Montag, 29. Juli 2024

Zum Glück gibt es Olympia

 Ein Haufen sympathischer Deutscher planen einen Siegeszug durch Paris... das hat es auch lange nicht mehr gegeben. Aber wo der Fußball gerade wirklich im Sommerloch ist, kann man dieses Update aller anderen Sportarten einfach genießen.

Im Fußball geht es ja gerade nur darum, wer den größten Bullshit von sich gibt. Kandidat Nummer 1 ist Jupp Heynckes, der das Elfmeterschießen abschaffen und durch ein Wiederholungsspiel ersetzen würde. Dass der Rahmenterminkalender das selbst für ein einziges Finale nicht hergeben würde, ignoriert er dabei vollkommen. Dass die Spieler allgemein bereits weit über dem Limit agieren und nicht einfach am nächsten (oder übernächsten) Tag nochmal antreten können, ist auch nicht sein Problem. Aber selbst wenn das alles lösbar wäre, so wäre es immer noch eine logistisch unmögliche Aufgabe spontan 2 Tage später nochmal ein Großevent stattfinden zu lassen. Also allein die Polizei, die das ja am Ende irgendwie absichern muss, würde da sagen "Fickt euch, wir gehen nach Hause"... und das zurecht.

Aber getoppt wird das von Lukas Podolski, der sich über die Arbeitsmoral der Gen Z aufregt. Zunächst sollte jeder mal 3 Monate 40 Stunden die Woche für den Mindestlohn arbeiten, bevor er über die Arbeitsmoral anderer urteilt. Das hat Poldi nie gemacht. Und dann muss ich an der Stelle tatsächlich auf Cathy Hummels verweisen, laut der die Fußballprofis auch eher zum fauleren Teil der Gesellschaft gehören.
Vor allem muss man hier nochmal festhalten, dass Luka P aus Köln diese Kritik von sich gelassen hat. Wenn das ein Thomas Müller gewesen wäre, der seine Karriere mit seiner extremen Arbeitsmoral auf ein gehobenes Niveau gehoben und dort lange gehalten hat. So oft ich den hier kritisiere: Was der aus seinem limitierten Talent gemacht hat, muss man respektieren. Lukas hatte dagegen einen überragenden linken Fuß. Ihm fehlte aber immer die Arbeitsmoral, um seinen rechten Fuß auch auf ein ordentliches Niveau zu heben. Hätte er dies geschafft, hätte er sich auch bei den Bayern durchgesetzt. Aber anstatt sich richtig reinzuhängen und sich beim Rekordmeister durchzubeißen, ist der zurück zu Mutti gerannt. Und der will mir jetzt erklären, dass die Gen Z härter arbeiten muss?

Aber zum olympischer Fußball: Dieses Fest begann für mich dann mit einem unkommentierten Stream des Fußballspiels Guinea - Neuseeland. Getoppt wurde das nur durch Glenn Nyberg. Der dachte anscheinend 14 Minuten lang, dass er ja nicht abpfeifen darf, bevor Argentinien den Ausgleich erzielt hat. Und dann fiel ihm 2 Stunden später auf, dass Lionel Messi gar nicht mitspielt und die deswegen keinen besonderen Schutz genießen, also nahm er den Treffer zurück.

Ganz ehrlich: Bei all den großartigen Athlet*innen, die da gerade auftreten, sollte man das Fußballturnier einfach ignorieren. Zumindest das der Männer. Denn das Turnier der Damen ist ja hochklassig besetzt.
Und USA - Deutschland war technisch und taktisch auf gehobenem Niveau. Nur war da für den gemeinen Fan der Engländer, Franzosen und Portugiesen viel zu viel Dynamik im Spiel. Ernsthaft: Wer wie ich die 120 Minuten Portugal gegen Slowenien "genossen" hat, hat keinerlei Ausreden, warum er das olympische Turnier der Frauen jetzt nicht gucken kann. Denn die besseren Spiele gibt es dort. Unter anderem mit einem völlig bekloppten 5:6 bei Sambia - Australien.

Der Unterschied zur EM lässt sich nebenbei gut an den Deutschen Ansetzungen der Deutschen festmachen: Am ersten Spieltag ging es gegen Australien, die bei der letzten WM das Halbfinale erreichten. Am 2. Spieltag ging es gegen die USA, einen der klaren Titelfavoriten. Die haben anscheinend das uneingelöste Versprechen der WM in eine offene Drohung umgewandelt. Am dritten Spieltag geht es dann gegen die Außenseiterinnen aus Sambia, was das einzige "entspanntere" Spiel werden dürfte. Dann geht es im Viertelfinale entweder gegen Kolumbien, wo Linda Caicedo bei der einen oder anderen Verteidigerin böse Flashbacks auslösen dürfte. Oder gegen Kanada, die sich mit einem Drohneneinsatz in eine richtig beschissene Position gebracht haben, aber die Nummer 8 der Weltrangliste sind. Oder gegen Frankreich als Gastgeber und Nummer 2 der Welt...

Wenn man das mit der deutschen EM Gruppe um Schottland, Ungarn und der Schweiz vergleicht... treffen die jetzt auf die wesentlich besseren Gegner. Und klar, dass die besten Gruppendritten weiterkommen, ruiniert auch dieses Turnier. Vor allem, weil das an der Stelle ja auch wirklich albern ist. Die Qualifikation für Olympia ist auch an der Stelle schon verdammt schwierig. Aber man könnte ja ohne eine Eskalation des Spielplanes auf 16 Teilnehmerinnen hochgehen. Und wenn man bedenkt, dass England, Schweden und Nordkorea, als 3 der 10 besten Nationen, fehlen, gibt es auch noch genügend Mannschaften, die Bock hätten... oder Bock machen würden. Und im Gegensatz zu den Herren der Schöpfung würden die ja auch ihre beste Elf schicken. Aber damit würden dann mehr Frauen als Männer an der Olympiade teilnehmen und das geht natürlich nicht...
Fun Fact: Die Frauen im Allgemeinen haben den Kampf um #Keychange gewonnen, es treten genau so viele weibliche wie männliche Personen an. Vielleicht sind die Festival-Veranstalter in Deutschland einfach nicht korrupt genug... Denn da sind wir von einer Gleichberechtigung bei der Buchung noch weit entfernt.

In dem Deutschland-Spiel fiel nebenbei ein anderer interessanter Satz. Denn die US-Damen haben ja den Kampf um die Gleichberechtigung und die gleiche Bezahlung gewonnen. Diese Gleichberechtigung im US-Fußball betrifft halt den gesamten Verband. Das bedeutet auch, dass die Trainerin genau so viel kassiert, wie ein Gregg Berhalter. Ungefähr 2 Millionen war die Zahl, die während der Liveübertragung fiel. Das ist für eine Trainerin verdammt viel. Aber das USMNT sucht gerade einen neuen Trainer, weil Gregg Berhalter eher ein Vollpfosten ist und gerade in der Vorrunde der Copa América gescheitert ist. Da fielen dann so Namen wie Jürgen Klopp... Der wird sich das für 2 Millionen Dollar im Jahr aber nicht antun. Überhaupt wird sich für das Geld kein Trainer aus der gehobenen Etage an die Seitenlinie begeben. Damit können die Männer dort jetzt wirklich behaupten, dass sie aufgrund der Gleichberechtigungs-Kacke einen Wettbewerbsnachteil haben. Was damit ein historisch einmaliger Vorfall sein dürfte...

Am Ende würde das natürlich über diverse Sponsoringdeals, die Klopp zusätzlich zum Vertrag als Nationaltrainer angeboten bekommt, geregelt werden... Dafür kann man ja Lösungen finden. Im schlimmsten Fall zahlen sie der US Trainerin auch einfach mehr, das wäre ja auch eine Option...

Dienstag, 16. Juli 2024

Lasst mal einen kreativen Ansatz finden:

 Zunächst mal muss man natürlich festhalten, dass dieses EM Turnier mit dem absehbaren Plottwist endete: Harry Kane verliert das Finale. Zur allgemeinen Überraschung von niemanden.

In 20 Jahren werden wir alle nebenbei von einem großartigen Turnier sprechen. Wir werden uns nur an die englischen Aufholjagden erinnern, die in jedem K.O. Spielen einen Rückstand aufholen konnten. Dass der Ausgleich meistens aus dem sprichwörtlichen Nichts fiel, fällt dann niemanden auf.
Wir werden uns an die späten Tore von Bellingham, Verthongen, Wirtz, Merino, Saka, Watkins und Oyarzabal erinnern. Und ja, es ist schon faszinierend, wie viele Spiele ganz am Ende entschieden wurden. 

Dazu werden wir uns an die faszinierenden jungen Talente erinnern. Selbst der Sicherheitsfanatiker Gareth Southgate setzte auf den 19-jährigen Kobbie Mainoo. Dazu kommen Yamal, Williams, Wirtz, Musiala, Güler. Da kam schon viel frischer Wind rein. Dass das eventuell auch einfach daran gelegen haben könnte, dass diese jungen Spieler relativ wenige Minuten in den Beinen haben und deswegen um einiges frischer sind, könnte man bei Wirtz relativ enttäuschender EM gesehen haben. 

Die Highlights von Frankreich - Portugal werden einfach... nicht gezeigt. Denn es gab ja keine. Und Didier Deschamps hat ja selber gesagt, dass wir was anderes gucken sollen. Dass diese beiden (und die Engländer) einen brutalen Pragmatismus walten ließen, wird einfach verschwiegen.
Nebenbei will ich das Deschamps und auch Southgate gar nicht vorwerfen. Deren Aufgabe ist es ja nicht, uns zu unterhalten, sondern Titel zu gewinnen. Und die Turnierbilanz der beiden spricht, auch wenn Southgate weiterhin der Titel fehlt, für sich. 

Die müssen nicht darüber nachdenken, wie man das Spiel attraktiver gestaltet. Das ist die Aufgabe der UEFA. Die müssen jetzt überlegen, wie sie eine aktivere Spielanlage fördern. Und der Ansatz, die Abseitsregel umzustellen, dass nur noch die Ferse des Angreifers auf Höhe des Verteidigers sein muss, wird gerade diese beiden nicht motivieren, offensiver zu spielen. Eher im Gegenteil: gerade die beiden werden dann einfach einen Feldspieler abstellen, der den Strafraum nicht mehr verlässt, damit die durchstartenden Stürmer aufgehalten werden. Das Comeback des klassischen Liberos.

Dabei war die K.O. Phase ja sogar echt in Ordnung. Wesentlich besser als erwartet. Selbst England hat eine Halbzeit lang richtig gut gespielt, bis Southgate das mit einer taktischen Umstellung unterbunden hat. Das eigentliche Problem war die Passivität in der Gruppenphase. Am besten verdeutlicht durch die Gruppe B mit ihren insgesamt 5 Toren.
Und abgerundet durch 2 Unentschieden am letzten Spieltag in der Gruppe E. Wenn 2 Mannschaften wissen, dass sie bei einem Unentschieden sicher weiter sind, kommen dabei beschissene Spiele raus. Wenn man mit 4 Punkten quasi sicher weiter ist (und ja, die Ukraine ist die eine Ausnahme, weil sie mit 4 Punkten nur Gruppenletzter wurde, aber das ist eine absolute Ausnahmesituation), kann ich im zweiten Gruppenspiel auf ein Unentschieden gehen... weil ich entweder nach dem Auftaktsieg das Achtelfinale sicher buche oder mir nach einer Auftaktpleite die Möglichkeit offen halte, mit einem Sieg am letzten Spieltag alles zu regeln.
Eigentlich beginnt so ein Turnier mit dem zweiten Spieltag, weil die Mannschaften, die zum Auftakt nicht gewonnen haben, gehörig unter Druck stehen und dringend etwas holen müssen. Sonst ist das Turnier nach 2 Spielen vorbei. Jetzt gibt es praktisch kein Szenario, wie man nach 2 Spielen sicher ausscheidet. Natürlich sichert man da als Trainer erstmal das Unentschieden.

Aber das ist jetzt ja allen aufgefallen. Selbst dem Kicker, und das soll was heißen. Jetzt fällt aber allen nur eine Lösung ein: Die EM auf 32 Teilnehmer aufstocken. Da sehen dann alle, dass ein Erling Haaland doch an der EM teilnimmt, das kann ja nur gut sein... auch wenn das bedeutet, dass bei 55 Landesverbänden mehr als die Hälfte aller Mitglieder zur Europameisterschaft müssen.
Für Deutschland wäre das nebenbei gut, denn so ein großes Turnier können dann nur noch England, Frankreich, Spanien und Italien austragen. Damit könnte es doch nicht das letzte Mal in unserem Leben sein, dass wir so ein Fest erleben. Denn dann wären wir in 20 Jahren wieder dran. Auch wenn wir dann wahrscheinlich jeweils einen Spielort an die Schweiz und Österreich abtreten müssen. Aber bucht schonmal den Urlaub für die EM 2044.

Da könnte man ja glatt mal einen kreativen Ansatz durchdenken. Denn "Aufstocken" ist nicht zwingend die einzige Option. Man könnte auch... eine Vor-Vorrunde ausrufen.

Ok, so wird das Ganze funktionieren: Die besten 7 Mannschaften und der Gastgeber sind für die eigentliche Gruppenphase gesetzt. Es ist natürlich ein bisschen schwierig, diese 7 Mannschaften zu bestimmen, aber bei Lostöpfen bekommt man das ja auch hin. Nehmen wir die Fifa Rangliste. Da wären das vor diesem Turnier Deutschland, Frankreich, Belgien, England, Portugal, Spanien, Kroatien und Italien.

Die restlichen Mannschaften spielen ein sogenanntes "Double Elimination Tournament" aus. Und ja, das ist mein absoluter Lieblingsmodus, der vom Esports bekannt ist. Ich hab das schonmal vorgeschlagen, um den Aufstieg in die dritte Liga gerechter zu machen

Double Elimination bedeutet: Vor dem ersten Spieltag wird ein Turnierbaum erstellt. Die Gewinner und Verlierer des ersten Spieltages spielen dann am 2. Spieltag gegeneinander. Wer bei 2 Siegen angekommen ist, hat die eigentliche Gruppenphase erreicht. Wer 2 Spiele verloren hat, fährt nach Hause.
Endet ein Spiel unentschieden, geht es sofort ins Elfmeterschießen, um einen Sieger festzustellen.

Die erste Runde würde dann ungefähr so aussehen: (Ich bin jetzt einfach die Abschlusstabelle von oben nach unten runtergegangen... wie man dafür Setzlisten erstellt, müssen andere rausbekommen)

Schweiz – Ungarn

Schottland – Albanien

Dänemark – Slowenien

Serbien – Österreich

Niederlande – Polen

Rumänien – Slowakei

Ukraine - Türkei

Georgien – Tschechien

In Runde 2 spielt dann Schweiz - Schottland und Ungarn gegen Albanien. In der dritten Runde Schottland - Ungarn/Slowenien.

Und ja, ob man die 4 Mannschaften als eine Gruppe betrachtet, oder am 3. Spieltag nochmal mischt, müsste irgendwie geklärt werden, denn sonst könnte es zu häufig passieren, dass man dasselbe Match nochmal sieht.

Der große Vorteil dieses Modus ist, dass es sofort zur Sache geht. Man muss vom ersten Spiel an auf Sieg gehen, wenn man nach 2 Spielen weiterkommen will. Man will zwingend nach 2 Spielen weiterkommen, weil man dann die nötige Pause bekommt. Und wenn der Zuschauer doch 90 langweilige Minuten überstehen muss, bekommt man hinterher wenigstens den Adrenalinkick eines Elfmeterschießens. Aber die im Rückstand liegende Mannschaft muss immer dringend was machen und kann nicht darauf spekulieren, dass sie nach einer knappen Niederlage mit 4 Punkten aus den restlichen 2 Spielen weiterkommen.

Außerdem würde es mehr relevante Spiele zwischen den kleineren Nationen geben. Das mag uns als Top 5 Nation egal sein, aber in der Ukraine und in Georgien wäre das 2. Spiel um den Einzug in die Gruppenphase ein legendärer Moment in der Verbandsgeschichte. Und natürlich wären die Einschaltquoten in Deutschland überschaubar. Aber bei den kleineren Nationen wäre es das TV Event des Jahres.

Man könnte sogar 2 Mannschaften anbieten, ihre Seite des Turnierbaums als Gastgeber auszutragen. Also nehmen wir hier mal die Schweiz und die Niederlande: Beide können ein gesamtes Turnier nicht als Gastgeber stemmen. Die brauchten ja schon bei 16 Teilnehmern die Österreicher und die Belgier. Aber beide haben die Infrastruktur, um 8 Spiele durchzuziehen. Es würden sich Interessenten finden, die den Gastgeber geben wollen. Allein schon aufgrund des Wettbewerbsvorteils, den man dann bekommt.

Die Nachteile sind auch offensichtlich, perfekt ist die Lösung auch nicht. Ok, perfekt wäre eine Rückkehr zu 16 Teilnehmern, aber das wird bei der UEFA niemand ernsthaft in betracht ziehen. Und das würde ja indirekt bedeuten, dass dieses "Vorturnier" doch stattfindet, nur halt in den Play-Offs als Teil der Quali...

Zunächst müsste man halt mehr Platz im Terminkalender einplanen. Eine Woche braucht man halt schon, um das durchzuziehen. Und es würden hier auch Spieler über die zusätzliche Belastung jammern. Wobei ich an der Stelle ja festhalten würde, dass dieses Jahr nur 7 Spieler im Champions League Halbfinale und meinem fiktiven Vorturnier teilgenommen hätten: Matthijs de Ligt, Konrad Laimer, Andriy Lunin, Salih Özcan, Marcel Sabitzer, Gregor Kobel und Milan Skriniar. 2 dieser 7 sind Torhüter. Dazu kommt ein leider verletzter David Alaba.
Die Spieler, die am überspieltesten sind, kommen normalerweise auch aus den 8 besten Nationalmannschaften, die dieses Vor-Turnier aussetzen würden. Und für die würde es dann ein Spiel weniger geben.

Das eigentlich fiese wäre ja, wenn man nach 3 Spielen auf einen wochenlang ausgeruhten Gegner in der Gruppenphase trifft. Andererseits werden sich die Optimisten davon reden, dass es ja ein Vorteil ist, wenn man schon im Wettkampfmodus und wesentlich besser eingespielt ist.

Vor allem würden die Mannschaften, die 3 Spiele brauchen, am Ende eh der krasse Außenseiter sein. Das sind dann ja doch eher die Nationen, die froh sind, wenn sie sich überhaupt mit den großen 8 in einem Turnier messen dürften. Für die wäre die Gruppenphase dann reine Bonusspiele, in denen sie ohne jeglichen Druck frei aufspielen können.

Wird ein derartiger Modus kommen? Garantiert nicht. Also allein schon, weil sich alte, greise Männer mit jungen Ideen wie "Double Elimination" beschäftigen müssten. Da werden sie doch nur die "Wir erweitern das Teilnehmerfeld" Option sehen.

Donnerstag, 11. Juli 2024

Wie bewerten wir jetzt diese Leistung der Deutschen?

 Aber zuerst... hat Gareth Southgate Kicker.de kaputt gemacht. Auch die waren so verwirrt, dass der einen Joker gezogen hat, der auch noch sticht... dass es bei ihnen selbst um 0:30 noch 1:1 stand. Das kann ja gar nicht passiert sein.

Nachdem beide Trainer nach einer überraschend begeisternden ersten Hälfte die Handbremse anzogen, brachte Southgate dann doch Ollie Watkins für Harry Kane. So als wollte er beweisen, dass ich mit meiner Analyse gestern recht hatte.

Denn weder Harry Kane, noch der ebenfalls sein bestes Spiel abliefernde Phil Foden, beschwerten sich in irgendeiner Form über die Auswechslung. Beide zitterten anständig auf der Bank mit. Kane schaltete nach dem 2:1 sogar in den Cristiano Ronaldo Finalmodus und coachte voller Elan... denn irgendjemand muss das ja machen.

Und Ollie Watkins war, entgegen aller Erwartungen, doch bereit, was zu ändern. Der bekam bisher nur für 21 Minuten gegen Dänemark das Vertrauen von Southgate. Der durfte aus allerbester Perspektive mit ansehen, wie Kane sich völlig übermüdet über den Platz schleppt. Und trotzdem zog er sich nicht bockig zurück, sondern war bereit, als seine Nummer dann aufgerufen wurde.

Das sind natürlich Dinge, die an sich selbstverständlich sein sollte, wenn es um die einmalige Chance geht, einen großen Titel mit seinem Land zu holen. Aber es gibt genügend Gegenbeispiele, wo genau das dann doch nicht passiert, sondern ein Kader an den Egos zerbricht.

Was jetzt nicht bedeutet, dass ich plötzlich für England bin. Das ist nebenbei die eigentlich genialste Leistung von Southgate: Wir Deutschen waren auf einmal FÜR HOLLAND! Für den Feind. Dabei war doch das eine, was uns Deutsche wirklich vereint hat, das "Wenn's um Fußball geht, hass ich Holland wie die Pest!"

Was uns dann auch zu den Deutschen bringt: Jetzt, wo wir nicht nur gute Gastgeber, sondern auch schlechte Verlierer sind. Die Pfiffe gegen Marc Cucurella beweisen nebenbei auch wieder nur, wie dumm Fußballfans sind. Es ist ja nicht so, dass Cucurcella den Fehler gemacht hat, sondern dass der Schiedsrichter das verkackt hat. Wenn der Spanier jetzt durch eine grobe Unsportlichkeit aufgefallen wäre... Wenn er den Kroos kaputt getreten hätte... Wenn er der Rudi bespuckt hätte... Das wäre ein Anlass gewesen. Aber er hat genaugenommen nichts gemacht, was man ihm wirklich vorwerfen kann.

Apropos Kroos: Wenn ihr wissen wollt, wie schlimm dessen Aussagen im Podcast wirklich waren, ohne Precht einen Klick zu geben, könnt ihr das Wesentliche hier nachlesen. Und da bekommt ihr dann auch mit, wie die Rechten auf einmal doch einen Grund gefunden haben, die Nationalmannschaft zu feiern. Wie dumm kann man sein. Anscheinend dumm genug, um regelmäßig einen Precht Podcast zu hören.

Ich finde es nebenbei sowieso faszinierend, dass diese Mannschaft auf einmal so positiv betrachtet wird... nur, weil sie überforderte Schotten abgeschossen haben. Also sachlich gesehen haben Fabian Hürzeler und Lothar Matthäus ja recht. So wirklich überragend war das einfach nicht. Am ersten richtigen Gegner ist man direkt gescheitert... auch wenn es verdammt knapp war. Abseits ist eben Abseits und der Handelfmeter wäre halt wegen Abseits aberkannt worden. Was man bei den Pfiffen gegen Cucuralla auch nochmal erwähnen muss. Und ein Pfostenschuss ist halt kein Tor.

Aber da ist es auch faszinierend, wie weit die Ansprüche in den letzten Jahren gesunken sind. Also vor 2018 wäre ein Viertelfinale die Mindestanforderung gewesen, damit das Turnier nicht als Katastrophe gilt. Jetzt soll es überragend sein. Das ist auch nicht zwingend schlimm, es zeigt aber auch, dass eine vernünftige Einordnung einfach nicht möglich ist. 

Ganz sachlich gesehen war dies das schlechteste Heimturnier aller Zeiten. 1974 wurde man Weltmeister. 1988 und 2006 ging es bis ins Halbfinale. Gut, 88 gab es auch kein Viertelfinale, aber Details. Man gehörte damals zu den 4 besten Mannschaften, heute gehört man das nicht.

Und ich werfe nach den Halbfinalspielen die These in den Raum: Gegen die anderen Halbfinalteilnehmer hätte man auch nicht gewonnen. Die waren halt alle besser als die Schweiz, gegen die man schon große Probleme hatte.

Der Optimist sieht den ersten Sieg in einem K.O. Spiel seit der EM 2016. Und dass es Fortschritte gab, stellt ja niemand infrage. Aber andererseits setzt sich ein besorgniserregender Trend fort: Deutschland hat 4 Turniere infolge nicht mehr das Halbfinale erreicht. Nur um das nochmal zu verdeutlichen: Der letzte Sieg bei einem Turnier gegen eine große Nation wurde durch einen Elfmeter von Jonas Hector besiegelt. Da dachten alle noch, das Thomas Müller irgendwann ein EM Tor erzielen muss... 

Vorher gab es seit den 70er Jahren nie mehr als 2 Turniere infolge ohne Halbfinalteilnahme. Selbst die so beschissene "Das werden wir unseren Kindern erklären müssen" Generation stand 2002 irgendwie im Finale, obwohl die echt grausam gespielt haben.

Das ist schon ein Gedanke, den ich gestern bei meinem Loblied auf Southgate hatte: "Aber der hat doch auch nur dieselbe Bilanz wie Jogi Löw und den hältst du doch für einen Vollidioten!" Stimmt. Aber Löw hatte immer den geheimen Wetterwerbsvorteil namens "Winterpause", weshalb seine Spieler mit relativ frischen Beinen in das Turnier gingen, während gerade die Engländer, die im Winter nochmal extra viel spielen, einfach nur müde waren.

3 Halbfinalteilnahmen mit Deutschland ist halt eher mit 2 Meisterschaften mit den Bayern zu vergleichen. 2 Finalteilnahmen mit England dagegen mit 2 Meisterschaften mit Borussia Dortmund. Jetzt wurden aber, um bei dem Vergleich zu bleiben, die Ansprüche so weit runtergeschraubt, dass man eine Vizemeisterschaft mit den Bayern als großen Erfolg feiert.

Und nebenbei ist der Weg zum Weltmeistertitel alles andere als klar. Also klar, Jamal Musiala, Florian Wirtz und Kai Havertz werden in der Offensive vieles regeln. Aber Toni Kroos, Thomas Müller, Manuel Neuer, Pascal Groß und eigentlich auch İlkay Gündoğan müssen vor dieser WM ersetzt werden. Gündoğan ist dann 35 und hat jahrzehntelangen Spitzenfußball in den Knochen. Nebenbei wären auch Antonio Rüdiger und Niclas Füllkrug dann bereits 33. Emre Can wäre 32. Und klar, mit 33 kann man noch eine Weltmeisterschaft spielen. Aber eine wirkliche Perspektive sieht anders aus. Und zumindest Füllkrug ist der Typ Spieler, der keinen einzigen Schritt langsamer werden darf, wenn er auf diesem Niveau mithalten will.

Und gerade im Mittelfeld drängt sich niemand wirklich auf, diese Persönlichkeiten zu ersetzen. Also außer Aleksandar Pavlović, aber der Junge ist 20 Jahre alt. Das war jetzt keine junge Mannschaft, die dabei ist, zur goldenen Generation zu werden. Das war eher der letzte verzweifelte Versuch, die verfluchte Generation irgendwie zu retten. Und dann war dieser Versuch sportlich gesehen eher so mäßig erfolgreich...

Nur um mal zu beweisen, wie brutal aufs "Hier und Jetzt" dieser Kader ausgerichtet war: Oliver Baumann als "talentierte Nummer 3" ist bereits 32 Jahre alt. Was hat der Nagelsmann sich denn dabei gedacht? Warum nimmt der nicht einen Alexander Nübel mit, der irgendwie zwangsweise zur Nummer 1 aufsteigen muss... spätestens nach der WM in 2 Jahren. Warum gibt er dem 27-Jährigen nicht diese Turniererfahrung? Wenn Baumann auch Weltklasse repräsentieren würde, aber der ist am Ende "nur" ein durchschnittlicher Bundesligatorwart...

Egal, Deutschland muss einen überraschend großen Umbruch durchführen. Es könnte also durchaus sein, dass die Mannschaft in 2 Jahren noch ein Turnier entfernt von wirklichen Titelambitionen ist. Dass zumindest 3 der jetzt noch teilnehmenden 4 Mannschaften ihnen doch noch einen Schritt voraus sind. Denn Spanien, Frankreich und England werden ja nicht schlechter werden.

Da kann man dann plötzlich feststellen, dass der "Schritt in die richtige Richtung", den dieses Turnier ja darstellt, ein Schritt in eine Sackgasse war.

Mittwoch, 10. Juli 2024

Gareth Southgate ist ein Genie

 Und dieses Mal meine ich das sogar ernst. Aber zunächst:

Didier Deschamps: Der so "Ich habe euch gesagt: Lasst das! Jetzt seht ihr ja, was ihr davon habt!" Was ist "das"? Ein Tor aus dem Spiel heraus erzielen. Es ist schon lustig, dass Frankreich nach den besten 15 Minuten des Turniers raus ist.
Genauso lustig ist es, dass ja alle ein gutes Spiel gesehen haben wollen... Also ja, es war deutlich besser als erwartet, weil meine Erwartung ja ein absoluter Gurkenkick und ein Eigentor der Spanier war. Aber genau genommen waren nur die ersten 25 Minuten wirklich gut. Denn als Lamine Yamal auffiel, dass ihm langsam die Zeit wegläuft und er schon zeitnah treffen muss, wenn er noch als 16-Jähriger treffen will, packte er ein Gemälde von einem Treffer aus. Und Toni Kroos werden sie in Spanien noch eine Statue bauen, weil er ihnen Dani Olmo beschert hat... Sonst hat der ja nichts geleistet und nur Querpässe für Real Madrid gespielt, aber dieser eine Tritt war schon großartig...

Aber nach 25 Minuten fiel den Spaniern auf, dass jetzt ja die Franzosen was machen müssen. Und den Franzosen fiel auf, dass sie das trotz überragender Einzelkönner nicht wirklich können.

Hier ist eine Liste aller Paraden, die Unai Simon in der 2. Halbzeit zeigen musste:

In der 53. Minute bringt "Dembelé die Ecke scharf vor den Fünfmeterraum, wo sich Tchouameni durchsetzt, den Ball aber in Unai Simons Arme köpft."
Simon muss sich dafür nicht bewegen. Danach schießt Kylian Mbappé laut ZDF Zusammenfassung aus so spitzem Winkel, dass Simon sich wieder nicht bewegen muss. Den Schuss zeigen die als Highlight, obwohl er es nicht mal in den Kicker-Ticker geschafft hat.
Dembelé versucht in Minute 60 ein Eigentor zu erzwingen, in dem er einen Abschluss aus der Karegorie "Halb Schuss, Halb Flanke" bringt. 

Und das war's dann... die restlichen Abschlussversuche kamen aus dem "Wir schießen lieber drüber und vorbei" Lehrbuch von Paris St. Germain. Mein absolutes Highlight war die Einwechslung von Olivier Giroud: Einem Stürmer, der ohne eigenen Torschuss Weltmeister geworden ist. Ein Superspieler... wenn es darum geht, das Ergebnis zu halten.  Aber mit 37 nicht mehr der Mann, der bei einer EM für Gefahr sorgt.

Ab Minute 26 war es genau der Grottenkick, den ich vorher erwartet habe. Nur mit einem überraschenden Ausgang. Da erkennt man nebenbei den persönlichen Vorteil, wenn man das schlimmstmögliche Szenario vorher ausmalt: Jetzt kann ich sagen "Zum Glück ist meiner Vorhersage nicht eingetroffen"...

Jetzt aber das andere Realgenie: Alfie von HITC Sevens hat ein Video mit einer überraschenden Erkenntnis veröffentlicht: Die Engländer sind plötzlich gut im Elfmeterschießen! Vorher gewannen sie nur eins von 7, unter Southgate sind es 3 von 4. Und in dem Video wird im Detail erklärt, wie viel Arbeit Southgate in diese Elfmeter gesteckt hat. Es ist keinesfalls Zufall, sondern verdammt viel Strategie. Nicht nur, weil Jordan Pickford alle Schützen auf der Flasche hat. Das Video erklärt im Detail, wie wichtig es ist, dass der Ball nicht länger als 8 Sekunden auf dem Punkt liegt und dass Pickford es mit an sich verbotenen Provokationen und viel Zeitspiel geschafft hat, dass der erste Schütze Akanji diese 8 Sekunden weit überschritten hat. Akanjis Elfmeter war der schwächste und wurde dementsprechend gehalten. Danach wurden die Provokationen vom Schiedsrichter, der Pickford mit einer Verwarnung drohte, unterbunden und alle anderen Schweizer trafen souverän. Da alle Engländer eben auch souverän trafen, war das Kind bereits in den Brunnen gefallen.

Beides war kein Zufall. Eines der interessantesten Details ist, dass Southgate ein "Buddy-System" eingeführt hat: Den 5 Schützen wird jeweils ein Kumpel zur Seite gestellt, damit sie nicht alleine mit ihren Gedanken sind. Es ist schon faszinierend, wie gut durch choreografiert alle Elfmeter der Engländer waren.

Und nebenbei hat Southgate aus dieser Mannschaft eine verschworene Einheit geformt. Was bei all den Egos und Premiere League Rivalitäten keine Selbstverständlichkeit ist. Also die größte Enttäuschung aller goldenen Generationen der Weltgeschichte sind ja die Engländer von 1998 bis 2008. Ich nenne das mal "Die Beckham Jahre". Ein Spieler, der an sich eine viel zu gute Schusstechnik hatte, um so legendär schlechte Elfmeter zu schießen. Aber das größte Problem dieser Generation war ja, dass die drei besten Mittelfeldspieler Steven Gerrard, Frank Lampard und Paul Scholes nie zueinander gefunden haben. Waren die sich zu ähnlich? Vielleicht. Aber es hatte auch keiner der 3 wirklich Interesse daran, im Sinne der Mannschaft zurückstecken und eine angepasste Rolle zu übernehmen.

Und Southgate war ja damals dabei, als eine überaus talentierte Generation ihr Potenzial sinnlos verschwendete. Er hat es irgendwie geschafft, dass die Engländer eine verschworene Einheit geworden sind und dass sie ihre Dämonen vom Punkt überwunden haben. Man hört keinerlei Murren der Nicht-Einwechselspieler, obwohl die wahrscheinlich denken, dass sie auch nicht schlechter spielen würden, als die Startelf. Man schießt lieber gegen die jammernden Medien, als den eigenen Trainer zu hinterfragen.

Oder nehmen wir Harry Kane: Anstatt sich über die destruktive Spielweise aufzuregen und sich hängenzulassen, arbeitet der Mann gegen die Schweiz am eigenen Strafraum am 0:0. Kane ist offensichtlich nicht fit. Und er leidet am meisten unter der Spielanlage der Engländer. Aber er ist sich trotzdem nicht zu schade, das taktische Foul auszupacken, wenn es verlangt wird. Oder am eigenen Strafraum konsequent mitzuarbeiten.

Dazu kamen immer die legendären Undiszipliniertheiten. Man konnte ja vorher schon davon ausgehen, dass irgendein Engländer wegen irgendeiner Dummheit vom Platz gestellt wird.  Ein Jude Bellingham fasst sich nur an die eigenen Kronjuwelen und tritt nicht in die von Cristiano Ronaldo.

Und in der Summe ist dies verdammt erfolgreich. Eine Nation, die immer wieder an Egos und am Elfmeterschießen scheiterte. All diese chronischen Probleme hat Southgate beseitigt. Lässt er auf dem Platz einen grausamen Pragmatismus walten? Ja, klar. Was die Engländer spielen, verstößt gegen die Genfer Konvention.
Aber der Mann steht in seinem 3. Halbfinale. Und 2022 scheiterte er als bessere Mannschaft im Viertelfinale an Frankreich. Danach hat er sich gedacht: Das passiert mir nie wieder. Mit dieser Bilanz kann sich kein anderer englischer Trainer messen. Und auch kaum jemand sonst in Europa, jenseits von den absurd verwöhnten Deutschen. Fun Fact: Hier sind die Halbfinalteilnahmen ohne Southgate: WM 1966, EM 1968 und die WM 1990. Southgate war 1996 als Spieler dabei. Und 2018, 21 und 24 als Trainer. Der kommt also auf 4 Halbfinalteilnahmen, während ganz England ohne ihn auf 3 kommt.

Das einzige, was man Southgate vorwerfen kann, ist sein eiskalter Pragmatismus auf dem Platz. Der bevorzugt halt einen Spielstil, der sicherstellt, dass die eigenen Spieler im Elfmeterschießen noch frisch sind. Der hat wahrscheinlich José Mourinhos Biografie studiert. Und er ist wahrscheinlich auf taktischer Ebene kein guter Trainer. Dass er Sancho und Rashford nicht 10 Minuten früher eingewechselt hat, bleibt eine strategische Katastrophe, denn die Elfmeter hätten sie auch mit 10 Minuten in den Beinen schießen können. Aber... er hat Trent Alexander-Arnold dieses Mal in der 115. gebracht. Man kann also selbst da gewisse Fortschritte erkennen. Und ja, der Mann hatte vor dem Elfmeterschießen 6 Ballkontakte und 5 gespielte Pässe als Arbeitsnachweis und verwandelte dann seinen Elfmeter souverän.

Vor allem ist er anscheinend auf der menschlichen und der disziplinarischen Ebene überragend. Und Europameisterschaften werden meistens auf genau dieser Ebene entschieden. Meine pessimistische Prognose ist ja: Die Engländer werden Southgate vermissen, wenn sie in 2 Jahren nach einem absurden 2:3 Spektakel im Achtelfinale ausscheiden...

Montag, 8. Juli 2024

Der Sport muss unpolitisch bleiben!

 Das geht ja gar nicht, wenn die sich irgendwie äußern. Oder es zu irgendwelchen politischen Statements kommt.

Ok... dann schaffen wir die Welt- und Europameisterschaften halt ab. Denn das sind immer automatisch politische Statements, weil die Sache so verdammt groß ist.

Wenn ich jetzt hier, und ich nutze ganz bewusst lieber den Konjunktiv, schreiben würde, wie froh ich bin, dass die Türkei mit ihren rechtsradikalen Grüßen endlich ausgeschieden sind. Allein schon, weil das die einzigen sind, die die Nationalhymnen der anderen Länder konsequent auspfeifen... dann wäre das auch schon wieder eine politische Botschaft. Weil die Menschen im Stadion halt auch ein Stück weit das gesamte Land repräsentieren und drücken wir es mal diplomatisch aus... da haben die Türken keinen sympathischen Eindruck hinterlassen.

Gleichzeitig ist es auch ein politisches Statement, wenn eine Nationalmannschaft, die von der AfD verachtet werden muss, das gesamte Land emotional eint. Auch wenn das ganz ohne spezifische Ansagen und Regenbogenfahnen passiert ist. Denn der Fakt, dass der DFB die Integration endlich als wichtige Aufgabe betrachtet und die Nationalmannschaft damit ein realistisches und buntes Abbild unserer Gesellschaft ist, ist auch per se schon politisch.

Oder wenn Toni Kroos dann bei (natürlich) Lanz und Precht Aussagen raushaut, für die er aus dem Kontext gezogen doch wieder Respekt von Rechts bekommt: Denn die reden sich ja seit Jahren ein, dass die deutschen Städte viel unsicherer geworden sind... wegen die Ausländer. Das sagt Kroos natürlich nicht. Aber es kann so ausgelegt werden, dass er das gemeint haben könnte.

Dass ein Kroos, der Deutschland vor ziemlich genau 10 Jahren verlassen hat, gar nicht abschätzen kann, ob die Straßen in Berlin sicherer sind als nach seinem letzten Besuch, ist dabei völlig egal. Gerade das letzte Beispiel finde ich extrem faszinierend. Denn es entlarvt in diesem Fall die Rechten, dass sie gar kein Problem mit politischen Statements haben. Sie haben nur mit Statements Probleme, die ihrem recht kleinen Weltbild widersprechen. Sobald man sich das irgendwie so hindrehen kann, dass man das für sich beansprucht, sagt keiner mehr, dass sich der Kroos auf den Fußball konzentrieren sollte, anstatt über Dinge zu labern, von denen er keine Ahnung hat. Und wenn Kroos irgendwas zum Thema "Gleichberechtigung" und "Auch unsere Frauennationalmannschaft sollte ordentliche Prämien bekommen" gesagt hätte, wäre das genau die Reaktion, die er hervorgerufen hätte. Obwohl er formell gesehen genau dasselbe gemacht hätte: Sich zu einem Thema geäußert, von dem er wenig Ahnung hat.

Nebenbei... hat Kroos dieses Interview vor dem Viertelfinale gegeben. Eigentlich hätte der Aufschrei der Rechten da genauso groß sein müssen, wie bei der "20 % hätten gerne eine deutschere Nationalmannschaft" Doku vor der EM. Und Kroos hat gegen Spanien ja nicht so wirklich überragend gespielt...

Wenn ein Jude Bellingham sich an die eigenen Kronjuwelen fasst, macht er das in dem Moment auch im Namen der englischen Krone... was, wenn man bedenkt, wie die sich Jahrhunderte lang aufgeführt haben und wie wenig Schuldbewusstsein dort vorherrscht und was in England sonst so zur Schau gestellt wird, ein wunderbares Statement ist. 

Wenn Kylian Mbappé eine Marine Le Pen ans Bein pisst und damit eventuell Einfluss auf die Wahl nimmt... ist das auch ganz offensichtlich politisch. Aber er kann das in der Form und mit der Auswirkung am Ende auch nur machen, weil er gerade diese extreme Reichweite und Position in der französischen Gesellschaft hat, die er auf dem Platz präsentiert. Nebenbei hat der sich den EM Titel jetzt wirklich verdient. Nicht auf dem Platz, aber mit seinen Aussagen daneben.

Aber eine EM ist halt so verdammt groß, dass alles, was in diesem Rahmen passiert, am Ende politisch ist. Dass so viele Deutsche öffentlich zeigen, dass sie ihre Daten gerne hergeben, um in einem hässlichen Trikot für irgendeine Firma Werbung zu machen, ist ein bedenkliches Thema. Und da kamen die Kinder in China ja kaum mit dem Nähen hinterher, so erfolgreich lief das. Da wird man aber garantiert irgendwo den Haken gesetzt haben, dass die Daten jetzt verwendet werden dürfen.

Was einem wirklich Sorgen macht, wenn man als Nächstes bedenkt, dass Alipay Hauptsponsor der EM ist... Denn bei Check24 könnten die Daten zumindest in Deutschland weiterverwertet werden. Jetzt treffen aber die Deutschen mit ihrem offensichtlich entspannten Umgang mit ihren persönlichen Daten auf eine Krake aus einem autoritären System.

Überhaupt kamen ja 7 der 12 Großsponsoren aus autoritär geführten Ländern... Dass uns diese EM von Visit Qatar präsentiert wurde, obwohl wir doch genau dies das letzte Mal boykottieren wollten, beweist doch nur, wie gut dieses ominöse "Sportswashing" am Ende funktioniert. Genauso wie das kleine Mädchen im neusten Cristiano Ronaldo T-Shirt, welches mir letztens über den Weg gelaufen ist. Ich dachte da nur: Die dürfte dieses Trikot in Saudi-Arabien nie tragen, macht hier aber indirekt Werbung dafür. Und fühlt sich verdammt groß dabei.

Nebenbei hat das Heute Journal während der EM Übertragung einen durchaus kritischen Beitrag zu den Großsponsoren gebracht. Sollten die nicht eigentlich darüber berichten, wie die Deutsche Mannschaft unfallfrei in ein Flugzeug steigt? 

Da kommen auch die 7 von 12 her. China stellt 5 Hauptsponsoren. Qatar 2... Dazu kommt dann Coca-Cola als auch nur bedingt humanitäres Unternehmen... Wenn jetzt noch Nestlé einsteigt, würden die Cthulhu beschwören. Der dann aber zum Glück mit der Deutschen Bahn anreisen müsste und irgendwo in Brandenburg versacken würde.

Events von dieser Größe und emotionalen Reichweite sind einfach immer politisch. Um das zu verhindern, müsste man sie abschaffen. Was schon wieder in sich ein politisches Statement wäre. Kein Sinnvolles, weil ich ja nach wie vor die Europameisterschaft als nicht zu unterschätzenden Kriegsersatz sehe. 

Dass das ganze definitiv auch eine politische Veranstaltung ist, sollte man immer im Hinterkopf haben. Da sollte man vorher auch so ein paar Erwartungen haben, die man hinterher abgleichen kann.
Deutschland hat sich bisher während des Turniers als Land präsentiert, in dem man gerne zu Gast ist, was so kurz nach den letzten Wahlergebnissen nicht unbedingt zu erwarten war. Das sagen zumindest die Rumänier... Die Schotten haben sich als Menschen präsentiert, die man gerne zu Besuch hat. Die Türken haben dagegen nachgewiesen, dass sie derzeit eher in eine unangenehme Richtung unterwegs sind.

Auf den Fanmeilen wart die Stimmung ja so gut und optimistisch, dass die rechten Trolle sich buchstäblich Fake News ausdenken mussten, weil sie mit diesem ganzen Fahnengeschwenke irgendwie nichts anfangen konnten. Das zeigt nebenbei, dass die hier auch schon angesprochene Doku von Phillip Awounou im Schlusswort durchaus richtig lag: Die Ränder werden immer lauter, das bedeutet aber nicht, dass sie die Mehrheit darstellen. 

Jetzt müssen wir als der aufgeschlossene Teil der Gesellschaft nur aufpassen, dass wir nicht nur während der EM lauter sind als die rechten Trolle, sondern dass wir auch danach noch nachweisen, dass die Mehrheit in diesem Land eigentlich Bock auf eine bunte Nation hat.

Samstag, 6. Juli 2024

Passives Abseits Leser wissen es früher: Den Handelfmeter gegen Dänemark hat es nie gegeben.

 Dass Deutschland da Glück hatte, weil man den nicht geben muss, haben alle 3 Tage später schon wieder vergessen. Stattdessen finden jetzt alle Ausreden, warum es doch Elfmeter geben muss, obwohl es realistisch gesehen ein weniger deutliches Handspiel war, als im Achtelfinale. Und schon den Elfmeter muss man nicht unbedingt geben. Auf einmal soll es relevant sein, wo der Schuss hingegangen wäre... nach dieser Logik war das gegen Dänemark auf gar keinen Fall Elfmeter.

Ich stelle ja mal die einfache Frage: Wie würdet ihr reagieren, wenn Antonio Rüdiger einen solchen Ball nach derselben Meidbewegung an den Arm bekommt? Da seht ihr dann alle garantiert keinen Elfmeter.

Persönlich finde ich es ja schade, dass selbst der meistens gute Manuel Gräfe sich das alles so hinlegt, dass er einen Elfmeter geben könnte

Nebenbei, was dann ja doch auch der Gräfe anspricht, ist die ganze Debatte hinfällig, weil Füllkrug vorher hauchzart im Abseits stand. Und wie wir auch seit dem Dänemark Spiel wissen, reicht ein Zentimeter... Das haben wir aber auch schon wieder vergessen.

Gerade das "Wo geht der Ball hin" ist ja auch albern. Denn der geht ziemlich genau auf Florian Wirtz, der schon reflexartig zuckt, weil er gleich im Abseits stehend abgeschossen wird... Das könnt ihr in der Analyse von Gräfe wunderbar sehen.  Aber Nagelsmann sieht den Ball halt im Winkel einschlagen, deswegen muss es Elfmeter geben, auch wenn Cucurella realistisch gesehen nur eine Abseitsstellung verhindert hat...

Um euch mal kurz zu erklären, warum das eine Elfmeter war und das andere nicht: Bei Andersen ist der Arm um etwa 90 Grad abgespreizt. Er macht eine Bewegung weg vom Körper. Marc Cucurella versucht dagegen aktiv seine Hand zum Körper zu ziehen, weshalb der Arm nur 45 Grad abgespreizt ist. Er macht eine aktive Meidbewegung, ist dabei aber nur zu langsam. Fairerweise erklärt der sonst hier so oft gescholtene Kicker das auch ungefähr so. In der Spielanalyse werfen sie Taylor eher vor, dass er Toni Kroos nicht nach 7 Minuten vom Platz gestellt hat. Theoretisch hätte er ihm für das Foul an Pedri und für die Diskussion hinterher in Minute 1 jeweils Gelb sehen können. Da hatte dann aber das erste Mal ein Schiedsrichter doch Angst davor, die neue Regel zum Meckern anzuwenden. Und Pedri wurde ja von Kroos buchstäblich kaputt getreten, ohne dass es für Kroos irgendwelche Konsequenzen gab...

Also abgesehen davon, dass der Torschütze und Vorlagengeber Dani Olmo eingewechselt wurde. Danke Toni. Ein ganz dummes "taktisches Foul" war das...

Am Ende war das Spiel nebenbei weniger Spektakel, als ich erhofft habe... Als Antonio Rüdiger den Fuß demonstrativ auf den Ball legte, um jegliches Tempo aus dem Spiel zu nehmen, dachte ich kurz: Die wollen beide doch Europameister werden... In Schönheit sterben sollt ihr! Aber gerade nach dem 1:0 ging es doch richtig ab. Und das, obwohl Deutschland ab der 80. Minute freiwillig zu 10. gespielt hat. Man will gar nicht wissen, was möglich gewesen wäre, wenn ein Deniz Undav da frischen Wind reingebracht hätte.

Wobei man an der Stelle festhalten muss: In Sachen Thomas Müller hatte sich zumindest in meiner Kneipe der Wind gedreht. Da dachte jetzt keiner mehr, dass der jetzt das entscheidende Siegtor machen würde. Mit 10 Jahren Verzug ist dann doch endlich angekommen, dass der einfach nicht mehr gut genug für die Nationalmannschaft ist. Hat ja nur 3 katastrophale Turniere gedauert.

Auf dieses Highlight des Turniers folgte dann der versprochene Pragmatismus bei Frankreich - Portugal. Frankreich hat nach wie vor kein eigenes Tor aus dem Spiel heraus erzielt. Es gab bisher 2 Eigentore und ein Elfmeter. Da ist also "Eigentor" buchstäblich der Toptorhüter. Und als nächste Stufe haben sie das Elfmeterschießen gewonnen, ohne dass Mike Maignan einen einzigen Elfmeter gehalten hat. Maignan wurde trotzdem zum Spieler des Spieles gekürt... Wenn die Feldspieler 120 Minuten lang nichts machen, wird man das dann in logischer Konsequenz, auch wenn man sich nicht wirklich auszeichnen musste.

Mittwoch, 3. Juli 2024

Die "Wir haben den Urlaub schon gebucht" Elf EM 2024

 Wie immer werden bei hier jetzt die Spieler gekürt, die bisher mit herausragenden Leistungen geglänzt haben. Leistungen, die man sich am ehesten mit schon gebuchten Flügen in den Urlaub erklären kann. Traditionen müssen gepflegt werden.

Thibaut Courtois

 Giovanni di Lorenzo - Gianluca Mancini - Jan Vertonghen - Kieran Trippier

Luka Modrić - Marcelo Brozovic

Kevin de Bruyne - Christoph Baumgartner - Phil Foden

Niclas Füllkrug

Thibaut Courtois, Belgien: Daran kann man nebenbei auch erkennen, wie gut die Torhüter bei dieser EM waren. So richtig krasse Patzer gab es einfach nicht zu sehen. Deswegen nominieren wir den vielleicht weltbesten Torhüter, der sich aber mit Domenico Tedesco zerstritten hat und deswegen nicht mitfahren durfte. Ob das jetzt die Schuld des Trainers oder des Spielers war, ist dabei gar nicht soo relevant. Fakt ist: Courtois macht buchstäblich lieber Urlaub.

Giovanni di Lorenzo, Italien: Der Mann war an beiden Highlights der italienischen EM direkt beteiligt. Er bekam gegen Spanien eine 6,0 und gegen die Schweiz eine 5,5. Es war also theoretisch eine gute Tendenz auszumachen. Ganz praktisch hat er Ruben Vargas wie einen Weltklassespieler aussehen lassen. Das ist gut für Augsburg, die den jetzt für 30 Millionen nach England verkaufen können... aber es ist halt auch eine Auszeichnung im Armutszeugnis. Bei der auch

Gianluca Mancini ordentlich mitgeholfen hat. Für Mancini war dies der erste Einsatz bei der EM. Damit beendet er das Turnier mit einem Notenschnitt von 6,0 und beantwortet indirekt die Frage, warum Gareth Southgate nicht wechselt. Bei einem abgesehen von Donnaruma extrem schwachen Kader sticht Mancini nochmal hervor.

Jan Vertonghen, Belgien: Eigentlich sollte man dankbar sein. Da die Franzosen 0 Interesse am Tore schießen zeigten und den Belgiern vorne einfach die Fähigkeiten fehlten, beendete er ein Spiel, dass sonst mindestens 30 weitere Minuten erlebt hätte. Das ist halt auch der Unterschied zwischen Vertonghen und all den anderen Eigentorschützen: Er besiegelte das Ausscheiden, während Samet Akaydin im Viertelfinale steht. Und damit besiegelte er auch das endgültige Ende der "goldenen Generation". Er dürfte auch der älteste Eigentorschütze der EM Geschichte sein, das entschädigt doch für alles.

Kieran Trippier, England: Ja, die sind noch dabei. Und die werden am Ende Europameister. Aber Kirean Trippier ist doch gefühlt schon auf dem Urlaub, er verlebt den nur auf dem Platz. Das größte Problem der Engländer, abgesehen davon, dass sie keinen natürlichen Ersatz für Kevin Phillips gefunden haben, ist ja ihre faktisch komplett unbesetzte linke Flanke. Die haben halt niemanden, der da einfach nur die Linie hält und dann Dynamik ausstrahlt. Das wurde mir extrem bewusst, als ich direkt nach den Engländern die Spanier gesehen habe. Wie Marc Cucurella bei jeder Aktion im hohen Tempo nachgerückt ist. Das war richtig anstrengend, da zuzugucken. Macht das weg. Bei Trippier muss sich niemand Sorgen machen, dass der bei eigenem Ballbesitz mal einen Sprint anzieht....

Luka Modrić und Marcelo Brozovic, Kroatien: Da war es dann. Das eine Turnier zu viel. Wo einem hinterher bewusst wird, dass man doch hätte in den Ruhestand gehen sollen. Das wird ihrem Legendenstatus zu Recht nicht schaden. Aber sowohl Real Madrid als auch Modric selber sollten darüber nachdenken, ob sie wirklich noch länger zusammenarbeiten wollen. Dabei war Modric noch nicht mal wirklich schlecht. Er war halt nur weit weg von dem Standard, an dem wir uns bei ihm gewöhnt haben. Brozovic muss sich dagegen eingestehen, dass Kroatien seine beste Halbzeit abgeliefert hat, nachdem er ausgewechselt wurde. Für beide gilt wohl: Das wird wohl nie wieder gut. Und natürlich ist Brozovic noch gar nicht soo alt und wird deswegen wahrscheinlich weiter machen... aber Kroatien braucht halt dringend einen Neuaufbau. Gerade im Mittelfeld und in der Offensive. Aber hey, die haben einen der legendärsten Läufe aller Nationalmannschaften hingelegt. Da haben sie sich ihren Urlaub auch verdient.

Kevin de Bruyne, Belgien: de Bruyne ist einer der besten Mittelfeldspieler der Welt... wenn er im Trikot von Manchester City spielt. In Belgien muss er jetzt seit Jahren erklären, warum aus dieser "goldenen Generation" nichts wurde. Am Ende steht ein dritter Platz, was für Belgien gar nicht schlecht ist. Aber zuletzt auch ein Vorrundenaus bei der WM und jetzt ein Aus im Achtelfinale. Klar, gegen Frankreich, das kann schon passieren. Aber gegen Frankreich spielte man ja auch "nur", weil man an Rumänien nicht vorbeikam. Da ist man schon ein bisschen selbst Schuld dran. Und ja, de Bruyne selbst war bei weitem nicht der schlechteste Belgier. Aber wenn er an seine Leistungen im Vereinstrikot anknüpfen würde... aber er ist halt auch nach einer langen Saison unfassbar durch, der braucht also Urlaub.

Christoph Baumgartner, Österreich: Unfair? Bestimmt. Er war halt am falschen Ende von der Parade des Turniers durch Mert Günok... der nebenbei nach dem Auftaktspiel auf die Bank gesetzt wurde... Und trotz dieser Parade "nur" eine 2,5 bekommen hat. Oder anders ausgedrückt: Mit einer Kicker-Durchschnittsnote von 3,5 ist er einer der schlechtesten Torhüter des Turniers. Und auf jeden Fall der schwächste Viertelfinalteilnehmer. Und diesen Mann hat Baumgartner berühmt geschossen. Gut für Besiktas, die ihn jetzt für 30 Millionen nach England verkauft haben. Schlecht für Ralf Rangnick, der dafür den Bayern abgesagt hat...

Phil Foden, England: Man kann auch nicht alles auf Gareth Southgate schieben. Also ja, vielleicht könnte der Trainer die Anweisung geben, dass Foden mehr die Linie halten soll und dadurch zumindest das Gefühl von Breite ins englische Spiel bringt. Und vielleicht hätte man das im Training auch mal einüben können. Dass Foden aber an den einfachsten Aufgaben scheitert, liegt aber nicht an Southgate... Also der Mann soll laut Transfermarkt.de 150 Millionen Euro wert sein. Trotzdem läuft er bei einem Querpass durch den 5er ins Abseits. Und das war ja kein hauchdünnes Abseits. Von einem derart teuren Spieler muss man erwarten können, dass er sich hinter dem Ball positioniert.

Niclas Füllkrug, Deutschland: Häh? Der ist doch voll gut! Ein superwichtiger Joker. Und er hat dieses superwichtige Tor gemacht... seinetwegen erleben wir jetzt das vorgezogene Finale gegen Spanien... ahh...
Ja, Füllkrug hat seinen ersten Urlaubstag auf das Halbfinale gelegt. Wenn er nicht trifft, wäre man auf der "einfacheren" Seite des Turnierbaums. Es würde "nur" gegen die übermüdeten Engländer gehen, anstatt gegen die eine Mannschaft, die wirklich gut aussieht. Und danach dann designiert gegen Frankreich. Als Bonusfeature hat Antonio Rüdiger sich bei dem Torjubel verletzt und drohte auszufallen. Der Treffer macht alles also unnötig schwierig und spannend.

Und als "Einwechselspieler":
Jude Bellingham und Merih Demiral: Das ist schon ein gehobenes Arschloch Niveau: Seinen Kollegen noch mehr Stress und Spiele zumuten, obwohl zumindest die Engländer da ja gar keinen Bock drauf haben, und dann wegen obszöner oder rechtsextremen Gesten gesperrt auszufallen.

Dienstag, 2. Juli 2024

Die Engländer sind gar nicht schlecht...

 Die bieten gehobenen Durchschnitt an. 

Ganz ehrlich: Was wir gestern erleben durften, war der schlechteste Achtelfinale-Spieltag der EM Geschichte: 210 Minuten mit einem einzigen Tor. Und das war auch noch ein Eigentor, weil Randal Kolo Muani nicht mal aufs Tor gezielt hat.
Gerade wenn man bedenkt, dass bei Belgien und Frankreich richtig gute Fußballer auf dem Platz standen. Aber die wurden halt von Didier Deschamps und Domenico Tedesco auf- und eingestellt. Einer dieser beiden Trainer hat einfach kein Interesse an berauschendem Fußball... dem anderen fehlen vielleicht einfach nur die Fähigkeiten... Er war mal Schalke Trainer, davon erholt man sich nicht so leicht.

Slowenien gegen Portugal war dann einfach nur schlecht. Die einzigen Highlights waren ein verschossener Elfmeter von Cristiano Ronaldo... und Pepe's Versuch zu verhindern, dass Ronaldo erneut antreten muss... Leider sagte Benjamin Sesko da "Nö, ich will in dieses Elfmeterschießen"...

Und dort traf Slowenien dann auch das Tor nicht. Einen vergleichbar schlechten Spieltag gab es zuletzt... 2006 bei der WM in Deutschland. Das muss an uns liegen. Damals erzielte Italien in allerletzter Minute per Elfmeter die Führung... und die Schweiz entschied sich dafür, das Elfmeterschießen ohne eigenen Treffer zu beenden.

2010 gab es auch mal einen Tag, an dem nur ein Tor erzielt wurde... aber da spielten wenigstens halbwegs motivierte Spanier mit und Paraguay nahm am Elfmeterschießen wirklich teil.

Gerade dass das Elfmeterschießen, welche es als "Belohnung" für diese tollen Spiele gab und wenigstens für etwas Nervenkitzel sorgen sollte, nach 2 Schützen durch war. 

Und das absurdeste: Die beiden Gewinner treten jetzt gegeneinander an. Wir dürfen uns also auf ein weiteres Duell aus der Kategorie "Kann nicht mehr" gegen "Will nicht mehr" freuen. Euphorie!

Aber genau so erreicht man halt das Elfmeterschießen gegen England... und wird damit sicher Europameister. Dieser Spieltag hat mich in meiner Überzeugung, dass die am schlechtesten spielenden Mannschaften am Ende das Finale erreichen, bestärkt. Und dann werden alle hinterher nur noch von diesem einen Viertelfinale reden und den Rest des Turnieres verdrängen...

Montag, 1. Juli 2024

Gareth Southgate ist ein Genie

 Der spielt halt nur ein ganz anderes Spiel als wir. Deswegen steht er ganz entspannt mit den Händen in der Hosentasche am Seitenrand und wechselt bei Rückstand in der 94. Minute einen Spieler ein, um noch an der Uhr zu drehen. Er kann das nicht nur tun, wer muss genau so agieren, um sein eigenes Ziel umzusetzen: Das 2:1 vor dem 1:1 erzielen. Und genau das hat er geschafft.

England erzielte den Ausgleich in der 96. Minute und die Führung in der 92. Minute. Und nur darum ging es doch. Und dass ein Jude Bellingham diese taktische Anweisung dann fast perfekt umsetzt. Das Spiel ständig verschleppt. Seine Mitspieler anmault, falls die vor der 93. Minute irgendwelche Anstalten machen, Initiative zu zeigen. 

Ganz ehrlich, dass Bellingham nach der gezeigten Leistung und den gezeigten Emotionen überhaupt noch auf dem Platz stand, zeigt doch, wie wenig Interesse Southgate an der Ausübung seines eigentlichen Jobs hat. Und klar, wer trifft, hat recht und wer den treffenden Spieler auf dem Platz lässt, hat alles richtig gemacht. Aber, revolutionärer Gedanke, wenn man früher einen Spieler mit Elan und positiver Körpersprache auf den Platz stellt, trifft man vielleicht sogar etwas früher. Vielleicht geht man sogar der Verlängerung aus dem Weg, was bei einem völlig überspielten Kader elementar wichtig wäre. Aber Southgate hatte halt die Hände in den Hosentaschen, da konnte er keine Wechsel vornehmen.

Ernsthaft, was der abliefert, ist eher eine Karikatur eines Trainers. Und dass der damit durchkommt, ist  völlig absurd. Und wenn Bellingham auf dem Platz steht, spielt England de facto in Unterzahl. Nicht nur, weil er selber wenig bringt, sondern weil er auch noch die anderen Spieler mit seiner "Ausstrahlung" runterzieht. 

Aber hey, genau so wird man Europameister... oder erreicht zumindest das Elfmeterschießen gegen Frankreich. Und nur darum geht es Southgate doch: Ein letztes Mal im Elfmeterschießen scheitern.

Aber ja, das solltet ihr jetzt schon buchen. Dies ist nicht die EM, die man durch berauschenden Fußball gewinnt. Dies wird eher ein "Die Favoriten mogeln sich irgendwie durch" Turnier. Also wie die letzte EM auch... Das letzte Mal hatten die aber eine gute Ausrede, weil sie dank der Pandemie-Verschiebungen völlig überspielt waren. Wobei man Bellingham zugutehalten muss, dass das auch für ihn gilt, der ist halt nach einer harten und langen Saison mit Champions League Finale vollkommen durch. Nur hat dieser angeblich so wertvolle Kader auch keinerlei Alternativen hergibt...

Vielleicht sollte man auf Transfermarkt.de auf diese EM reagieren und allen Spielern der Premiere League 15% ihres Marktwertes abziehen. Denn offensichtlich sind diese Spieler völlig überbewertet, wenn ein Phil Foden an den einfachsten Aufgaben wie "Bei einem Querpass durch den Strafraum nicht im Abseits stehen" scheitert. Und das war ja keine Zentimeter-Entscheidung wie beim dänischen Abseits, sondern eher ein "Warum geht die Fahne da nicht gleich hoch, sondern muss der VAR mobilisiert werden?" Abseits.

Jetzt solltet ihr euch auf jeden Fall den Freitag im Kalender markieren, denn das wird das einzige richtig geile Spiel der EM. Das einzige Duell zweier Spitzennationen mit (fast ausschließlich) Topspielern, die auch beide Bock auf Fußball spielen haben. Und all das nur dank Niclas Füllkrug, was man nicht oft genug erwähnen kann. 

In allen anderen Viertelfinalspielen hat man entweder eine Mannschaft wie England, die Niederlande oder Frankreich, die keinerlei Interesse am Fußball spielen haben... oder einen Außenseiter, der sich überraschend in diese Runde verlaufen hat.
Und versteht mich dabei nicht falsch: Diese Außenseiter haben bisher auch für die fußballerischen Highlights gesorgt. Gerade was die Österreicher und Schweizer im Kollektiv anbieten, ist schon faszinierend. Aber deren individuelle Klasse ist, bei allem Respekt, ein gutes Stück von den Engländern und Franzosen entfernt. Um aus einem taktisch faszinierenden Spiel ein absolut hochklassiges zu machen, braucht man halt auch die individuelle Extraklasse.

Ansonsten muss ich mich echt nochmal über das Goldfisch-Gedächtnis von Fußballfans aufregen. Ich durfte echt Kommentare wie "Scheiß Schiri!" und "Schiebung" hören, habe mich da aber zum Glück nicht laut genug geflucht, so hat das "Ihr seid doch einfach nur dumm" nur mein Kollege gehört...
Die Fans haben diese Sprüche nicht nach dem zurück gepfiffenen 1:0 durch Niklas Süle gebrüllt... Sondern nach dem 3:0 von Florian Wirtz. Einem nur für die Statistik relevantes Tor. Wenn dieser (zugegeben schwache) Schiedsrichter das Spiel hätte verschieben wollen, hätte er den Handelfmeter nicht gegeben. Und als einer der anscheinend wenigen Menschen, die sich sachlich zu Regeln äußern können, sage ich da mal: Den kann man geben. Muss man aber auch nicht.
Was auch nur bedeutet: Für Deutschland ist das ein klarer Elfmeter, gegen Deutschland wäre es eine klare Fehlentscheidung.
Und Deutschland hat jetzt 2 Mal vom VAR profitiert. Denn beim hauchdünnen Abseits würde man sich, wenn man selbst betroffen ist, für dickere Linien einsetzen. Kann doch nicht sein, dass das auf den Millimeter ausgemessen wird. Was wurde eigentlich aus "Im Zweifel für den Angreifer"? Dabei ist Abseits die eine wirklich faire Verbesserung, die der VAR gebracht hat. Denn jetzt kann man objektiv sicherstellen, dass kein einziges Abseitstor erzielt wird. Das ist brutal für die Dänen, aber irgendwie auch fair, weil es auch für alle anderen Mannschaften genauso brutal geendet hätte.

Jedenfalls feiert Deutschland jetzt plötzlich den VAR mit "Spieler des Spiels" Memes. Wenn der VAR aber das nächste Mal gegen Deutschland entscheidet, werden sie das alles wieder vergessen haben und lauthals die Abschaffung dieser Missgeburt fordern. Garantiert. 

Traurigerweise werden das aber nicht nur die Fans machen, sondern auch die Experten hinterher werden sich dann fragen, ob das wirklich sein muss... Dass man im Achtelfinale krass davon profitiert hat, haben bis dahin alle vergessen.