Nun also doch. Also jetzt erreicht der Krieg auch diesen Blog. Man kann es halt einfach nicht ignorieren. Ist halt in Europa und nicht in Afrika, da kann man dann nicht so einfach wegschauen. Da muss es Konsequenzen geben.
Und ja, dass was da in der Ukraine passiert ist schrecklich und verurteilenswert. Und Fuck Putin. Wobei ich ja eigentlich aus der "Fick nicht die Welt, sondern schwänger sie" Position komme... Dabei sollte man aber bedenken: Die Menschen in Jemen oder Äthiopien nennen das Dienstag. Wenn man aber aus Jemen in die Ukraine geflüchtet ist und jetzt aus guten Gründen vor der polnischen Grenze steht, knallen einem die guten Christen die Stalltür vor der Nase ins Gesicht. Also nur um mal ganz genau festzuhalten, wie weit unsere europäische Solidarität geht...
Aber lasst uns mal erörtern, wie der Sport und insbesondere der Fußball auf diesen Krieg reagiert und was wir daraus lernen können. Und fangen wir RB Leipzig an. Denn die haben ja das ganz große Los gezogen und sollten mitten im Krieg nach Russland fliegen. Gute Idee. Das wurde dann aber wenig überraschend abgesagt und RB bekam doch ein Freilos.
Worauf wir aber mal im Detail achten sollten, ist die Positionierung von Oliver Mintzlaff. Der stellte nämlich gleich klar, dass er nur davon ausgeht, dass dieses Spiel nicht stattfinden wird. Und dass sich die Uefa darum kümmern wird. Das ist wirklich schade. Also warum bezieht man da nicht klar und eindeutig Stellung: Da wird ein völkerrechtswidriger Krieg geführt, gegen russische Mannschaften können und wollen wir deswegen derzeit nicht spielen. Wenn die Uefa uns dafür bestraft und wir deswegen ausscheiden, dann ist das so.
Aber das ist ja das Grundproblem: Wir wollen alle Sanktionen gegen Russland sehen, aber diese Sanktionen dürfen uns nicht beeinträchtigen. Wenn wir selber deswegen finanzielle Einbußen hinnehmen müssten, finden wir uns doch Möglichkeiten uns mit den Gegebenheiten zu arrangieren. Deswegen wurde ja auch an Nordstream 2 solange festgehalten. Und auch RB weigerte sich eine "Wir sind auch dagegen, wenn es uns schadet" Haltung einzunehmen.
Nur um mal festzuhalten, dass das möglich wäre: Sebastian Vettel hat schon vor der offiziellen Absage angekündigt, dass er nicht für einen Grand Prix nach Russland reisen wird. Das geht also durchaus, man muss nur wollen.
Und ja, man muss an der Stelle auch festhalten, dass dies nicht Russlands, sondern Putins Krieg ist. Dass es keinen Grund gibt, eine Hetzjagd auf Russen im Allgemeinen zu starten. Dummerweise ist aber auch genau das, was passieren würde, wenn russische Mannschaft jetzt an internationalen Spielen teilnehmen würde. Die Stimmung im Stadion wäre im besten Fall vergiftet. Im schlimmsten Fall nutzen bekloppte und betrunkene Fans die Gelegenheit, ihren Hass an den russischen Athleten auszulassen. Es würde verdammt hässlich werden und es gibt keinen Grund das den Spielern anzutun. Und es müssen ja nicht mal die Fans im Stadion sein, es reicht ja, wenn militante Friedensdemonstranten den Bus auf dem Weg ins Stadion blockieren und mit Steinen bewerfen.
Das nächste Problem ist doch: Der Schritt von russischen Fußballvereinen zu Putin ist meist erschreckend klein. Denn die gehören ja im Wesentlichen genau den Oligarchen, auf die wir jetzt die größten Hoffnungen setzen, dass die Putin stürzen. Aber die sind ja nur Oligarchen, weil sie Putin jahrelang unterstützt haben. Also nehmen wir mal demonstrativ, weil er der bekannteste Name ist und jetzt die Kontrolle über Chelsea London abgeben musste, Roman Abramowitch. Der ist ja nur in die Position gekommen sich Chelski zu leisten, weil er sich mit Putin gut gestellt hat.
Und, um den Bogen zum anderen großen Thema zu schlagen, es gibt halt auch gute Gründe, warum es Bilder von Clemens Tönnies und Wladimir Putin gibt. Und warum Tönnies uns erzählt hat, was für ein cooler Typ Putin ist. Denn wer mit Gazprom verhandelt, verhandelt beinah direkt mit Putin. Aber die gute Nachricht für alle Schalker: Man muss sich jetzt nicht mehr fragen, wer auf diesem Bild das größere Arschloch ist.
Dabei ist es sehr lobenswert, dass Schalke die Zusammenarbeit mit Gazprom einseitig aufkündigt. Die machen jetzt genau das, was Leipzig vermieden hat: Sie positionieren sich, auch wenn es weh tut. Und wir reden hier von Schalke, die echt nicht in der Position sind, finanzielle Einbußen hinzunehmen.
Aber jetzt springen wir den Helden von Schalke sofort zur Seite. Also der Boss des größten Rivalen bringt direkt Hilfspakete für Schalke ins Gespräch. Ähm... wäre es nicht sinnvoller, die Gelder an Menschen in Krisengebieten zu spenden? Also vor allem, weil Schalke ja auch bekannt dafür ist, derartige Gelder zu verbrennen. Wenn es ein gut geführter Verein wäre, könnte man darüber reden, aber dann wären sie halt auch nicht in dieser Position.
Obwohl... selbst dann. Also wisst ihr, was mit einem beliebigen Regionalligisten passiert, wenn der Hauptsponsor Konkurs anmeldet, wofür man als Verein ja nun wirklich nichts kann? Diese Mannschaft verliert dann die Lizenz. Aber Schalke müssen wir retten.
Dabei haben die freiwillig einen Deal mit dem Teufel abgeschlossen. Also es ist ja nicht so, dass Putin überraschend und über Nacht zum Arschloch geworden. Der war schon immer ein Systemkritiker ermordender und Schwulen hassender Diktator. Die einzige wirkliche Überraschung ist es doch, dass Putin jetzt wirklich durchzieht, womit er seit Jahren droht.
Schalke hat den Vertrag mit Gazprom im April 2021 verlängert. Da war die Krim schon ein paar Jahre besetzt und die Russen ließen einen Bürgerkrieg in der Ost-Ukraine führen. Und ein gewisser Nawalny hat da bereits seine Haftstrafe in einem Arbeitslager angetreten. Und das, obwohl Nawalny die militärischen Aktionen von Putin an sich gut findet. Oh ja, der Typ, den wir hier für den größten Freiheitskämpfer in Russland halten ist auch ein richtiger Nationalist und würde gerne Georgier deportieren. Ich nenne den Namen ja auch nur, weil er das bekannteste Beispiel ist. Aber er ist ja bestimmt nur ein bedauerlicher Einzelfall.
Jedenfalls gab es auch schon im Frühjahr 2021 gute Gründe, die Zusammenarbeit zu beenden, aber stattdessen wurde sie ausgeweitet. Und Schalke war 2007 halt buchstäblich der Steigbügelhalter für Gazprom. Also, die wollten unbedingt in den europäischen Markt und mussten ihr Image aufpolieren. Die richtig Großen wollten aber nichts mit denen zu tun haben. Also stieg man so hoch wie möglich ein und das war halt Schalke. Denn den Schalkern ging es damals schon so schlecht, dass die moralischen Bedenken bei diesem Deal in den Hintergrund treten mussten. Aber die spielten immerhin halbwegs regelmäßig Champions League. Und siehe da, 5 Jahre nachdem Schalke Einstieg wurden sie Sponsor der Champions League und das Logo war plötzlich überall. Und GENAU DAS war ja das Ziel von denen. Seit dem sind die überall präsent und auch Großsponsor der Europameisterschaften. Und ja, noch vor 7 Tagen wurde darüber diskutiert, ob Gazprom bei "unserer EM 2024" als Großsponsor auftreten darf.
Das Geld dafür hatten sie schon immer. Die Reputation dafür haben sie sich auf Schalke erworben. Und Schalke hätte davon auch sehr gut leben können. Aber es war auch immer offensichtlich, dass das ziemliche Arschlöcher sind...
Andererseits... reden wir von einem Verein, der seine Meisterschaften in der Nazizeit errungen hat... Sich mit menschenverachtenden Machthabern zu arrangieren, liegt vielleicht auch einfach in deren Blut.
Aber jetzt so zu tun, als hätte man das, was wir alle wussten, nicht mal ahnen können. Hier ein theoretisches Beispiel: Wenn jetzt spontan der Wirkstoff von Energy-Drinks zur Droge erklärt und kriminalisiert wird. Irgendwas muss ja das Cannabis ersetzen, wir können die ganzen Drogenfahnder ja nicht arbeitslos machen. Obwohl mir die Hunde, die das dann erschnüffeln müssen, noch mehr leidtun, als jetzt. Aber gebt schon mal die "Taurin ist kein Brokkoli" T-Shirts in Auftrag. Und das klingt ziemlich absurd, bis einem bewusst wird, dass das Coca in der Cola wirklich mal für Kokain stand.
Wenn jetzt jedenfalls das Geschäftsmodell von RedBull über Nacht abgeschafft wird, Dietrich Mateschitz in den Drogenuntergrund gehen muss und das gesamte Konstrukt in Leipzig zusammenbrechen würde, käme auch keiner auf die Idee, die zu retten. Also kein anderer Bundesligist, ein neuer Investor würde sich finden lassen. Alle würden sagen: Ihr wusstet, worauf ihr euch einlasst, wenn ihr euch in die totale Abhängigkeit eines einzigen Unternehmens begebt... das ist jetzt euer Problem.
Oder, viel unrealistisches Szenario, weil es ums Öl geht: wenn wir jetzt die ganzen Ölscheiche für ihre Verbrechen am Menschenrecht und die Kriege, die die so führen lassen, vom SWIFT System ausschließen und plötzlich die Hälfte der Finanziers der Premiere League pleite sind... Da würde doch auch niemand zucken. Ihr wusstet, dass ihr unmoralisches Geld annimmt. Jetzt lebt mit den Konsequenzen.
An der Stelle muss ich nochmal auf meinen "Am Ende ist doch alles Geld dreckig" Beitrag hinweisen, obwohl der noch gar nicht so alt ist. Aber wenn ich dieses dreckige Geld nutze, um mir meinen sportlichen Erfolg aufzubauen, muss ich auch mit den Konsequenzen leben. Dann kann ich nicht plötzlich auf die Solidarität und das am Ende ein wenig weniger dreckige Geld der anderen Vereine hoffen.
Also ich könnte nicht, Schalke kann, weil die sich nie ernsthaft vorwerfen lassen mussten, dass sie mit Putin ins Bett gehen.
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