Uli Hoeneß kann. Deswegen ist er einer der absoluten Hall of Shamer dieses Blogs. Selbst im Ruhestand liefert er noch 2 Mal im Jahr absurdes Material. Also zuletzt wollte er einem Journalisten Hausverbot geben, weil ihm die Fragen zu kritisch waren. Jetzt äußert er sich zur WM in Katar.
Und grundlegend hat er ja recht: Die Debatte über die WM ist scheinheilig. Aber nicht so, wie Hoeneß das meint. Sie ist scheinheilig, weil wir uns eigentlich darüber aufregen, dass diese Ölscheiche sich jetzt unsere Partys kaufen und wir uns deswegen mit deren Arbeitsbedingungen beschäftigen müssen. Wenn die sich weiterhin absurde Türmer gebaut und ihre Sklaven dabei umgebracht hätten, wäre uns das egal. Und ja, in Katar herrscht seit ziemlich genau 50 Jahren eine absolute Monarchie. Da arbeiten seit 40 Jahren 2 Millionen Immigranten unter furchtbaren Bedingungen für 200.000 Eingeborene. Aber man kriegt halt nicht raus, wie viele Menschen bei Bau der Katara Towers gestorben sind, weil es uns einfach nicht interessiert. Jetzt müssen wir uns damit beschäftigen, weil sie sich halt von dem Reichtum, den wir ihnen gegönnt haben, unser Volksfest gekauft haben.
Und machen wir uns nichts vor: Die WM konnten sie sich kaufen, weil wir jahrelang einfach nur das günstigste Öl haben wollten, damit wir uns unser schönes Leben leisten können. Deswegen wurden all die Despoten gestützt und deswegen lagern all die Rohstoffe jetzt bei diesen Despoten. Auch da hat Hoeneß recht: Man müsste viel mehr über eine Verkehrswende als über einen WM-Boykott diskutieren. Man müsste eigentlich im Winter kalt duschen. Aber das hätte ja Einfluss auf das eigene Leben, da macht man lieber so nen paar Pseudoaufrufe und guckt dann heimlich mit ner VPN und nem illegalen Stream zu Hause die WM in der Badewanne. Dafür hat man dann ja mal was getan, um die Welt zu verbessern. Oder anders ausgedrückt: Was glaubt ihr, wie groß die Schnittmenge zwischen der "Wir müssen die WM boykottieren!" und der "Wir brauchen die Weihnachtsmarktbeleuchtung!" Fraktion ist?
Die WM hat jetzt die Chance, eine Lupe auf diese Arbeitsbedingungen zu legen. Aber das Problem ist halt: Ab Januar wird es uns wieder egal sein, wie die Bedingungen vor Ort sind.
Mein persönlicher Favorit ist ja, dass man die WM öffentlich zeigt und die Hälfte des Gewinns an Reporter ohne Grenzen spendet. Also einem Verein, der sich darum kümmern wird, dass auch nach der WM noch hingeguckt wird. Wenn es in Leipzig eine Kneipe gibt, die das anbietet, würde ich da hingehen. Und Reporter ohne Grenzen hat gerade eine Spendenkampagne, wo es um Saudi Arabien geht, die würden also genau das machen, was die Boykottier-Fraktion will. Das wäre genau die Variante, die WM zu zeigen und es für die Kataris so unangenehm wie möglich zu machen.
Und hier fängt halt Hoeneß an, Bullshit zu labern um sein Gewissen rein zuhalten: Der Glaube, dass die WM in Katar oder das Engagement der Bayern schon irgendwas verändert hat. Dass man ja zu den Guten gehört, wenn man sich von denen Geld geben lässt.
Also lass mal zunächst das Großereignis auseinander nehmen. Also natürlich hat die WM dafür gesorgt, dass wir beim Katar gerade etwas genauer hingucken. Aber ändert sich dadurch irgendwas? Lasst mal kurz die jüngeren Vergleiche nehmen: China ist nach seinen Olympischen Spielen noch autoritärer geworden. Also es konnten ja während der Winterspiele deutsche Athleten am eigenen Körper erfahren, was "Lockdown" und "Quarantäne" auf Chinesisch wirklich bedeuten, aber die fahren immer noch eine 0-Covid-Politik. Also es kann dir da noch im Jahr 2022 passieren, dass du in der Fabrik eingesperrt wirst. Oh und man droht ständig mit einer Invasion von Taiwan.
Das bringt uns direkt zu Russland, die seit der Austragung ihrer WM einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen haben. Ihr habt es bestimmt mitbekommen.
Selbst in England, wo das letzte EM Finale ausgetragen wurde, wird man verprügelt und verhaftet, wenn Kritik an der königlichen Familie äußert. Oh und in Brasilien könnte es in den nächsten Wochen zu einem Putsch kommen, damit Bolsonero an der Macht bleibt.
Kurz gesagt: In keinem der Länder hat sich die Lage nach dem Großevent gebessert. Und das liegt hauptsächlich an uns, weil wir halt nur zur WM oder zur Olympiade da hingucken und danach abschalten. Sportswashing funktioniert, weil uns die Zustände vor Ort egal sind und weil wir eigentlich nur unseren Wohlstand genießen wollen. Erst wenn wir uns als Gesellschaft grundlegend ändern und allgemein den Fokus auf Nachhaltigkeit und ein gerechtes Weltwirtschaftssystem legen, wird dies nicht mehr funktionieren. Aber solange wir uns an der Zapfsäule über den Preis beschweren, der halt hochgehen wird, wenn die Dinge im Nahen Osten ändern, wird da nichts passieren.
Nebenbei gibt es gerade eine große Protestwelle im Iran, weil dort eine Frau von der Sittenpolizei umgebracht wurde. Und ins Sri Lanka musste der Präsident aus seiner eigenen Villa fliehen. Die Proteste dort gehen unter Ausschluss der westlichen Öffentlichkeit weiter. Es passiert also eher etwas in den Ländern, denen wir nicht in den Arsch kriechen, während die Nationen, deren Legitimation wir durch eine Großveranstaltung stärken, autoritärer werden.
Das Regime in Katar wird durch die WM an Ansehen gewinnen, weil die Großinvestoren sagen werden: "Ein verlässlicher und stabiler Partner... UND die durften ja sogar eine WM austragen." während all die jetzt so lauten Kritiker die Probleme einfach wieder ignorieren werden.
Aber kommen wir mal zu dem viel dreisteren Punkt von Uli Hoeneß: Dass der kleine und bescheidene FC Bayern ja die Menschenrechtslage schon verbessert hat, weil deren Frauen-Mannschaft in kurzen Hosen spielen durfte. "Das war eine Sensation und ein Durchbruch für den Frauenfußball." Ja, genau.
Man kann sich halt alles schönreden. Das sind halt genau die Aktionen, die man als Scheich der westlichen Welt präsentieren will: Guckt mal, hier tut sich was. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn die Frauen alleine nach Katar zum Training geflogen wären, wäre dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit passiert. Und wenn sie gemeinsam mit den Männern geflogen wären, hätte man sie weitestgehend aus dem öffentlichen Programm rausgeschnitten. Also wir als westliche Welt hätten die Bilder von den Frauen in kurzen Hosen sehen dürfen, aber die Frauen vor Ort hätten davon nichts mitbekommen.
Und nur um mal zu verdeutlichen, wie gut das funktioniert: Versucht mal Bilder von Testspielen der Frauen in Katar online zu finden. Also wirkliche Beweisfotos, dass die da in kurzen Hosen unterwegs waren. Alles, was ihr findet, ist ein "internes Testspiel auf Bundesliganiveau" und ein einziges Bild mit einheimischen Mädchen auf der deutschsprachigen FC Bayern Seite... Die einheimischen Mädchen erkennt ihr an den langen Hosen. Und die Information, dass das Trainingslager im letzten Winter abgesagt wurde.
Und versteht mich nicht falsch: Aus "deutscher" Sicht ist es super, dass die Bayern da Equal Play betreiben und den Frauen da exakt die gleichen Bedingungen gibt, wie ihren Männern. Es wäre natürlich auch möglich, dass in einem humaneren System zu machen, aber immerhin ziehen sie das durch. Aber zu glauben, dass dieses eine Training und das eine daraus resultierende Foto, welches in der arabischen Welt garantiert nicht verfügbar ist, die Lage vor Ort verändert, ist naiv.
Wenn die vor Ort ein Testspiel gegen eine einheimische Mannschaft, die ebenfalls in kurzen Hosen spielt, abhalten würden. Wenn dieses Testspiel dann auch mit Bildern in den örtlichen Tageszeitungen erwähnt wird, dann kann man sich auf die Schulter klopfen. Aber das wird halt nicht passieren. Stattdessen nutzt Katar dieses Trainingslager nur für ihre eigene Außenwirkung und Uli Hoeneß hilft ihnen dabei.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen