Ernsthaft? Hat es eigentlich irgendjemanden überrascht, dass der VfL Bochum gegen Borussia Dortmund gepunktet hat? Selbst dem Kicker ist aufgefallen, dass der Tabellenführer dieses Jahr, um nur etwas zu übertreiben, so gut wie nie gewinnt. Zumindest, wenn es sich nicht um den FC Bayern handelt. Oder Union Berlin. Es ist wieder mal der Nachweis, dass es nur eine Variante gibt, wie der Rekordmeister den Titel nicht schon wieder holt: Wenn sie am 34. Spieltag patzen.
Lustigerweise führt der Kicker auch aus, dass Borussia auch ihre Tabellenführung in der Saison 2019/20 sofort wieder verspielte. Aber selbst die kriegen ja nicht raus, wann Dortmund das letzte Mal eine Tabellenführung verteidigt hat. Wobei das gar nicht sooo schwierig ist, es war am 2. Spieltag der bereits angesprochenen Saison.
Das eigentlich Traurige ist ja, dass die Borussen jetzt die Schuld bei dem Schiedsrichter suchen können, weil sie ja 3 Mal krass benachteiligt wurden. Ok, alle sachlichen Kritiker sprechen nur von einem Vorfall, aber wer will schon sachlich auf die Dinge gucken.
Aber das ist der größte Teil des Problems: Dortmund Vorstandsabteilung sehen sich hinterher als großes Opfer, weil sie Fehlentscheidungen sehen, wo gar keine waren. Und dann fragt Sebastian Kehl sich, was hier wohl los wäre, wenn das dem FC Bayern passiert wäre... Worauf der Kommentator eiskalt mit "Vielleicht hätte er ein Tor mehr geschossen." antwortet. Vielleicht? Eher wahrscheinlich.
Denn man muss auch einfach mal festhalten: bei einem Abstiegskandidaten musst du auch trotz einer krassen Fehlentscheidung gegen dich gewinnen, wenn du Meister werden willst. Und das eigentliche Problem war halt, dass von den Dortmundern in Halbzeit 2 viel zu wenig kam. Manuel Riemann musste in Halbzeit 2 halt nur 2 Bälle abwehren. Das ist viel zu wenig. Es ist ja nicht so, dass man an einem herausragenden Torhüter gescheitert ist, sondern man hat es nicht geschafft einen im besten Falle durchschnittlichen Torwart wirklich zu fordern. Man hat sich gegen die schlechteste Abwehr der Liga viel zu wenige Großchancen erspielt. Und das ist das eigentliche Problem. Damit müsste man sich viel mehr beschäftigen.
Aber dass die Dortmunder auf 3 krasse Fehlentscheidungen gesehen haben wollen... macht das Spiel zu einem Lehrbuchbeispiel für die Challenges. Gebt einfach jeder Mannschaft 2 Mal pro Spiel die Gelegenheit, eine Fehlentscheidung zu überprüfen. Wenn sie beide Male recht behalten hat, bekommen sie noch eine dritte Chance. Dafür wird der Kölner Keller abgeschafft, denn der Schiedsrichter geht dann ja eh auf Wunsch in die Review Area. Das würde ALLE VAR Probleme lösen.
Und man könnte anhand des Lehrbuchbeispiels Dortmund auch erklären, wie eklatant es sich auswirken kann, wenn man wegen angeblicher Ungerechtigkeiten seine Challenges wegwirft. Also Dortmund hätte ja anscheinend den Zweikampf vor dem 1:0 zwischen Hofmann und Can überprüfen lassen. Anstatt dies mit 180er-Puls und wahrscheinlich feuchter Aussprache zu machen, könnte Erdin Terzic das dann aber in aller Ruhe vermitteln: Hey, wir haben das so gesehen, gucke dir das mal an. Was alleine schon für einen wesentlich respektvolleren Umgang miteinander führen könnte, eigentlich sogar müsste.
Dann guckt sich Stegemann das Bild nochmal an und wir gehen mal von der Sportschau Analyse "Den muss man nicht pfeifen" aus. Damit zählt das Tor dann trotzdem und Dortmund hat nur noch eine Challenge. Diese verwenden sie dann natürlich für den Elfmeter, der ja auch als krasse Fehlentscheidung eingeschätzt wurde. Also von allen Beteiligten inklusive des Schiedsrichters. Nun verschießt Dortmund diesen Elfmeter aber, um das Gedankenexperiment fortzuführen. Und weil Elfmeter abwehren das einzige ist, was Riemann wirklich beherrscht. Vor allem müssen wir halt mit einem 1:1 in das letzte Handspiel gehen. Da kann der BvB dann keine Challenge mehr fordern, weil sie das ja beim ersten Versuch verspielt haben. Die Dortmunder würden dann lernen, dass man seine Möglichkeiten nicht leichtsinnig wegwerfen sollten und würden das nächste Mal vielleicht sachlicher auf die entsprechenden Szenen gucken.
Wenn man dann noch hinzufügt, dass jedes "Der Spieler rennt mit Schaum vorm Mund zum Schiri" von dem mit einem "Willst du das überprüfen lassen? Bist du sicher? Nein? Gut, dann geht es weiter" deeskaliert werden würde. Das ganze Spiel wäre so viel angenehmer. Ich verweise da gerne auf das olympische Beachvolleyball Turnier, wo es mir extrem aufgefallen ist, dass die Spieler*innen ganz ruhig und sachlich zu den Schiedsrichter*innen gegangen sind und ihnen erklärt haben, was sie überprüft haben wollen. Ganz ohne jegliche Aggressionen oder Beleidigungen... Und die nötige Disziplin im Umgang mit den Schiedsrichtern müssten die Trainer ihren Spielern einprügeln, sobald die ein Mal mit leichtfertigen Forderungen diese Möglichkeit verspielt haben.
Dass man darüber diskutieren sollte, ist jetzt ja selbst dem Kicker aufgefallen. Nach 5 Jahren. Großartig. Das ist ja für mich immer das enttäuschende an unseren angeblichen Fachmagazinen: Die sollten eigentlich die Vorreiter bei solchen Diskussionen sein. Dasselbe betrifft ja auch das Handspiel, wo ich seit Jahren darauf warte, dass mal jemand erwähnt, dass einen Elfmeter dafür zu vergeben einfach hart ist und man eine angemessene Strafe finden muss. Und ja, erst wenn der Schritt angegangen wird, werden wir eine Lösung für die Handspielproblematik finden. Aber das eigentliche Problem wird ja von niemanden benannt, deswegen kann man da auch nicht an Lösungen arbeiten.
Auch bei neuen Ansätzen zum VAR müsste da eigentlich viel früher viel mehr kommen als ein "Die Regelhüter der Fifa wollen das eh nicht, deswegen müssen wir uns keine Gedanken machen." Amerikanische Medien können das nebenbei, auch wenn da nicht immer alles so ernst gemeint ist. Aber demonstrativ diskutiert TheRinger.com hier darüber, ob die NFL ihre Draftregeln ändern sollte. Also nur als aktuelles Beispiel.
Wann hat der Kicker das letzte Mal irgendeine derartige Diskussion losgetreten? Oder federführend geführt? Das muss Jahre her sein. Die verwalten halt auch nur den Status Quo und feiern sich dann ein Mal im Jahr, weil sie das eine Mal beim beinah Konkurs von Borussia Dortmund wirklich investigativen Journalismus betrieben haben. Und das wollen die Besten sein, die wir haben.
Der "So funktionieren Challenges bei anderen Sportarten, das sind die Auswirkungen und so könnte man das im Fußball implementieren" Artikel hätte man vor 3 Jahren schreiben müssen. Und dann verweist man immer wieder darauf, wenn es mal wieder Probleme gibt und erwähnt, dass ein Challenge System diese Situation einwandfrei gelöst hätte. Denn es ist ja seit 3 Jahren offensichtlich, dass das mit dem VAR so nicht funktionieren wird. Stattdessen wartet man darauf, dass so ein VAR-Fehler eventuell die Meisterschaft entscheidet und macht dann wenigstens mal eine Umfrage zu dem Thema. Man rennt halt nur hinterher, anstatt vorzudenken.
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