Montag, 23. Oktober 2023

Worst of des "Wer meldet sich denn da alles im Abstiegskampf an" Wochenendes

 So langsam wird die Tabelle ja aussagekräftig. Also zumindest ist davon auszugehen, dass die Mannschaften, die jetzt da unten drin stehen, da auch ein Weilchen bleiben werden. Und dass der VfB Stuttgart und die TSG Hoffenheim dieses Jahr andere Pläne haben. Was nebenbei echt faszinierend ist, schließlich lösten die ihre Probleme, in dem sie ihre Trainer gegeneinander ausgetauscht haben. Wie oft passiert es, dass bei so einem notgedrungenen Tausch beide hinterher bessere Trainer haben?

Viel überraschender ist allerdings, dass Darmstadt, Heidenheim und Augsburg noch nicht bei der Kellerparty dabei sind. Also bei Darmstadt und vor allem Heidenheim hätte ich heftigere Wachstumsschmerzen erwartet. Heidenheim deutet die immer wieder an, weil sie gerne mal 2:0 Vorsprünge verspielen. Und Augsburg hat den Trainer schon gewechselt, was ein wenig wie Panik wirkt, wenn man noch nicht mal auf dem Relegationsrang steht... oder es ist konsequent, weil man nicht auf die Tabelle, sondern auf die Entwicklung auf dem Platz reagiert. Oder dem Mangel an Entwicklungen.

Dahinter wird es aber wirklich spannend. Borussia Mönchengladbach muss sich fragen, ob die Rückkehr vom designierten Stammtorhüter alle Probleme löst. Denn das ist ja die einzige Hoffnung auf eine schnelle Stabilisierung. Hier ist aber die unangenehme Wahrheit: Nicolas Mortiz hat einen besseren Notenschnitt als Jonas Omlin. Und das nicht nur auf die 2 Spiele, die der Schwede bisher absolvieren konnte, gesehen, sondern auf Omlins gesamte Rückrunde.
Was auch wieder nur beweist, wie seltsam die Bewertungen von Torhütern sind. Also ja, Moritz kann sich regelmäßig auszeichnen. Die 2,45 Paraden pro Spiel sind laut Ligainsider.de "gut genug" für Platz 6. Aber er vereitelt halt kaum Großchancen, da liegt er nur auf Platz 16.
Vor allem ist es aber eher bedingt eine Auszeichnung, dass der Moritz sich so oft "auszeichnen darf", dabei aber keine wirklich ausgezeichnete Arbeit macht. Viel wichtiger wäre es, dass man so viel Stabilität reinbekommt, dass der Torhüter nicht ständig eingreifen muss. Nun muss sich Moritz auch da nichts vorwerfen lassen. Die Frage ist dabei aber nicht, ob ein erfahrenerer Torhüter mehr Souveränität ausstrahlt und seiner Abwehr dabei mehr Sicherheit verleiht... sondern ob Omlin dieser Torhüter ist. 

Die wichtigste Frage ist aber, ob Urs Fischer eigentlich Abstiegskampf kann? Das ist auch eine völlig absurde Frage, schließlich ist das eine Mannschaft, die über die Mentalität kommt und die sich in jedes Spiel kämpfen kann. Oder kam sie jahrelang doch nur übers Selbstvertrauen, was dazu geführt hat, dass sie weit über ihrem eigentlichen Level gespielt haben? Wettbewerbs übergreifend sind die bei 7 Niederlagen infolge. Letztes Jahr haben sie in der Bundesliga insgesamt 8 Spiele verloren.
Das ist halt buchstäblich das erste Mal in der gemeinsamen Zeit, dass es nicht einfach weiter aufwärts geht.
Und hier kommt eine andere, absurde Wahrheit aus Berlin: Urs Fischer ist einer von 2 Aufstiegshelden, die noch da sind. Denn auf dem Platz spielt nur noch Christopher Trimmel eine Rolle. Alle anderen wurden mittlerweile verkauft, weil sie mit dem rapiden Wachstum des Vereins nicht Schritt halten konnten... Oder aber glaubten, dass es in Hoffenheim oder Gladbach schneller aufwärtsgehen würde. Ernsthaft, Grischa Prömels Wechsel nach Hoffenheim bleibt eines der größten Mysterien der jüngeren Fußballgeschichte.

Ich verdeutliche das mal am Sturmduo der Aufstiegssaison: Sebastian Andersen und Sebastian Polter sind beides Vorzeigebeispiele für die hier sogenannten Marius Ebbers Angreifer. Beider erzielten mehr Tore in der 2. als in der Bundesliga. Andersen kam auf 33 Bundesligaeinsätze für Union, bevor er gegen Taiwo Awonyi und Max Kruse ausgetauscht wurde. Polter ergriff nach 13 Spielen die Flucht. Beide versuchten in Köln und Bochum das Stigma des "Nur gut genug, für die 2. Liga" Stürmers loszuwerden. Polter kam in einer Saison in Bochum sogar richtig dicht dran. Dummerweise wollte er danach unbedingt zu Schalke, damit er zeitnah wieder Zweitligatore erzielen kann.
Fakt ist aber auch: Beide wurden in Berlin ohne jegliche Sentimentalität ausgetauscht, sobald es im Verein leichte Zweifel an ihrer Qualität bestand.
Was einem zu der im Juli noch völlig undenkbaren Frage bringt: Wird man mit dem Trainer genau so umgehen? Sucht man sich einen neuen, wenn der Schweizer als Trainer nicht gut genug ist, um Stars wie Bonucci, Gosens oder Volland die nötigen Anweisungen zu vermitteln?
Und klar, bei Max Kruse hat das geklappt. Aber Kruse war auch in einer Sondersituation, weil das für ihn seine letzte Chance war, die Karriere zu retten. Und ganz sachlich sind die Zugänge dieses Sommers auch auf einem anderen Level.
Wie viele Niederlagen darf sich ein Trainer in einem Verein, der bisher keinerlei Sentimentalität gezeigt hat, erlauben? Muss er zeitnah die Kurve kriegen, oder wird darüber frühestens in der Winterpause nachgedacht?
Und wenn ihr jetzt mit "Der hat die historisch beste Saison der Vereinsgeschichte gespielt" kommt... das hat Jens Keller auch gemacht, bevor er im Jahr darauf entlassen wurde. Und seit dem kam man nicht annähernd in die Position, dass man darüber nachdenken musste, weil man seine Saisonziele erfüllt oder übertroffen hat. Das wird halt der erste Rückschritt seit dem Jahr 2018.
Damit will ich jetzt nicht sagen, dass der Trainer entlassen wird, oder dass man sich auf einen einvernehmlichen Rücktritt einigt. Ich sage nur, dass mich beides nicht überraschen wird, obwohl es für Union dann schwierig wird, einen besseren Trainer zu finden.

Beeindruckend war es auch, wie Werder Bremen sich im Abstiegskampf anmeldete. Also nicht Freitag auf dem Platz, sondern am Samstag in der Sportschau: der starke Michael Zetterer schwadroniert hinterher, "dass wirklich nur ein bisschen was gefehlt" hat, um einen Punkt mitzunehmen. Auch Ole Werner will auf dieser Leistung aufbauen.
Hier ist das Problem mit dieser Einschätzung: Das "bisschen", von dem Zetterer da geredet hat, war eine zeigenswerte Torchance. Die gab es laut Sportschau nicht. Dafür gab es eine Zusammenfassung, in der Werder locker 3 Tore hätte kassieren können, die Borussia aber lieber beweisen wollte, dass sie auch "wenig sexy" gewinnen kann. Bremen berauscht sich also daran, dass sich Dortmund nicht in einen Rausch gespielt hat. Gleichzeitig hat man aber in den 90 Minuten im Wesentlichen nur darauf gewartet, dass man irgendwann in Rückstand gerät, nur um dann keinerlei Reaktion zu zeigen. 

Also wenn man das mal mit der Vorstellung der Mainzer gegen München vergleicht: Die haben sich nur einige klare Torchancen erspielt, sondern auch ein Tor erzielt. Aber im Gegensatz zu Werners Selbstgefälligkeit ärgert sich Bo Svensson über diesen Ausgang. Nun hat sich Mainz bisher ebenfalls wie ein Absteiger präsentiert, aber man hat bei Svensson das Gefühl, dass er daran etwas ändern will... während Werner nur darauf hofft, dass Mainz ihre Probleme nicht löst und Bochum weiterhin Bochum-Dinge macht.

Denn dort wurde dieses Wochenende festgestellt, dass Manuel Riemann nicht jeden Elfmeter halten kann... und dass man echte Probleme bekommt, wenn man nur eine Sache hat, die man wirklich gut kann. 

Immerhin haben sich die Kölner auch endlich in der Saison angemeldet. Köln hat ja theoretisch dasselbe Problem wie Union: Sie stecken nach bisher ausschließlich erfolgreichen Jahren mit ihrem Trainer Steffen Baumgart plötzlich in der Scheiße. Der Unterschied ist aber, dass man nach den Abgängen von Skhiri, Hector und Duda deutlich an Qualität verloren hat, während Union sachlich gesehen besser geworden ist. Vor allem tut es den Kölnern wirklich weh, dass man für 2 dieser Leistungsträger keinen Cent Ablöse bekommen hat. Dass Köln unten reinrutschen könnte, sollte also nicht sonderlich überraschen. Jetzt hat Baumgart den wichtigen ersten Sieg geholt, bevor ihm die wirklich unangenehmen Fragen gestellt werden.
Und ja, Köln wird lange unten drin hängen, aber die spannende Frage bleibt, ob man dabei die Ruhe bewahrt. Denn eines steht sowohl bei Fischer, als auch bei Baumgart fest: Beides sind richtig gute Trainer, die in ihren Vereinen bewiesen haben, dass sie langfristig helfen können. Bei beiden ist eine Entlassung also im besten Fall eine kurzfristige Problemlösung, die aber langfristig mehr kaputt macht, als sie repariert.

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