Und wisst ihr was: Das ist gut und vernünftig so.
Also klar, meine erste Reaktion, als der 1.FC Magdeburg Michael Oenning als neuen Chef vorstellte, war: Die müssen verzweifelt sein. Ungefähr so verzweifelt, wie Jan Kirchhoff, der als ehemaliger Bayern-Spieler (und damit Deutscher Meister) beim Tabellenvorletzten der 2. Liga unterschreibt... An der Stelle frage ich mich ja, warum sich unsere 3 designierten Kellerkinder nicht für Kirchhoff interessierten... aber Fokus...
Michael Oenning, da er ja eine Weile raus war, ist so was wie der Traumtrainer meines persönlichen All Bawful Dream Teams gewesen. Weshalb er natürlich beim Hamburger SV angestellt gewesen ist. Er hat so ziemlich die schlechteste Bilanz aller Trainer, die nicht nur interimsweise angestellt gewesen sind, weil er mit Nürnberg seine eine Hinrunde mit 3 Siegen aus 17 Spielen beendete. Und dann mit dem bereits angesprochenen Hamburger SV eine Serie von 13 sieglosen Spielen in Serie hinlegte. Was schon beeindruckend ist, wenn man bedenkt, dass er ganze 15 Spiele Cheftrainer beim HSV war... Das sind so Bilanzen, auf die selbst ein Tayfun Korkut herabschaut... Also in Nürnberg hatte er einen Punkteschnitt von 0,7, in Hamburg einen von 0,8... da ist der Aufwärtstrend doch deutlich zu erkennen...
Dennoch ist es gut, dass er wieder einen Job in Deutschland hat. Und lasst uns mal kurz klären, warum.
Zum einen dürfte Oenning an sich gearbeitet haben. Er ging ja vom HSV direkt zur Deutschen Studentenauswahl, also zurück an die Universität. Was deswegen lustig ist, weil ich damals immer behauptet habe, dass sie Oenning ja beim Buffet an der Mensa gefunden haben müssen. Danach hat er dann 2 Jahre durchaus erfolgreich (also zumindest nach dem, was so rüber geschwappt ist, urteilend) in Ungarn gearbeitet. Es ist also durchaus im Bereich des möglichen, dass Oenning mittlerweile einfach ein vernünftiger Trainer geworden ist. So was passiert.
Viel wichtiger ist aber ein anderer Grund: Nur, weil er kein guter Bundesliga Trainer ist, muss das nicht bedeuten, dass er einem Zweitligisten nicht helfen kann. Denn auch für die Trainer gilt: Nur weil es für die Bundesliga eventuell (oder noch) nicht reicht, heißt das nicht, dass man in den unteren Ligen nicht erfolgreich arbeiten kann. Also dass es quasi den "Marius Ebbers Angreifer" (Memo an mich selbst, dringend Positionsbeschreibungen fertig machen) nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben gibt.
Was eigentlich mega offensichtlich ist, aber für mich irgendwie doch eine neue Erkenntnis. Bisher ging ich irgendwie immer davon aus, dass es entweder gute oder schlechte Trainer gibt. Und dass die Guten einen steilen Karriereweg hinlegen, während die Schlechten von Verein zu Verein weiterziehen und sich dort irgendwo zwischen Retter und Notlösung durchmogeln. Was dann dazu führt, dass sie irgendwann in Liga 2 oder 3 landen... oder im Fall von Peter Neururer bei Sport1...
Dieser Ansatz erschien mir ja auch irgendwie logisch, denn im Gegensatz zum Profi wird der Trainer ja nicht durch seine physischen Grenzen eingeschränkt. Also dass es gewisse Spieler gibt, die für Liga X einfach zu langsam sind, ist das offensichtlichste Beispiel, welches von der Kreisklasse bis zur Champions League funktioniert. Aber als Trainer muss man sich doch eigentlich nur artikulieren können... und einen Trainingsplan entwickeln. Wenn man das beherrscht, sollte man es doch in allen Ligen entsprechend anwenden können... Die Realität sieht aber irgendwie anders aus...
Nehmen wir einfach mal das ultimative Beispiel für die "Marius Ebbers" Rolle an der Seitenlinie: Friedhelm Funkel. Der ist buchstäblich das perfekte Beispiel. Schließlich ist er mit 6 Aufstiegen der "Rekordaufsteiger" unter den Trainern. Ein absolut überragender Zweitligatrainer... der allerdings auch mindestens 5 Mal abgestiegen ist... Also mit Uerdingen (allein 3 Mal, laut Wikipedia), Köln und Berlin... Wie oft er am Ende abgestiegen wäre, wenn der Verein ihn nicht, auf einen Abstiegsplatz stehend, entlassen hätte, ist schwer nachzuvollziehen...
Dank seiner überragenden Arbeit in der 2. Liga schlich er sich immer wieder in die Bundesliga, stoß dort aber an seine Grenzen. Also, um das offensichtliche nicht zu verheimlichen, abgesehen von der einen Episode in Frankfurt, wo er tatsächlich ein Mal konstant Erfolg in der Bundesliga hatte. Aber auch damals dachte niemand wirklich, dass Funkel plötzlich den Riesensprung gemacht hat und zu höherem berufen wäre... nach der einvernehmlichen Vertragsauflösung ging es für ihn nicht (wie bei Niko Kovac) aufwärts, sondern er musste weiterhin darauf hoffen, dass Abstiegs- oder Aufstiegskandidaten auf seine Dienste setzten. Die Phase in Frankfurt zeigte: Unter absolut idealen Voraussetzungen kann Funkel eine Graue Maus in der Bundesliga verwalten. Wenn man sich mehr erhofft, sollte man auf andere Kandidaten setzen.
Und das ist auf keinen Fall ein Vorwurf an Funkel. Schließlich kann er, der schon als Spieler zwischen den Ligen pendelte, behaupten, dass er sein persönliches Maximum ausgereizt hat. Mehr kann man von einem Individuum nicht erwarten. Aber dieses Maximum bedeutet halt auch: Funkel ist ein sehr guter Zweitligatrainer... und ein unterdurchschnittlicher Bundesligatrainer.
Und es ist ja nicht mal so, dass Funkel eine Ausnahmeerscheinung wäre. Norbert Meier fällt mir spontan als nächstes Beispiel ein. Bernd Hollerbach könnte man auch anbringen: Der war mit den Würzburger Kickers in der 3. Liga überragend, in der 2. Liga ein halbes Jahr lang gut und in der Bundesliga völlig überfordert. Vielleicht werden wir in 5 oder 6 Jahren Domenico Tedescos Vizemeister-Jahr als absolute Ausnahmesaison anerkennen, weil er langfristig halt doch nur nen Zweitligatrainer ist... und in dem einen Jahr, wo die Bundesliga nur zweitklassig war, hatte er halt Erfolg. Alexander Zorniger kann auf beachtliche Erfolge in den tieferen (oder kleineren) Ligen verweisen, in denen seine Spielphilosophie wunderbar greift, verweisen, gilt in der Budesliga aber genau so als gescheitert, wie Stale Solbakken. Peter Bosz wird jetzt nachweisen müssen, dass er nicht auch in diese Kategorie gehört. Die Liste der Trainer, die im Ausland erfolgreich waren, aber an der Bundesliga scheiterten, ist ungefähr genau so lang, wie die Liste derjenigen, die es geschafft haben. Fred Rutten, Marcell Koller und Hanspeter Latour fallen mir noch spontan ein... Es gab zwischenzeitlich so eine Phase, in der gefühlt jedes Jahr der Meistetrainer aus den Niederlanden oder der Schweiz von einem Bundesligisten als Heilsbringer verpflichtet worden ist, aber wirklich funktioniert hat das nur bei Lucien Favre...
Diese Erkenntnis ist jetzt natürlich nicht bahnbrechend revolutionär. Aber es tut mir irgendwie gut, das mal so auszusprechen. Was mich jetzt zu dem "Was lernen wir daraus?" bringt. Gute Frage.
Zunächst ist die natürlich erst Mal für die Vereine aus den tieferen Ligen interessant. Denn für die ist das "Der ist an der Bundesliga gescheitert, muss aber kein schlechter Trainer für unsere Liga sein" Phänomen die große Chance. Als ambitionierter Zweitligist ist Friedhelm Funkel der perfekte Trainer für dich. Und solche Trainer ausfindig zu machen und zu verpflichten kann ein Wendepunkt in deiner Vereinsgeschichte werden.
Dann sollten gerade die Anhänger der Bundesligisten sich in Zurückhaltung üben, wenn ihnen der Meistertrainer aus der Gurkenliga als großer Heilsbringer vorgestellt wird. Denn nur weil ihre Ideen in spielerisch und/oder taktisch limitierten Ligen funktioniert hat, bedeutet dies nicht, dass es auch in der Bundesliga funktioniert.
Das ist ja gerade doppelt spannend, wenn man sich die Bundesligarückkehr der Hamburger und Kölner anguckt. Und ja, es ist davon auszugehen, dass beide es schaffen werden. Vor allem, weil sie mit Markus Anfang und Hannes Wolf Trainer installiert haben, die nachgewiesen haben, dass sie in der 2. Liga erfolgreich arbeiten können.
Aber gerade Anfang. Nur weil der mit Kiel überraschend aufgestiegen ist und dann sensationell die Relegation erreicht hat, bedeutet dies nicht, dass er auch 2 Jahre später durch die Bundesliga marschieren wird. Es kann durchaus sein, dass seine Methoden genau dort dann an ihre Grenzen stoßen.
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