Freitag, 20. Januar 2023

Wo waren wir nochmal? Teil 4: Der Abstiegskampf

 Die wichtigste Frage: war ich zu kritisch mit dem VfL Bochum?

 Zunächst muss man natürlich nochmal festhalten, dass der dritte Abstiegsplatz de facto abgeschafft wurde. In nur 3 von 14 Fällen seit der Wiedereinführung konnte sich der Zweitligist in der Relegation durchsetzen. Das passiert also alle 5 Jahre mal. Und rein statistisch ist damit erst 2024 wieder ein Zweitligist dran, da Union Berlin ja vor 4 Jahren aufgestiegen ist.

Man muss also nur 2 Dümmere finden und sich dann in 2 Spielen, in denen man klar favorisiert ist, durchsetzen, um die Klasse zu halten. Das klingt doch für alle Beteiligten machbar.

Schalke 04 wirkt halt einfach in der aktuellen Verfassung zu schwach. Was jetzt keine Überraschung ist, die setzen schließlich auf 2 "Marius-Ebbers-Angreifer" als Sturmführer. Und einer der beiden hat sich auch noch schwer verletzt. Aber Schalke hat sich halt in kürzester Zeit in die Position manövriert, dass sie einfach nicht mehr das Geld haben, um einen bundesligatauglichen Kader zusammenzustellen. Jetzt müssen sie auf die an sich großartige Jugendarbeit hoffen... und darauf, dass die wenigen Transfers, die man sich leisten kann, absolute Volltreffer werden. 

Wenn man dann bedenkt, dass Matthias Schober und Gerald Asamoah gerade das Management übernommen haben... 2 ehemalige Spieler mit keinerlei Arbeitsnachweis in der ersten Reihe. Das macht jetzt nicht unbedingt Mut.

Im Wesentlichen läuft damit alles auf Michael Frey hinaus. Und ich habe keine Ahnung, wer das ist. Ich weiß nur, dass man den von Royal Antwerpen ausgeliehen hat. Dasselbe gilt für Nassim Boujellab, den man für ein halbes Jahr aus Helsinki geholt hat. Das ist so die Kategorie, in der die Schalker nach Verstärkungen suchen. 

Jetzt müssen diese beiden zusammen 10 Tore erzielen, damit Schalke eine Chance auf den Klassenerhalt hat. Und selbst dann ist es eher fragwürdig, ob das reicht.

Auf den Bochumern habe ich hier ja reihenweise herumgehackt und behauptet, dass die zu schwach sind... Während sie zumindest im eigenen Stadion mehr als konkurrenzfähig geworden sind. 3 Heimsiege aus 7 Spielen stehen schon zu Buche. Diese 3 Siege holte man aus den letzten 3 Heimspielen. Dazu kommt noch ein Unentschieden. Mit Union Berlin und Eintracht Frankfurt hat man auch richtige Schwergewichte besiegt. Und das Heimspiel gegen die Bayern hat man schon hinter sich. Wenn die Castroper Straße wirklich zur Festung wird, sieht es auf ein Mal gar nicht so schlecht aus. Rechner wir mal konservativ und gehen von 20 Punkten aus Heimspielen aus. 10 davon haben sie schon. Dazu haben sie schon einen Auswärtssieg. Dann wären sie bei 23 Punkten. Dann müssen sich die anderen nur noch richtig dumm anstellen, und schon ist man in der Relegation. Realistisch gesehen müsste man schon eher 30 Punkte im eigenen Stadion holen und dann hoffen, dass auswärts noch ein paar Brotkrümel abfallen.

Aber ich sage das mal so: Die Mainzer haben in der letzten Saison genau so gemacht: Mit 35 Punkten aus Heimspielen den Klassenerhalt gesichert, obwohl man sich auswärts wie ein Absteiger präsentiert hat. Es wäre nicht das erste Mal.

Da kann man sich jetzt fragen, ob es gut für die Bochumer ist, dass sie mit einem absoluten 6 Punkte Heimspiel ins neue Jahr starten. Denn auch die Hertha, die am Wochenende zu Gast ist, hat sich wieder im Abstiegskampf eingereiht. Das ist jetzt eine dieser Vereine, die den Begriff wörtlich nehmen, anstatt sich auf den Kampf um den Klassenerhalt zu konzentrieren. Was halt wirklich faszinierend ist: Selbst Fredi Bobic schafft es nicht, diesen Verein in die richtige Richtung zu bewegen! Der hat doch in Frankfurt endgültig nachgewiesen, dass er das kann. Und auch wenn es sich in Stuttgart niemand eingestehen will, war die Entlassung von Bobic im Jahr 2014 der erste Schritt in Richtung Zweite Liga.

Jetzt kommt Bobic aber mit dem zusätzlichen Problem, dass sich alle ständig fragen werden, ob und wann er den Platz von Rudi Völler einnimmt. Denn der will ja, wie immer, nach dem wichtigen Turnier zu Bayer Leverkusen zurückkehren. Das bedeutet dann 2 Jahre voller Spekulationen um Bobic. Und die Frage, wie man miteinander umgeht, falls die Entscheidung für den DFB ausfällt. Das sind jetzt keine guten Voraussetzungen, um in einem eh schon unruhigen Umfeld vernünftig zu arbeiten. Gerade, wo man ja als Manager eigentlich immer auch ein Auge auf die langfristigen Planungen werfen sollte. Die Frage, ob die Berliner im Abstiegskampf bleiben, wird am Ende nicht auf dem Platz beantwortet, sondern im Umfeld.

Am Ende muss man von Glück reden, dass ein Nicht-Transfer so richtig eingeschlagen hat. Also das Dodi Lukebakio sich nach all den enttäuschenden Jahren seit seinem Auftakt in Düsseldorf nochmal fangen würde und 7 Tore in 14 Spielen erzielt, hätte ich nicht gedacht. Wo die Hertha ohne sein Comeback stehen würde, will sich dort niemand ausrechnen.

Bleibt der VfB Stuttgart, der sich dieselbe Frage wie letzte Saison stellen muss: Wann machen die Talente den entscheidenden Schritt nach vorne? Der Kader hat von allen Kandidaten da unten das größte Potenzial. Aber diese Möglichkeiten schlummern halt in den Beinen von U23 Spielern. Der Kader ist im Schnitt 22,9 Jahre alt. Das ist mit Abstand die jüngste Mannschaft. Also die 1,4 Jahre, die Stuttgart vom VfL Wolfsburg trennen, sind genau so viel, wie der Abstand zwischen der 2. und der Hertha, die die 5. älteste Mannschaft aufstellen. All die Daten kommen via Transfermarkt.de. Selbst die erfahrenen Führungsspieler wie Mavropanos oder Müller sind zarte 25 Jahre alt. Endu ist der einzige Stammspieler, der dem Tod schon gelassen entgegensehen kann... er wird jedenfalls älter als Curt Kobain. Keiner der Spieler im Kader ist schon jenseits der 30. Das sind schon völlig wahnsinnige Zahlen. Ich frage mich ernsthaft, ob es jemals einen derart jungen Kader in der Bundesligageschichte gegeben hat.

Jetzt hat man sich dafür entschieden, diese Talente in die Hände eines absoluten Realos zu übergeben: Bruno Labbadia. Das ist halt einer dieser Trainer, die kurzfristig deine Probleme lösen können, aber er hat es noch nie geschafft langfristig eine Mannschaft zu entwickeln. Diese Personalie stellt damit eine 180 Grad Wende dar. Fehlt nur noch, dass man sich einen dreißigjährigen Veteranen für die Abwehr holt, der den Kids zeigt, wie man den Laden zusammenhält.

Und das ist ja per se auch nicht falsch. Also ein Abstieg ist halt definitiv richtig teuer. Und er würde auch nur dazu führen, dass all die Talente sofort und weit unter dem Marktwert weggehen. Aber die Frage bleibt doch, ob man sich damit nicht langfristig für den Abstiegskampf entschieden hat. 

Bleibt der FC Augsburg. Also eigentlich der designierte Absteiger. Das sind sie aber immer. Die landen doch bei jeder Saisonvorschau auf einem der letzten 3 Plätze. Aber die sind halt das exakte Gegenteil vom VfB Stuttgart. Denn sein wir ehrlich: Der einzigen Spieler der Augsburger Vereinsgeschichte, der vielleicht mal zu höheren berufen waren, waren Ulrich Biesinger und Ricardo Pepi. Der eine war Weltmeister ohne Einsatz, das andere Projekt ist grandios gescheitert. (Und ja, Hartmut Haller hat erst für den FC Augsburg gespielt, als er alt und damit nicht mehr zu höherem berufen war.)

Augsburg sammelt halt Spieler, deren persönliches Leistungslimit im Bundesligakeller angesiedelt ist. Und dann schaffen sie es konstant, dass diese Spieler dieses Limit auch erreichen. So steht man auch fast immer mit unten drin, schafft es aber jedes Jahr drei Mannschaften hinter sich zu lassen.

In mittlerweile 11 Jahren Bundesliga landete man 2-mal auf einem einstelligen Tabellenplatz. Im Schnitt wurde man 12,3ter. Und man holt, abgesehen von den 2 Ausreißern in 2014 und 2015 zwischen 33 und 41 Punkten. Die Konstanz, mit denen man diese Punktlandungen gerade in den letzten 7 Jahren abliefert, ist einfach beeindruckend. Wird es den FC Augsburg irgendwann erwischen? Wahrscheinlich, es muss ja nur ein Mal nicht alles nach Plan laufen. Und der Plan beinhaltet halt auch, dass sich irgendjemand anderes verdammt dumm anstellt. Aber es empfiehlt sich einfach nicht, auf diesen Abstieg zu wetten, weil man in den Jahren, bevor dieser Fall eintritt, so viel Geld versandet ist, dass man die Investition nicht wieder reinbekommt.

Aktuell liegt die Quote bei 2,2, was anscheinend auch nur bedeutet, dass die Abstiegswahrscheinlichkeit bei 45 % liegt. Sie haben schon wesentlich schlechtere Voraussetzungen gehabt und die Klasse trotzdem gehalten.

Deswegen lege ich mich mal fest: Bochum und Schalke steigen direkt ab. Bochum wird uns aber zumindest die Illusion eines spannenden Abstiegskampfes geben, womit ich im Oktober nicht gerechnet hätte. Und die Hertha rettet sich nach Elfmeterschießen gegen den Hamburger SV in der Relegation. Die dann wieder heulen werden, wie unverdient das doch war, dass sie in die Relegation mussten.

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