleme." Twist ist nebenbei ein wirklich
treffender Albumtitel, denn viele Songs kommen tatsächlich genau mit einem Plot
Twist. "Unter
meinem Fenster" behandelt das mir viel zu bekannte Problem, dass
man eigentlich gar nicht mehr an die Tür gehen will, wenn es klingelt, weil
dieser Knopf eh nur von Menschen benutzt wird, die man nicht sehen will... Nur
um am Ende zu hoffen, dass doch noch jemand klingelt, wenn man irgendwann alt
ist. "Mindset"
wirkt im Chorus einfach nur wie eines dieser "Jetzt bitte
durchdrehen" Live-Stücke, geht dann aber um toxische Influencer und
Life-Coaches, die dir einreden, dass du ihnen dein Geld geben musst. "Wir
sind zusammen" beginnt eigentlich wie ein schönes Liebeslied...
wird aber ein Anti-Lead, indem es darum geht, wie nervig es ist, wenn andere
dieses "Nein wir sind zusammen!" raushängen lassen. Es endet in einem
"Seit ihr eigentlich ein Paar? NEIN, wir sind zusammen!" "Range
Rover" ist dagegen relativ straight um die Wohnungssuche in
Großstädten und Gentrifizierung... was halt ein immer wichtiger werdendes Thema
ist, das jetzt auch in der Musik ankommt. Großartiges Songwriting. Und damit
kriegt man mich immer.
Platz 16: Lola Young - this wasn't meant for you anyway: Gut, dass wir das
vorher geklärt haben. Ich hoffe, es ist OK, dass ich es trotzdem feiere. Oder
gerade deswegen. Meine Vorliebe für britische Sängerinnen, die mir beim
Reeperbahn Festival über den Weg laufen, dürfte weitläufig bekannt sein. Das
Debütalbum von Brooke Combe ist schon fast im Versand. Celeste
und Jox Crooks müssen mal ihr 2. Album nachlegen. Bis dahin muss Lola
Young übernehmen. Die ist tatsächlich schon bei ihrem 2. Album. Und das ist um
einiges rotziger und punkiger, als das eigentlich zu erwarten war. Ihre
Lieblingsvokabeln, neben dem obligatorischen "I", dürften
"cunt" und "fuck" sein. Der Rest wird mit "wish
you were dead" aufgefüllt. Das fasst die Grundstimmung, die sich
durch das Album zieht, ganz gut zusammen. Da musste jemand ganz dringen Frust
abbauen und das kann dann auch mal "messy"
werden. Ob das ein Außreißer ist, oder ihr Vorgängeralbum "My Mind Wanders
and Sometimes Leaves Completly" auch so derbe ist, kann ich noch nicht
beurteilen, es steht halt noch eingeschweißt vor dem Plattenregal. Aber das
aktuelle Album ist so gut, dass ich ohne reinzuhören den Vorgänger, den ich bei
Release irgendwie verpasst habe, gekauft habe... Auch nen Qualitätsurteil.
Platz 15: Reinhard Mey - Nach Haus: Es ist für mich praktisch
unmöglich, Reinhard Mey sachlich einzuordnen. Das ist halt meine Urkatastrophe.
Der erste Musiker, den ich jemals bewusst gehört habe. Und damit werde ich auch
nie aufhören. Da der ein für Musike biblisches Alter erreicht hat, ist jedes
Album und jede Tournee ein Geschenk. Dass der Mann sich als Ü80-jähriger 16
Tage am Stück alleine auf die Bühne gestellt hat, um 2 Stunden Konzerte zu
geben, ist völlig absurd...
Aber anderseits ist seine beste Zeit lange vorbei. Die absoluten Highlights der
frühen 90er Jahre hat er schon lange nicht mehr erreicht. Trotzdem schafft es
immer noch kaum jemand, so feinfühlig und präzise mit der Sprache umzugehen,
wie Reinhard Mey. Der ist halt der beste deutsche Lyriker seit Goethe, da
bleibe ich bei.
Dieses Album ist dann tatsächlich wieder politischer. Also explizit
politischer, den linksgrünversifte Gutmenschenmusik war das ja immer. Was im
Endeffekt damit begann, dass er sich auf
seiner Homepage von all den Spinnern distanzieren musste, weil die
seine Lieder missbrauchen wollten. Aber auch ein Reinhard Mey muss sich halt
damit beschäftigen, dass sein totaler Pazifismus in
Zeiten des Ukraine Krieges an seine Grenzen kommt. Krieg im allgemeinen
ist auf dem Album sehr präsent. Sei es auf explizit "Verschollen" und
"Black and White 1945", oder zwischen den Zeilen auf "Questo
tavolo non sie vende". Dort bekommt Reinhard einen nicht zum verkauf stehenden
Tisch geschenkt, weil er sich die Lebensgeschichte dieses Tisches anhört. Der
Höhepunkt des Albums ist definitiv "Zwischen
Kontrollpunkt Drewitz und der Brücke von Dreilinden". Hier
beschäftigt er sich mit der Wendeeuphorie und der dann einsetzenden
Enttäuschung. Da das ein kompliziertes Thema ist, braucht er halt seine 7:39...
Das sind genau die Texte, die nur ein Mey schreiben kann. Bei der positiven
Schlussnote bricht dann doch nochmal der unverbesserliche Optimist auf.
Auf "Lagebericht"
kommt der dann nicht mehr zum Zug. Da zeichnet er dann für den 21.12.2042 genau
den Lagebericht, den die "nicht mehr" Letzte Generation kommen sieht,
den aber alle Politiker ignorieren. Auf "Misere mei" setzt er sich
demonstrativ auf die Anklagebank der Tiere und seziert, wie unwürdig
Massentierhaltung ist. Es ist aber nicht alles düster und politisch. Auf
"Zwei Musketiere" schwelgt er mit leicht beschwinglich mit seinem
alten Partner in Crime Hannes Wader in Erinnerungen. Und Liebeslieder
kann er auch immer noch schreiben.
Platz 14: Soko LiNX - Auf die Fresze. Fertig. Los!: Ja, eigentlich
sollte das aktuelle Album "Blosz kein Stress" stehen. Aber das habe
ich erst vor wenigen Tagen gekauft. Bei der Lebensfeier für meinen leider viel
zu früh verstorbenen Kollegen Karsten Kriesel hatten die nur ihr
Debütalbum dabei. Deswegen wird dieses Album immer einen besonderen Platz in
meinem Schrank finden.
Das Debüt Album ist, im vergleich mit dem neueren Werk, Electro-lastiger. Aber
im Kern immernoch Punk. Sie sind irgendwie der geistige Nachfolger von
Supershirts "Punk ist, was du draus machst." Und sie haben einen
konkreten Plan, wie man die Wirtschaft ankurbelt: "Vandalismus
schafft Arbeitsplätze!" "Tu
nicht, was du auch laszen kannst" ist ja mein eigentliches
Lebensmotto. "Stiefmütterchen"
war Karstens Lieblingslied und kickt deswegen live nochmal ganz anders. Und die
jeweiligen Enden der "Muszichnich"
Strophen (mit einem großartigen Gastbeitrag von Yetundey) sind herrlich.
Das neue Album ist dann weniger Elektro und mehr Punk... und wird hier dann
nächstes Jahr auftauchen.
Platz 13: Rachel Chinouiri - What A Devestating Turn of Events: Der
traditionelle Preis für die "Britische Newcomerin des Jahres " geht
dieses ja an Rachel Chinouiri. Die orientiert sich aber weniger am Soul und
Jazz, sondern an den Brit Pop Ikonen der 90er Jahre. Die Musik ist
dementsprechend schneller und härter als der ihrer Vorgängerinnen. Es ist aber
wesentlich poppiger als das 2. Album von Lola Young. Inhaltlich orientiert es
sich aber schon an den schweren Themen, die auch eine Joy Crookes aufgreift:
Rassismus, Armut und Depressionen Der Titeltrack
beginnt mit einer harmlosen Romanze und endet in einer ungewollten
Schwangerschaft und Selbstmord. In "Robbed"
wird dann der Verlust zu früh von uns gegangenen Menschen verarbeitet. "It
is, what it is, what it is is a problem." Es fasziniert mich immer
wieder, wie die jungen Britinnen schon früh in ihren Karrieren diese heftigen
Themen angehen. Aber natürlich kann Rachel auf "All
I ever asked" auch ganz entspannt über gebrochene Herzen singen.
Platz 12: Dominique Fils-Aimé - Our Roots run deep: Letztens hatte ich ein
interessantes Gespräch mit meiner Kollegin. Die frage mich, wie ich überhaupt
neue Musik kennenlerne, wenn ich Spotify und dessen Algorithmus nicht nutze.
Denn das ist ja echt gut, um sich neue Musik vorschlagen zu lassen. Meine
Antwort war: "Ich gehe halt auf Konzerte und gucke mir da alles an. Wenn
es mir gefällt, kaufe ich die Platte." Sie dann so ungefähr: Aber das ist
ja total begrenzt auf Leipzig und vielleicht noch Hamburg. Das engt dich doch
total ein. Ich so: Ich gehe halt ein mal im Jahr aufs Reeperbahn-Festival, da
kommt Musik aus der ganzen Welt vorbei. Da finde ich jedes Jahr mindestens eine
Kanadierin, die ich mir hinterher zulegen muss. Letztes Jahr war das Storry.
Dieses Jahr geht der Titel "Candadian of the Year" an Dominique
Fils-Aimé. (Platz 2 geht an Baby Rose). Die Frau pendelt zwischen
klassischer Soul und Jazz Musik. Her
roots indeed run deep. Sie nutzt ihre Stimme (auch live über den
Looper) oftmals auch als Sample und Rhythmusinstrument. Dazu kommt dann noch
minimal Instrumentierung. Dass die Trompete sich wirklich in den Vordergrund
schleicht, bleibt auf "Give
me a reason" die Ausnahme. Aber die Stimme ist auch gut genug, um
das herzugeben. Inhaltlich versucht sie, trotz der schwierigen Zeiten und
großen Probleme, Hoffnung und Optimismus zu verbreiten.
Fils-Aimé ist dabei aber keine junges, aufstrebendes Talent, sondern dies soll
der Auftakt ihrer 2. Trilogie sein. Vielleicht hätte mir Spotify das schon vor
10 Jahren vorgeschlagen... aber alles zu seiner Zeit.
Platz 11: Mine - Baum: Da muss ich erstmal zugeben, dass ich Mine
tatsächlich Jahrelang unterschätzt habe. Also klar, dass die "gut"
ist, stand immer fest. Einen einzigartigen Sound, den man auf den ersten Takt
erkennt. Eine richtig fette Produktion, mit der in Deutschland sonst keiner
mithalten kann. Kreative Texte mit vielen Ebenen... all das waren Dinge, die
mir bereits bewusst waren. Aber wie verdammt gut die Gesangsstimme eigentlich
ist, fiel mir erst beim Live-Konzert auf... Warum habe ich die letzten Touren
eigentlich ausgelassen? (Spoiler: Weil die schon ausverkauft waren, als ich
mich drum gekümmert hat.)
Auf Baum beschäftigt sich Mine mit den essenziellen Fragen des Lebens... also mit
dem Tod der eigenen Mutter, welcher die Perspektive aufs Leben
verändert, auch wenn man "selber Mama" ist. Das gibt dem Album eine
größere Tragweite, aber auch eine gewisse Schwere. Aber fest steht: Das ist
eine großartige Künstlerin.
Platz 10: Monsters of Liedermaching - Federwisch im Elfental: Die wohl
bekloppteste Band des Landes. Theoretisch sind das ja nur 6 Liedermacher, die
sich gemeinsam auf die Bühne setzen und ihre Lieder spielen. Und diese
Live-Aufnahmen werden dann mitgeschnitten und auf Alben gepresst. Das
funktioniert seit über 2 Dekaden. In diesen 20 Jahren war man nur ein einziges
Mal im Studio. Diese Konzerte sind dann nicht die entspannten
Liedermacher-Abende sondern enden im "Sitz Pogo" und in Saufgelagen. "Glücklich
und besoffen sein" halt. Und nach all den Jahrzehnten haben die
Jungs auch endlich das "Prädikat
Punk"... dank einer veganen Bulette. "Die
Hamstereinkäufe schämen sich für dich" ist die vielleicht beste
Aufarbeitung der Pandemie...
Platz 9: Moop Mama x Alice - Wieder Laut: In den 7 Jahren seit dem großartigen
"Ich" Album hat sich bei Moop Mama einiges getan. Das
offensichtlichste ist, dass sich Keno als Stimme verabschiedet hat, aber
auch an den Bläsern hörten einige auf. Unter anderem Marcus Kesselbauer,
der für die Arrangements verantwortlich war. Das sind schon krasse
Veränderungen, insofern ist es nachvollziehbar, dass auf "Alles
am Weg" erstmal die Frage geklärt wird, wie es überhaupt
weitergehen soll und kann. Technisch gesehen sind das hier auch 2 nacheinander entstandene
EPs und nicht ein Album. Deswegen endet die erste Vinyl auch mit einem
"Outro". Teil 1 merkt man noch an, dass sich die neue Konstellation
erst noch finden muss. Aber das war ja bei Keno auch nicht anders. Aber auch
auf dieser Platte finden sich mit "Bildet
Banden" und "Taub"
schon echte Bretter. "Ich hab ein Recht auf Bassmassage!" Und Bässe
können die Bläser von Moop Mama halt wie kaum eine andere Band.
Auf der 2.
Vinyl fühlt sich gerade die Sängerin Alice wesentlich wohler. Das merkt man am
deutlichsten beim Chorus von "NPC"
und dem Call and Response Strophen von "Ich
halt das nicht mehr aus", die gerade Live extrem gut wirken. "Nie
wieder" fängt mit dem ehrlichen Eingeständnis an, dass man
eigentlich keinen Bock drauf hat, auch ein politisches Lied zu spielen... ist
nie wieder schon wieder viel zu nah. Ein viel versprechender Start in eine neue
Moop Mama Ära.
Platz 8: Brother Ali & Unjust - Love & Service: Brother Ali ist
technisch immer noch absurd gut. Kaum jemand bringt komplexe Themen so konkret
auf den Takt, ohne auch nur ein Mal einen Reim zu erzwingen. Das Grundprinzip bleibt
weiterhin: "Like give me three minutes and twenty seconds and
here's my highs lows joys woes and any pent-up fears." "If
it ain’t joy and pain it ain't eligible." "The
Collapse" erinnert uns daran, dass wir ganz viel Elend auf der
Erde einfach ignorieren und weitertanzen. Als bekennender Muslim nimmt Ali sich
aber die Freiheit, sich dabei klar gegen die Politik Netanjahus zu positionieren.
Überhaupt ist dieses Album, noch mehr als seine Vorgängerwerke, vom Islam
geprägt. Was Ali im aufwändig gestalteten Artwork auch selber anspricht.
Genauso wie den Fakt, dass nicht er in "Cadillac"
flucht, sondern der Polizist, den er in dem Song zitiert. In dem Song erzählt
er, dass sein Stiefvater und er aus dessen Auto gezogen, weil sie Schwarz sind
und eine Waffe im Auto vermutet... obwohl Ali ja Albino ist. Während Ali
panische Angst hatte, dass er erschossen wird, nimmt sein Vater das eher
gelassen hin, weil er das halt auch nicht zum ersten Mal erlebt. Dass man
solche Geschichten einfach ertragen und niemanden damit belasten sollte.
Soundtechnisch bewegt sich das Album, wie schon auf Secret & Escapes,
weiter weg von dem klaren und hellen Sound von Ant und hin zu dem dumpferen MF
Doom-esquen Klang. Für mich als Ant-Groupie ist das immer noch
gewöhnungsbedürftig. Es ist ein Album, für das man sich verdammt viel Zeit
nehmen muss, aber diese Zeit hat es definitiv verdient.
Platz 7: Max & Joy - Alles Liebe: Falls noch irgendjemand einen Beweis
braucht, dass die beiden die Deutsche Version von Jay-Z und Beyoncé sind,
liefern die beiden ihre Version von "Everything is love" ab. Und
nennen das dann auch noch "Alles Liebe." Max ist eigentlich viel zu
gut, um nur noch als Teilzeitrapper aktiv zu sein. Joy ist immer noch die beste
Gesangsstimme. Zusammen verarbeiten sie jetzt ihre nicht immer ganz einfache
Beziehung. Es ist quasi "Das
Wenigste" auf Albumlänge. Und die beiden sind halt verdammt gut.
Sie spielen dabei immer wieder mit ihrem größten Hit. Sei es als Querreferenz
auf "Ein
bisschen mehr als Freundschaft" oder indem sie die
Geschichte hinter dieser Pop-Hymne erzählen. Aber auch die Tiefpunkte
mit der Zwischenzeitlichen Trennung werden auf 35
Missed Calls aufgearbeitet. Und dazu gibt es natürlich ganz ganz viele
Songs, auf denen die beiden einfach nur froh sind, dass
sie wieder zusammen sind. Und wie bescheiden es ist, dass die beiden
sich trennen müssen, wenn
Joy mal wieder auf Tour geht... Denn genau genommen ist Joy
mittlerweile die Alphamusikerin der Familie. Sie ist wesentlich aktiver und
während Max zumindest Live immer wieder mal die Luft ausgeht, ist sie auch dort
noch auf absoluten Spitzenniveau. Trotzdem wird sie auf der nächsten Tour ohne
ihren Mann wieder die kleineren Hallen bespielen. So funktioniert unsere Welt
halt.
Das Album ist deswegen so gut, weil es so erwachsen ist. Es ist keine naive
Glorifizierung der großen Liebe ist, sondern eine realistische Abbildung aller
Höhen und Tiefen. Und "Mmina
Tau" ist, auch wenn es thematisch nicht so ganz zum Rest passt,
ein positives Stimmung verbreitendes Brett.
Platz 6: Kapelle Petra - Hamm: Die wollen ein "mittelmäßiges
Leben" führen? Die liefern ein mittelmäßiges Album ab. Bei der
Kapelle heißt Mittelmaß aber immer noch: Verdammt gut. Wobei man das kurz
eingrenzen muss: Dass "Frühwerk" vor Internationale Hits ist
schon anstrengend. Wobei... Aber seit dem die mein Lebensmotto "Geht
mehr auf Konzerte" gemacht haben, liefern die nur noch großartige
Alben ab. Die Jungs haben die wunderbare Gabe, einfache Geschichten anhand
absurder Bilder zu zeichnen. Praktisches Beispiel: Ein Sommerhymne an den "Freibad
Pommes" aufzuziehen. Ein Gedicht in Rot und Weiß. "Es
war nicht alles schlecht früher" kommt mit dem "Das meiste
ist es immer noch" Konter. Und endet mit einer "Deine Schuld"
Referenz. Denn es ist ja egal, ob früher alles besser oder schlechter war,
wichtig ist, dass wir in der Gegenwart etwas verändern. "Alle
dumm! außer ich" endet mit der offensichtlichen Frage "Warum
mag man mich trotzdem nicht? "Keine
Lieder für böse Menschen" ist dann ihre Abrechnung mit all den unangenehmen
Gestalten, die während und nach der Pandemie so zum Vorschein kommen... und der
freundlichen Ansage nicht auf ihre Konzerte zu kommen.
Das Album ist kein revolutionäres Werk. Kapelle Petra haben ihre Nische
gefunden und fühlen sich dort sehr wohl. Wenn man die anderen Alben feiert, mag
man auch dieses hier. Ist doch gut, dass
die damals in der Schule gepennt haben.
Platz 5: Spilif - irgendetwas das du liebst: 3 Jahre nach der Debüt-EP mit Rudi
Montaire kam Ende 2023 endlich das Album. Und weil ich oftmals etwas länger
brauche, kommt es erst dieses Jahr in die Charts. Seitdem ich die Frau das
erste Mal auf dem Reeperbahnfestival gesehen habe, hat sich einiges getan. Vor
allem fühlt sie sich mittlerweile sichtlich wohler mit der Live-Band im Rücken
und auf Band. Auch wenn der Sound weiterhin straight Rap
ist. Die Leichtigkeit, mit der Spilif über den Takt fließt, ist
faszinierend. Die Texte strahlen einen eher melancholischen, introvertierten
Vibe aus. "Wie retroperspektiv
wird der Abend sein, wenn der Wein wieder fließt?" Im Titeltrack
heißt es dann "Auf der Suche nach dem Sinn sind Nihilisten nie." Sie
nennt sich selbst poetisch... und ein "rebellischer
Hippie". Spilif ist Österreichs größte Raphoffnung.
Platz 4: Curse - Unzerstörbarer Sommer: Ist Curse der Beste Rapper des Landes?
Auf jeden Fall der langlebigste. Es gibt halt kaum jemanden, der 2000 schon
tight war und immer noch großartig ist. Dave P von Main Concept
vielleicht, aber der kommt als Teilzeitarbeiter "Nur" auf 6 Albem...
Und Curse kann von sich behapten, dass er zwischenzeitlich mal ein Popstar war,
ohne sich irgendwie zu verkaufen. Können andere MCs auch ähnlich gut flown?
Bestimmt. Kool Savas existiert immernoch. Zerlegen auch andere Live
ganzen Laden und rappen 2 Stunden ohne Back Up MC durch? Milli Dance
kommt nächstes Jahr zurück. Aber all das in einer Person? Kann eigentlich nur
Curse. Das beginnt schon mit "Der
Stimme." Wenn man er eine einzigartige, markante und prägende
Stimme hat, kann man so halt das Album eröffnen. Aber Curse bricht am Ende bei
"Die Stimme gehört nur einer Person und die heißt:" das Reimschema:
Anstatt mit seinem eigenen Namen zu enden, kommt da ein "Du." "1994"
malt das Bild dieses einen perfekten Jugendsommers, den wir alle erlebt haben
und hinterher gerne verklären. Und klar, das hat Bryan Adams schon
gemacht... aber Rap als Medium gibt Curse halt die Möglichkeit, mehr erlebten Bullshit in den Text zu packen. "Annuaki
Flow" halt uns den Spiegel vors Gesicht und verdeutlicht, wie
viele Dinge wir aus Bequemlichkeit ertragen. Und "Überdosistee"
ist einfach nur absurd gut. Wie er in der ersten Strophe einfach
Momente, in denen das lyrische Ich sterben könnte. Nur weil man gut versichert
ist, hat das Leben nicht nen Sicherheitsgurt. In Strophe 2 geht er dann Global.
Er schafft es dann, weil er sich auf Einzelbeispiele bezieht, das Ende einer
jungen unschuldigen Jüdin und eines Kindes aus Gaza gegenüberzustellen... und
das so neutral und brutal, dass er in keinster Weise eine moralische Stellung
zu den Parteien bezieht, sondern einfach nur festhält, dass Krieg Scheiße ist.
Ganz großes Kino.
Mein Lieblingsdetail: 20 Jahre nach "Vielleicht ist auch mein Herz nach
dir vor Kälte erfriert" gibt Curse selber zu, dass es eigentlich erfroren
heißt. In "Avocado
Toast" beschreibt er, dass er mittlerweile wesentlich weniger
braucht, als er vor 20 Jahren gedacht hat, um zufrieden zu sein... aber dass er
damit auch verdammt zufrieden ist.
Da sind wir nebenbei auch noch nur beim Album. Er hat nebenbei noch ne EP
released, für die er die Legenden Aphroe, Cora E. und die Stieber
Twins motiviert hat. Und wie die sich die
Querreferenzen hin und her werfen, ist einfach großartig. Da merkt man,
dass die wirklich die Musik des jeweils anderen feiern.
Platz 3: Enno Bunger - Der beste Verlierer: Ich bin ja heimlich doch Clueso
Fan. Also ich höre sehr gerne gute deutsche Texte auf ordentlich
ausproduzierter Musik... und das läuft bei der GEMA unter Popmusik.
Meine persönlcihe Sonderkategorie heißt: Cluesoig. Enno Bunger ist verdammt cluesoig. Aber ist halt
auch die Antwort auf die Frage: Wie wäre es, wenn Clueso richtig viel Inhalt in
seine Texte packt. Denn Enno Bunger macht auf den ersten Blick sehr seichte
Popmusik, bis man dann auf die Texte hört. Dass ich ihn also nicht mit Dota,
sondern mit Clueso vergleiche, ist reiner Sexismus... Der "Weltuntergang"
hat uns ja gerade noch gefehlt. Auf "Einfache
Leute" heißt es dann "Ich muss durch den Konsum". "Kritik
am Kapitalismus, verkauft sich eben schlecht" ist der ultimative Aufdruck
für einen Einkaufsbeutel... und dementsprechend ein Pflichtkauf.
"Menschenwürde im Konjunktiv, ist das wonach wir streben,." "Ich
sehe was, was du nicht siehst" ist eine dieser wunderbaren
Depressionshymnen, die man nur wirklich versteht, wenn man daran leidet. Der
Rest denkt sich so "Cool, dass du das mal ansprichst." Obwohl die
Texte grundlegend von einer Melancholie getragen werden, versucht Enno Bunger
trotzdem immer auf einen positiven Abschluss zu finden. Nirgends wird das so
deutlich, wie auf "vielleicht morgen, heute
nicht!" Sprachlich ist das alles auf einem unfassbar hohem Niveau.
Inhaltlich trifft es meinen linksgrünversiften Nerv. Damit ist es für mich die
perfekte Kombination.
Platz 2: Beyoncé - Act ii Cowboy Carter: Wie, nicht auf Platz 1? Will da
jemand den Beyhive triggern? Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Dies ist
das schlechteste Beyoncé Solo Album aller Zeiten. Und sie kann es nicht mal auf
Jay-Z schieben... Nun ist "das Schlechteste" immernoch
überragend. Es wäre aus meiner Perspektive pure Ironie, wenn sie ausgerechnet dafür ihren Grammy
für das Album des Jahres bekommt, den sie seit einem Jahrzehnt verdient hat.
Das lustigste an dem Album: Nachdem sich bei Act I alle gefragt haben, wo die
Stimme hin ist, haut sie als Leadsingle "16
Carriages" raus. Und "Blackbiird"
mit einigen jüngeren, schwarzen Countrysängerinnen. Act I war einfach nicht das
Album für die Stimme, sondern für den Dancefloor, aber die ist noch da. Auch
wenn sie nach 2 komplizierten Schwangerschaften nicht mehr an die ganz hohen
Töne von "Ave Maria" oder "Halo" rankommt und letzteres aus dem Live-Set streichen
musste. Sie ist halt doch nur ein Mensch.
Aporpos Dancefloor: Das ausgerechnet "Texas
Hold Em" der Song werden würde, den man dann doch wieder im Club
spielt, verwirrt mich. Also so, wie "Break my Soul" die ganzen
Partygänger verwirrt hat. Nicht, weil der Song schlecht ist, das ist schon ein
Brett. Aber zumindest die DJs in meinem Umfeld haben 20 Jahre lang fast ausschließlich
"Single Ladies" und "Crazy in Love" gespielt, weil die
Gäste mit "Countdown"
überfordert waren. Wenn ihr wissen nebenbei wollt, wie großartig die Stimme
immernoch ist: Es gibt eine Acapella
Version, auf der man dann erkennt, was sie da alles macht.
Wie schon auf Act I leidet das Album für mich aber unter einigen Längen. Ältere
Beyoncé Alben waren einfach kompakter. Aber wenn man sich ein Album lang Zeit
nimmt, um sich in diesem Fall mit dem Country Genre auseinanderzusetzen, dann
muss das Album halt 80 Minuten lang sein.
Die wirklich Highlights, neben den angesprochenen Powerballaden, sind für mich
aber "Ya
Ya" und "Spaghettii".
Also die Songs, bei denen B einfach das gesamte Genre Konzept über den Haufen
schmeißt, auf alle scheißt und komplett durchdreht. Jetzt warten wir alle auf
den 14.01. und fragen uns, ob es eine Welttournee oder "nur" Act III
geben wird. Oder halt einfach ein neues Parfum... Es wirkt jedenfalls nicht so, als würde die Frau den Fuß vom Gas nehmen wollen. Gut für alle, die auf gute Musik stehen.
Platz 1: Sarah Lesch - Gute Nachrichten: Während Beyoncé mit einem "Country Album" überrascht... schockt Sarah Lesch uns mit einem Punkrock Album. Ganz ehrlich, dass kollektive Aufatmen, als sie beim Live Auftritt nach 15 Minuten Rock Musik endlich mit "Testament" ein klassisches Lied spielt, war einer meiner Lieblings-Livemomente des Jahres. Was ihr Manager wohl davon hält... kann uns egal sein, denn es kann ja sein, dass der einfach ein Arschloch ist...
Das Wichtigste: Abgesehen vom Chorus von "Dey" nimmt sie sich sprachlich in keinem Moment zurück. Und kommt weiterhin mit klarer Kante und Haltung. Begonnen mit der Leadsingle "Nie Wieder", in dem sie explizit die ganzen Rechten, die ihre Songs auf den Demos gespielt haben, anzählt. Auch wenn sie damit eher "die Spaltung der Gesellschaft" vorantreibt. Wie kann sie nur in diese fairen und gerechten Welt.
Auch wenn das Album um einiges härter ist, als seine Vorgänger, bleibt am Ende festzuhalten: Wie besten Songs sind am Ende doch wieder die Liedermacher-Sachen. Auf "Der letzte Faschist" wird sogar die Mundharmonika wieder ausgegraben. "Dopamin" geht es am Ende um einer eher toxische Beziehung. "Kannst du die Blindeschrift entziffern, auf meiner Haut." In "Bitte nicht anfassen" um Streit und häusliche Gewalt. Und dann ist da noch "Wenn er nicht trinkt." Der beste Song. Also nicht nur des Albums, sondern des Jahres. Der Song behandelt ein massives Alkoholproblem und erzählt uns, wie schwer es ist, wenn man jemanden hat, der unter dieser Krankheit leidet. Herzzerreißend und brutal zugleich... und komplett ohne einem "Das wird schon irgendwie"... wird es nämlich nicht.