Er ist der letzte große Hoffnungsträger. Also als Steigerungsform vom Adjektiv hoffnungsträge. Ein Adjektiv, welches ich mir nicht selber ausgedacht habe, sondern Volker Pispers. Ehre, wem Ehre gebührt...
Aber genau genommen steht der DFB jetzt vor einer Gabelung und muss sich entscheiden, welchen Weg er für die nächsten 10 bis 15 Jahre nehmen will. Denn solange ist ja die Verweildauer eines Bundestrainers. Wir halten halt an denen fest, egal was passiert. Und die Auswahl der Spieler ist halt so großartig, dass selbst ein durchschnittlicher bis unbegabter Trainer ein Halbfinale erreichen könnte.
Die Optionen, die der DFB hat, sind folgende:
Man biegt links ab, kontaktiert Ralf Rangnick und erfüllt ihm all seine Wünsche. Rangnick ist immer noch arbeitslos und hat den Punkt in seiner Karriere erreicht, an dem strategisches Arbeiten eine willkommene Alternative zur täglichen Arbeit auf dem Trainingsplatz ist. Was ihn von einem eventuell doch auch verfügbaren Jürgen Klopp unterscheidet.
Er ist aber auch ein anerkannter Fachmann. Auf einmal würde dieses herausragende Potenzial von einem echten Fachmann betreut werden. Zum vielleicht ersten Mal. Der Satz von Franz Beckenbauer aus dem Jahr 1990, dass wir "auf Jahre unschlagbar" sein werden, könnte tatsächlich Wahr werden.
Und machen wir uns nichts vor: Vom Potenzial her muss diese Mannschaft trotz Jogi Löw um den EM Titel mitspielen. Da sind genügend gute Kicker dabei. Allein schon ein Mittelfeld aus Kroos, Kimmich, Gündogan, Sané, Gnabry, Goretzka, Havertz... da hat man echt schon ohne Thomas Müller das Problem, dass man nicht weiß, wen man jetzt auf die Bank setzen soll. Die einzige echte Problemposition ist und bleibt der Mittelstürmer.
Was ein Rangnick aus so einer Auswahl rausholt, will sich ein Spanier oder Italiener gar nicht vorstellen.
Aber es wäre halt auch ein revolutionärer Schritt: Einen externen Trainer holen, der nie Welt- oder Europameister wurde. Das ist nicht das Erfolgskonzept des DFBs.
Also wird man sich den rechten Weg an der Gabelung zumindest gründlich anschauen. Und die heißt Stefan Kuntz. Europameister von 1996. Und Trainer der U21. Da hat er in den letzten 5 Jahren die derzeitige Generation, mit der er dann ja um die richtigen Titel kämpfen soll, schon betreut. Und er wurde U21 Europameister.
An der Stelle ist es nebenbei faszinierend, dass abgesehen von Serge Gnabry noch keiner der Final-Elf den Sprung in die A-Nationalmannschaft geschafft hat. Vielleicht sollte ich die Leistung von Kuntz höher einschätzen, denn anders als die Generation Neuer, Hummels, Özil, Boateng, Khedira und Höwedes, die erst gemeinsam U21 Europameister und danach dann Weltmeister wurden, war die 2017er Elf keine individuell überragende Generation.
Da kommt dann aber das ganz große ABER. Überzeugende U21 Turniere sind bisher die einzige vorzeigenswerte Leistung des Trainers Kuntz. Ansonsten ist sein größter "Erfolg" der Aufstieg aus der Regionalliga mit dem Karlsruher SC. Und als Vorstandsvorsitzender des 1.FC Kaiserslautern ist er nicht entlastet worden. Kuntz ist ein Trainer, der vielleicht Zweitliganiveau hat. Also meistens wurde er als Retter in der 2. Liga verpflichtet. Aber Bundesligisten hatten den nicht mal auf dem Radar. Und dann ist irgendwie der DFB auf ihn aufmerksam geworden. Und nur um das mal festzuhalten: Zwischen seiner Entlassung beim LR Ahlen und seinen Amtsantritt beim DFB lagen über 10 Jahre, in denen er gar keine Mannschaft betreut hat, sondern versuchte sich relativ erfolglos als Manager in Koblenz und Bochum. Bis er dann den endgültigen Niedergang in Lautern verwaltete.
Und selbst wenn wir jetzt festgestellt haben, dass Kuntz ein guter Nachwuchstrainer und Weiterbilder ist... nur deswegen befördere ich den doch nicht auf den wichtigsten Trainerposten der Nation. Also kein anderer Verband außer dem DFB würde das machen..., weil es bei Berti Vogts doch so gut funktioniert hat.
Dabei bleibt dann festzuhalten: Die Ära Kuntz wird auch erfolgreich wirken. Der wird 2022, falls Deutschland nicht boykottiert, mindestens das Viertelfinale erreichen. Eher mehr. Aber dadurch wird dann überdeckt, wie viel Potenzial eigentlich verschenkt wird.
Vor allem hat Kuntz halt einen entscheidenden Vorteil: Er wird sich gegenüber Oliver Bierhoff absolut loyal verhalten. Was dazu führt, dass Bierhoff weiter an der Marke Nationalelf basteln darf, ohne dass es ein Gegengewicht gibt. Ein Rangnick wäre da wesentlich unbequemer. Der hätte nämlich eigene Visionen, wie der DFB Stab aufgestellt werden muss.
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