Mittwoch, 2. Januar 2019

Das ausgerechnet Rudi Völler meinen Blog liest

Dabei kritisiere ich den doch fast so häufig wie Karlheinz Rummenigge...
Ok, wahrscheinlicher ist, dass die neue Generation bei Bayer um Simon Rolfes und vor allem Fernando Carro. Es ist nebenbei auch minimal faszinierend, dass Bayer immer wieder diese ziemlich unbekannten Typen ohne offensichtliche Bindung zum Fußball findet, die dann im Hinter- oder Vordergrund arbeiten. Also genau genommen angefangen bei Raimund Calmund, von dem man eigentlich nur weiß, dass er vor seiner Zeit bei Bayer mal schlank war... Gefolgt von Namen wie Michael Reschke und Jonas Boldt. Und jetzt ist es halt (falls das der richtige Name ist) Carro. Auch wenn man dessen Namen echt googlen muss.

Aber eigentlich geht es ja um die Entlassung von Heiko Herrlich: Leverkusen hat anscheinend tatsächlich beschlossen, dass man nach der Hinrunde ein Fazit ziehen will und sich dann zum Trainer positioniert. Was... genau genommen nur wenige Stunden dauerte, denn am Morgen nach dem 17. Spieltag wurde er bereits entlassen. Völlig absurd wird es dann, wenn sein Nachfolger bereits am selben Tag vorgestellt wird... Leverkusen hat also definitiv schon vor dem 17. Spieltag sehr konkret mit Herrlichs Nachfolger verhandelt... das ist ja für mich immer der Punkt, an dem man sich von Trainer trennen sollte... Also das ist halt, als würde man bereits mit seiner nächsten Freundin schlafen, aber abends nach Hause kommen und seiner aktuellen Lebensgefährtin vorgaukeln, dass ja alles in Ordnung sei. Nennt mich altmodisch, aber so was gehört sich einfach nicht.

Wenn Leverkusen sich nach dem Hinrundenfinale wirklich zu einer gründlichen (und gemeinsamen) Analyse verabredet hätte, wäre Herrlich erst am 27. oder 28. entlassen worden. So wurde die Entscheidung noch mal kurz diskutiert (wenn überhaupt) und vor allem abgenickt. 
Die Entlassung erinnerte schon sehr stark an den "Black Monday" in der NFL, wo auch spätestens am Tag nach dem letzten Saisonspiel und immer nach "gründlicher Analyse" die Trainer reihenweise entlassen werden. Und Leverkusen hat dieses Konzept halt 1:1 übernommen. Schließlich dürfte Herrlich der erste nicht-Schalke Trainer der Bundesligageschichte sein, der nach 2 Siegen in Folge (und 4 Siegen aus den letzten 5 Pflichtspielen) entlassen worden ist. So was macht sonst nur Clemens Tönnies...

Sachlich gesehen ist diese Entscheidung trotzdem nachvollziehbar. Denn das einzige Talent, welches diese Saison einen wirklichen Schritt nach vorne gemacht hat, ist Kai Havertz... während Leon Baily, Julian Brandt, Jonathan Tah und Tim Jedvaj eher stagnieren. Wenn überhaupt. Dazu kommt Wendell, der sich unter Herrlich eher zurück entwickelt hat... und Benjamin Henrichs, mit dem Herrlich so wenig anfangen konnte, dass er an den AS Monaco verkauft werden musste.
Um das mal zu verdeutlichen: Bayer Leverkusen musste ein Talent, welches bereits für die Deutsche A-Nationalmannschaft gespielt hat, gehen lassen. Und zwar nicht, weil die Großen ein Auge auf ihn geworfen hat, sondern weil der Trainer keine Verwendung für ihn hatte. Das war genau der Moment, in dem einem hätte auffallen können, dass Herrlich zum Problem wird.

Denn Leverkusen existiert als Verein nur (abgesehen davon, dass sie als Traditionsverein die meisten Olympiasieger Deutschlands ausgebildet haben), um Talente aus- oder weiterzubilden... und sie dann bevorzugt an den FC Bayern zu verkaufen. Selbst bei ihren Managern funktioniert das genau so... (Ernsthaft, würde es irgendjemanden überraschen, wenn Boldt in München unterschreiben sollte?) Wenn man jetzt einen Trainer hat, der bei 4 von 5 Talenten an genau dieser Weiterbildung scheitert. Dazu war von Paulinho bisher nichts zu sehen. Und einige dieser Talente gelten als Sichere Anlage. Also Brandt war der einzige Lichtblick bei der WM und damit in der Poleposition für die Özil-Nachfolge als Fixpunkt beim Neuaufbau. Leon Baily sollte spätestens nächsten Sommer für 40+X Millionen nach England verkauft werden. Und spätestens dann sollte Paulinho so weit sein, dass man keinen Nachfolger für teures Geld holen muss. Nichts von dem ist passiert. Da muss man schon gar nicht mehr auf die Tabelle gucken um zu merken, dass das Ergebnis der Analyse nicht gut ausfallen kann.

So sehr man also den Progressiven und vom Tagesereignissen abgekoppelten Ansatz loben muss, der ja bereits bei Roger Schmidt angewendet worden ist, so zeigt er am Ende doch ein strukturelles Problem bei Bayer. Denn effektiv muss die Entscheidung Herrlich im Winter idealer Weise durch Peter Bosz zu ersetzen bereits vor dem 8.12. gefallen sein. Also dem Tag, an dem Bayer seine "Siegesserie" begann. Und wenn man Herrlich nach einem 1:1 beim hoffnungslos überforderten Tabellenletzten entlassen hätte, wäre das auch nachvollziehbar gewesen. Und auch das Rudi Völler Interview vom 20.12. belegt im Nachhinein nur, dass die Entscheidung bereits getroffen worden ist. Völler hatte halt den kurzen Strohhalm gezogen und musste die "Wir wissen es, können aber dazu nichts sagen" Haltung dann nach außen verkaufen. Dafür ist er halt das Gesicht von Bayer 04 Leverkusen. Und es ist eines dieser Interviews, bei denen man nur schlecht aussehen kann.

Aber dass man es sich dieses Jahr leisten kann den Trainerwechsel im Zweifelsfall in Ruhe durchzuführen, wurde hier am Beispiel Domenico Tedesco ausführlich erörtert. Leverkusen hat sich dieselben Fragen gestellt und kam zu dem Schluss, dass man den Trainer wechseln muss. Auf Schalke kam man zu einem anderen Ergebnis beides ist legitim. Dass Herrlich den Krisengipfel der Jungtrainer gewann und trotzdem entlassen wurde, während der Verlierer weiterarbeiten darf, ist nebenbei absurd.

Dennoch ist die Haltung, dass man den neuen Trainer in der Winterpause mit eigener kleiner Vorbereitung starten lässt, durchaus vernünftig. Es ist quasi ein ideales Szenario. Gerade, wenn man einen "Konzepttrainer" wie Peter Bosz verpflichten will. Hier zeigt sich aber ein strukturelles Problem, welches Bayer sich geschaffen hat, das aber von keinem angesprochen wird: Man musste den eigentlich schon entlassenen weiter wurschteln lassen, um Bosz diesen Einstieg zu ermöglichen, denn die Optionen als Interimstrainer hießen... Jupp Heynckes (als würde der nochmal ans Telefon gehen...), Markus von Ahlen und Iraklis Metaxa. Die letzten beiden sagen euch nichts, aber es sind halt die U19 Trainer, die auf Transfermarkt.de angegeben werden. Und einen U23 Trainer... hat man halt nicht, weil man die 2. Mannschaft abgemeldet hat.

Und natürlich sind die 2. Mannschaften immer die Mittelkinder, um die sich keiner kümmern will. Die personifizierte Beschäftigungstherapie für verdiente Vereinsikonen. Aber sie ist halt auch die Schnittstelle zwischen Jugendarbeit und Männerfußball.
Und dass dann der verdiente Ex-Spieler, der bisher die 2. trainiert hat, als Iterimstrainer die Profis Interimsweise übernimmt, war früher genau der Standartweg um Bundesligatrainer zu werden. Und wenn es halt nicht klappte, rückte man ohne größeren Schaden zurück ins 2. Glied. Falls man das nicht sowieso immer so geplant hat, weil man ja nur seinen Ruhestand finanzieren will und eine ruhige Beschäftigung sucht, aber gar nicht ernsthaft die Ambitionen hat ins Profigeschäft zurückzukehren...

Wenn Leverkusen einen grundsoliden, im Verein integrierten und im Herrenfußball erfahrenen Trainer in der Hinterhand gehabt hätten, hätten sie sich das unwürdige Theater ersparen können. Und sie hätten ihre Kronjuwelen nicht mehr unter einen Übungsleiter arbeiten lassen, dem man nicht mehr vertraute. Aber man wollte ja die 600.000 Euro im Jahr sparen.
Natürlich hat man am Ende das Glück gehabt, dass Herrlich noch die 4 Siege aus 5 Spielen holte, anstatt wirklich unter reinzurutschen. Deswegen musste man sich auch nicht mit dem Szenario, dass Bosz als Feuerwehrmann sofort einsteigen muss und seine 2 Auftaktspiele in einer englischen Woche verliert, auseinander setzen. Aber das war halt auch reines Glück, auf das man sich nicht verlassen sollte.

Es ist halt faszinierend, wie eine 2014 getroffene Entscheidung auf ein Mal auf die aktuelle Saison Einfluss nehmen könnte.

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