Also ungefähr in dem Zyklus, in dem Dendemann seine Alben veröffentlicht, kommt diese eine andere Sportart mit ihrer Weltmeisterschaft um die Ecke. Bevorzugt im eigenen Land, angeführt von einer erfolgreichen Deutschen Mannschaft. Und dann wird diese Weltmeisterschaft auf ein Mal im Deutschen Fernsehen übertragen (Nur so als Erinnerung: bei der letzten Handball WM stand bis kurz vor Turnierbeginn noch nicht fest, ob und wo der Spaß übertragen wird) uns die Nationalhelden bekommen die "Sie sind erfolgreich aus dem Bus ausgestiegen" Behandlungen, die sonst wirklich nur den Fußballern vorbehalten sind. (Ernsthaft, die 5 Minuten Handball WM waren nach dem Bayern - Hoffenheim Spiel genau das...)
Und dann merken wir alle kurzzeitig, wie... nun ja... beschissen unser Volkssport Nummer Eins eigentlich ist. Wie unerträglich Fußballübertragungen eigentlich geworden sind. Wie viel Zeit mit Meckern und Simulieren verbracht wird. Wie jeder einzelne Pfiff zu einer endlosen Diskussion führt. Wie jede kleine Berührung eine Behandlungspause auslöst. Und wie Fußballer bei jedem kleinen Kontakt gleich abheben.
Dann wünschen wir uns alle, dass Fußball doch ein bisschen mehr wie Handball wird... und schauen danach trotzdem weiter den beschissenen Fußball, während die Vorbilder in der Belanglosigkeit verschwinden.
Also es wird jetzt nicht, was die konsequente Entscheidung wäre, in den ersten 20 Minuten der Samstags-Sportschau Handball-Zusammenfassungen geben... die werden weiterhin die 3. Liga und Premiere League Zusammenschnitte zeigen. Und sie werden weiterhin lieber einen Bundesligisten bei einem Amateurverein im DFB-Pokal zeigen, anstatt sich dort zurückzuziehen und lieber Handball zu zeigen... obwohl uns allen bewusst ist, dass Fußballspiele Live kaum zu ertragen sind.
Und das ist aus ARD Sicht ja auch richtig so, denn der Aufschrei der Massen wäre extrem. Wir wollen halt nur, dass der Fußball ein wenig mehr wie Handball wird, aber wir wollen auf keinen Fall, dass es auf den Weg dahin weniger Fußball gibt. Oder das der Fußball sich wirklich verändert. Dabei wäre das, für uns als Konsumenten, die einzige Variante auf deren Verhalten einzuwirken.
Dazu kommt natürlich noch das ganz andere Problem, über das keiner Reden will: Der Simulant auf Zimmer 3 ist gestorben... jetzt übertreibt er es aber. Also Neymar gilt ja immer als der offensichtliche Sündenfall des Fußballs. Gefühlt wurde ja während der gesamten Fußball-WM nur darüber geredet, wie oft der Junge am Boden lag. Worüber dann aber keiner berichtet: Er musste halt auch schon eine Wirbelverletzung und einen Mittelfußbruch behandeln lassen. Das eine kostete ihn das Halbfinale und das andere fast die WM. Jetzt brach er sich, nach einem erneuten Foulspiel, wieder den Mittelfuß und verpasst wichtige Champions League Spiele...
Natürlich übertreibt Neymar es mit seinen Einlagen. Aber wenn nicht abspringt, brechen sie ihm halt die Beine. Und wenn er nicht liegen bleibt, werden die Spieler nicht verwarnt und machen weiterhin Jagd auf ihn... Und wenn Fußball so wie Handball gepfiffen werden würde, würde sich Neymar in jedem zweiten Spiel was brechen. Das kann ja auch nicht die Lösung sein.
Um da mal einen Interessanten Gedanken in den Raum zu werfen, den ich aber nicht wirklich belegen kann: Hat der Handball vielleicht auch einfachere Voraussetzungen um seine Regeln durchzusetzen? Also der Durchschnittliche Handballspieler ist halt ein 1,90 Baum. Die Kaderlisten der Favoriten haben halt immer einen Spieler um die 1,85 und einen um die 2,03. Der Rest bewegt sich recht homogen dazwischen. Das also, was im Fußball völlig normal ist, ein 1,70 Fliegengewicht wie Lionel Messi oder Neymar sich mit einen 1,90 Brocken wie Gerard Piqué oder Raphael Varane messen muss, passiert einem in der Form beim Handball einfach nicht. Und der Fußball Sport als ganzes muss irgendwie Regeln erschaffen und diese Umsetzen, in denen beide Spielertypen sich miteinander messen können. Denn das macht den Sport ja auch irgendwie aus. Einschub Ende.
Ich finde es immer faszinierend, dass die Schuld für die Zustände beim Fußball auf die Spieler geschoben wird. Das ist ein bisschen, als würde man einen Politiker Populismus vorwerfen... Genau genommen machen die doch einfach nur ihren Job. Und als Profis müssen sie ihre Möglichkeiten auch ausnutzen. Und wenn sie die eigentlich verbotenen Möglichkeiten ungestraft nutzen dürfen, dann machen sie das halt. Solange, bis die Regelhüter (oder der Endkonsument) diese Betrugsversuche nicht mehr erträgt. Und zwar auf beiden Seiten des Balles.
Also die Verteidiger werden Neymar treten, bis sie verwarnt worden sind und Neymar wird versuchen, denen Gelbe Karten zu schinden um seine Knochen zu schonen. Die spannende Frage ist: warum brauchen die Schiedsrichter eigentlich die dreichfach eingesprungene Tim Wiese Rolle um die Foulspieler angemessen zu bestrafen? Warum lassen sich die Schiedsrichter all die Diskussionen und all das Zeitspiel gefallen, anstatt es angemessen zu sanktionieren? Anders ausgedrückt: Wenn man die Fußballschiedsrichter Handballspiele pfeifen lassen würde, würde der Sport genau so verkommen, wie es dem Fußball passiert ist.
Aber die Schuld alleine beim Schiedsrichter zu suchen, ist auch zu kurz gegriffen. Denn die kriegen ihre Anweisungen ja von der Fifa oder dem DFB. Und wenn die das Regelwerk vernünftig anwenden würden (das Regelwerk gibt es her, den Sport wie ein Handball Spiel zu pfeifen) und jedes Meckern und jedes taktische Foul mit einer Verwarnung ahnden (und gerade wie viele taktische Fouls im Fußball nicht als solche erkannt werden ist echt grausam), wird ihm hinterher von allen Seiten vorgeworfen, dass die Karten viel zu locker saßen. Und alle fragen sich, warum das Spiel mit 4 Platzverweisen endete.
Dann rechtfertigt sich der Schiedsrichter mit dem "Ihr wolltet doch, dass das Spiel mehr wie Handball wird... ich habe das umgesetzt, aber die Spieler haben sich nicht schnell genug drauf eingestellt, aber das mache ich jetzt, weil ihr es ja wolltet, immer so"... und dann pfeift der Schiedsrichter nie wieder ein Bundesligaspiel.
Dann über allem steht halt immer der Konsument. Und der hat vor nichts so Angst, wie vor den Sperren seiner Starspieler. Die will er auf dem Platz und nicht auf der Tribüne sehen. Fußball ist schließlich die einzige Sportart, in der an sich sinnvolle Regeln geändert werden, weil sie dazu führen, dass Stars gesperrt werden könnten. Und ja, es kommt immer wieder alles auf die "Michael Ballack Regel" zurück.
Denn machen wir uns nichts vor: Wenn die "Handballregeln" im Fußball angewendet werden, wird das erst Mal (für einige Wochen definitiv, eventuell sogar für Monate) zu einer Kartenflut kommen. Denn die Fußballer müssten sich ihre seit Kindestagen antrainierten Reflexe abgewöhnen. Reflexe, die wir als Fans jahrelang gefördert haben. Wir wollten das so, obwohl eigentlich abzusehen war, dass es sinnvoll gewesen wäre, vor 10 Jahren etwas gegen diese Trends zu unternehmen. Denn die sind ja nicht neu, es ist nur jedes Jahr marginal etwas schlimmer geworden. Die sind nur im Jahr 2018 so schlimm geworden, dass selbst die Mainstream Medien sie nicht mehr ignorieren können. Oder sie mussten halt über irgendwas reden, weil man sich dieses Mal nicht an der deutschen Mannschaft berauschen konnte...
Auf genau diese Kartenflut haben wir aber keinen Bock. Denn sie würde bedeuten, dass verdammt viele Spieler Sperren absetzen müssen. Und das kann ja nicht das Ziel sein.
Wir haben also gerade vorgeführt bekommen, dass es eine wunderbare Alternative zu unserem aus Zuschauerperspektive grausam gewordenen Sport gibt. Wir hätten es gerne, dass unser Sport so wird, wie diese Alternative... aber wir sind nicht gewillt mit den dafür nötigen Konsequenzen zu leben...
Also wird der Handball wieder in der Belanglosigkeit verschwinden und bei der nächsten WM in Deutschland werden wir wieder erstaunt dastehen und uns wundern, warum die Dinge im Handball so viel angenehmer sind. Ändern wird sich im Fußball bis dahin aber nichts.
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