Dienstag, 16. Juli 2024

Lasst mal einen kreativen Ansatz finden:

 Zunächst mal muss man natürlich festhalten, dass dieses EM Turnier mit dem absehbaren Plottwist endete: Harry Kane verliert das Finale. Zur allgemeinen Überraschung von niemanden.

In 20 Jahren werden wir alle nebenbei von einem großartigen Turnier sprechen. Wir werden uns nur an die englischen Aufholjagden erinnern, die in jedem K.O. Spielen einen Rückstand aufholen konnten. Dass der Ausgleich meistens aus dem sprichwörtlichen Nichts fiel, fällt dann niemanden auf.
Wir werden uns an die späten Tore von Bellingham, Verthongen, Wirtz, Merino, Saka, Watkins und Oyarzabal erinnern. Und ja, es ist schon faszinierend, wie viele Spiele ganz am Ende entschieden wurden. 

Dazu werden wir uns an die faszinierenden jungen Talente erinnern. Selbst der Sicherheitsfanatiker Gareth Southgate setzte auf den 19-jährigen Kobbie Mainoo. Dazu kommen Yamal, Williams, Wirtz, Musiala, Güler. Da kam schon viel frischer Wind rein. Dass das eventuell auch einfach daran gelegen haben könnte, dass diese jungen Spieler relativ wenige Minuten in den Beinen haben und deswegen um einiges frischer sind, könnte man bei Wirtz relativ enttäuschender EM gesehen haben. 

Die Highlights von Frankreich - Portugal werden einfach... nicht gezeigt. Denn es gab ja keine. Und Didier Deschamps hat ja selber gesagt, dass wir was anderes gucken sollen. Dass diese beiden (und die Engländer) einen brutalen Pragmatismus walten ließen, wird einfach verschwiegen.
Nebenbei will ich das Deschamps und auch Southgate gar nicht vorwerfen. Deren Aufgabe ist es ja nicht, uns zu unterhalten, sondern Titel zu gewinnen. Und die Turnierbilanz der beiden spricht, auch wenn Southgate weiterhin der Titel fehlt, für sich. 

Die müssen nicht darüber nachdenken, wie man das Spiel attraktiver gestaltet. Das ist die Aufgabe der UEFA. Die müssen jetzt überlegen, wie sie eine aktivere Spielanlage fördern. Und der Ansatz, die Abseitsregel umzustellen, dass nur noch die Ferse des Angreifers auf Höhe des Verteidigers sein muss, wird gerade diese beiden nicht motivieren, offensiver zu spielen. Eher im Gegenteil: gerade die beiden werden dann einfach einen Feldspieler abstellen, der den Strafraum nicht mehr verlässt, damit die durchstartenden Stürmer aufgehalten werden. Das Comeback des klassischen Liberos.

Dabei war die K.O. Phase ja sogar echt in Ordnung. Wesentlich besser als erwartet. Selbst England hat eine Halbzeit lang richtig gut gespielt, bis Southgate das mit einer taktischen Umstellung unterbunden hat. Das eigentliche Problem war die Passivität in der Gruppenphase. Am besten verdeutlicht durch die Gruppe B mit ihren insgesamt 5 Toren.
Und abgerundet durch 2 Unentschieden am letzten Spieltag in der Gruppe E. Wenn 2 Mannschaften wissen, dass sie bei einem Unentschieden sicher weiter sind, kommen dabei beschissene Spiele raus. Wenn man mit 4 Punkten quasi sicher weiter ist (und ja, die Ukraine ist die eine Ausnahme, weil sie mit 4 Punkten nur Gruppenletzter wurde, aber das ist eine absolute Ausnahmesituation), kann ich im zweiten Gruppenspiel auf ein Unentschieden gehen... weil ich entweder nach dem Auftaktsieg das Achtelfinale sicher buche oder mir nach einer Auftaktpleite die Möglichkeit offen halte, mit einem Sieg am letzten Spieltag alles zu regeln.
Eigentlich beginnt so ein Turnier mit dem zweiten Spieltag, weil die Mannschaften, die zum Auftakt nicht gewonnen haben, gehörig unter Druck stehen und dringend etwas holen müssen. Sonst ist das Turnier nach 2 Spielen vorbei. Jetzt gibt es praktisch kein Szenario, wie man nach 2 Spielen sicher ausscheidet. Natürlich sichert man da als Trainer erstmal das Unentschieden.

Aber das ist jetzt ja allen aufgefallen. Selbst dem Kicker, und das soll was heißen. Jetzt fällt aber allen nur eine Lösung ein: Die EM auf 32 Teilnehmer aufstocken. Da sehen dann alle, dass ein Erling Haaland doch an der EM teilnimmt, das kann ja nur gut sein... auch wenn das bedeutet, dass bei 55 Landesverbänden mehr als die Hälfte aller Mitglieder zur Europameisterschaft müssen.
Für Deutschland wäre das nebenbei gut, denn so ein großes Turnier können dann nur noch England, Frankreich, Spanien und Italien austragen. Damit könnte es doch nicht das letzte Mal in unserem Leben sein, dass wir so ein Fest erleben. Denn dann wären wir in 20 Jahren wieder dran. Auch wenn wir dann wahrscheinlich jeweils einen Spielort an die Schweiz und Österreich abtreten müssen. Aber bucht schonmal den Urlaub für die EM 2044.

Da könnte man ja glatt mal einen kreativen Ansatz durchdenken. Denn "Aufstocken" ist nicht zwingend die einzige Option. Man könnte auch... eine Vor-Vorrunde ausrufen.

Ok, so wird das Ganze funktionieren: Die besten 7 Mannschaften und der Gastgeber sind für die eigentliche Gruppenphase gesetzt. Es ist natürlich ein bisschen schwierig, diese 7 Mannschaften zu bestimmen, aber bei Lostöpfen bekommt man das ja auch hin. Nehmen wir die Fifa Rangliste. Da wären das vor diesem Turnier Deutschland, Frankreich, Belgien, England, Portugal, Spanien, Kroatien und Italien.

Die restlichen Mannschaften spielen ein sogenanntes "Double Elimination Tournament" aus. Und ja, das ist mein absoluter Lieblingsmodus, der vom Esports bekannt ist. Ich hab das schonmal vorgeschlagen, um den Aufstieg in die dritte Liga gerechter zu machen

Double Elimination bedeutet: Vor dem ersten Spieltag wird ein Turnierbaum erstellt. Die Gewinner und Verlierer des ersten Spieltages spielen dann am 2. Spieltag gegeneinander. Wer bei 2 Siegen angekommen ist, hat die eigentliche Gruppenphase erreicht. Wer 2 Spiele verloren hat, fährt nach Hause.
Endet ein Spiel unentschieden, geht es sofort ins Elfmeterschießen, um einen Sieger festzustellen.

Die erste Runde würde dann ungefähr so aussehen: (Ich bin jetzt einfach die Abschlusstabelle von oben nach unten runtergegangen... wie man dafür Setzlisten erstellt, müssen andere rausbekommen)

Schweiz – Ungarn

Schottland – Albanien

Dänemark – Slowenien

Serbien – Österreich

Niederlande – Polen

Rumänien – Slowakei

Ukraine - Türkei

Georgien – Tschechien

In Runde 2 spielt dann Schweiz - Schottland und Ungarn gegen Albanien. In der dritten Runde Schottland - Ungarn/Slowenien.

Und ja, ob man die 4 Mannschaften als eine Gruppe betrachtet, oder am 3. Spieltag nochmal mischt, müsste irgendwie geklärt werden, denn sonst könnte es zu häufig passieren, dass man dasselbe Match nochmal sieht.

Der große Vorteil dieses Modus ist, dass es sofort zur Sache geht. Man muss vom ersten Spiel an auf Sieg gehen, wenn man nach 2 Spielen weiterkommen will. Man will zwingend nach 2 Spielen weiterkommen, weil man dann die nötige Pause bekommt. Und wenn der Zuschauer doch 90 langweilige Minuten überstehen muss, bekommt man hinterher wenigstens den Adrenalinkick eines Elfmeterschießens. Aber die im Rückstand liegende Mannschaft muss immer dringend was machen und kann nicht darauf spekulieren, dass sie nach einer knappen Niederlage mit 4 Punkten aus den restlichen 2 Spielen weiterkommen.

Außerdem würde es mehr relevante Spiele zwischen den kleineren Nationen geben. Das mag uns als Top 5 Nation egal sein, aber in der Ukraine und in Georgien wäre das 2. Spiel um den Einzug in die Gruppenphase ein legendärer Moment in der Verbandsgeschichte. Und natürlich wären die Einschaltquoten in Deutschland überschaubar. Aber bei den kleineren Nationen wäre es das TV Event des Jahres.

Man könnte sogar 2 Mannschaften anbieten, ihre Seite des Turnierbaums als Gastgeber auszutragen. Also nehmen wir hier mal die Schweiz und die Niederlande: Beide können ein gesamtes Turnier nicht als Gastgeber stemmen. Die brauchten ja schon bei 16 Teilnehmern die Österreicher und die Belgier. Aber beide haben die Infrastruktur, um 8 Spiele durchzuziehen. Es würden sich Interessenten finden, die den Gastgeber geben wollen. Allein schon aufgrund des Wettbewerbsvorteils, den man dann bekommt.

Die Nachteile sind auch offensichtlich, perfekt ist die Lösung auch nicht. Ok, perfekt wäre eine Rückkehr zu 16 Teilnehmern, aber das wird bei der UEFA niemand ernsthaft in betracht ziehen. Und das würde ja indirekt bedeuten, dass dieses "Vorturnier" doch stattfindet, nur halt in den Play-Offs als Teil der Quali...

Zunächst müsste man halt mehr Platz im Terminkalender einplanen. Eine Woche braucht man halt schon, um das durchzuziehen. Und es würden hier auch Spieler über die zusätzliche Belastung jammern. Wobei ich an der Stelle ja festhalten würde, dass dieses Jahr nur 7 Spieler im Champions League Halbfinale und meinem fiktiven Vorturnier teilgenommen hätten: Matthijs de Ligt, Konrad Laimer, Andriy Lunin, Salih Özcan, Marcel Sabitzer, Gregor Kobel und Milan Skriniar. 2 dieser 7 sind Torhüter. Dazu kommt ein leider verletzter David Alaba.
Die Spieler, die am überspieltesten sind, kommen normalerweise auch aus den 8 besten Nationalmannschaften, die dieses Vor-Turnier aussetzen würden. Und für die würde es dann ein Spiel weniger geben.

Das eigentlich fiese wäre ja, wenn man nach 3 Spielen auf einen wochenlang ausgeruhten Gegner in der Gruppenphase trifft. Andererseits werden sich die Optimisten davon reden, dass es ja ein Vorteil ist, wenn man schon im Wettkampfmodus und wesentlich besser eingespielt ist.

Vor allem würden die Mannschaften, die 3 Spiele brauchen, am Ende eh der krasse Außenseiter sein. Das sind dann ja doch eher die Nationen, die froh sind, wenn sie sich überhaupt mit den großen 8 in einem Turnier messen dürften. Für die wäre die Gruppenphase dann reine Bonusspiele, in denen sie ohne jeglichen Druck frei aufspielen können.

Wird ein derartiger Modus kommen? Garantiert nicht. Also allein schon, weil sich alte, greise Männer mit jungen Ideen wie "Double Elimination" beschäftigen müssten. Da werden sie doch nur die "Wir erweitern das Teilnehmerfeld" Option sehen.

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