Mittwoch, 26. Juli 2023

Warum die Männer nie in Australien spielen werden

 Denn mit Frauen kann man's ja machen. Die sind halt flexibel.

Aber ja, Australien ist auch eine dieser Nationen, die die WM 2022 nicht austragen durften, weil das unbedingt nach Katar vergeben werden musste. Die hatten sogar bekannt gegeben, dass sie sich erneut bewerben, wenn die WM entzogen und neu vergeben wird. Als hätten die dann eine Chance gehabt. Und jetzt machen sie einen auf Marokko und bewerben sich so lange, bis sie das Turnier kriegen. Kurzer Spoiler: Es wird eher als Co-Host nach Marokko gehen.

Dafür gibt es einen banalen, aber nachvollziehbaren Grund: Die Anstoßzeiten sind halt katastrophal, das machen wir nicht mehr. Natürlich könnt ihr jetzt mit "Aber Südkorea und Japan im Jahr 2002!!!" Da wurde das Finale doch auch um 13 Uhr angepfiffen und wir haben es überlebt. Da mussten die Kinder auch zur Schule, als Deutschland gespielt hat. Fun Fact, mein ehemaliger Bandkollege und Klassenkamerad hat mir hinterher erzählt, dass ein Lehrer während der Klausur die Zwischenergebnisse während einer Klausur auf die Tafel geschrieben hat... Ich kann das nicht bestätigen, ich habe die Spiele morgens um 3 in den USA gesehen.

Aber die bittere Wahrheit ist auch: Die Weltmeisterschaft damals hat ihre Notwendigkeit getan und den Markt erschlossen. Mittlerweile können, auch wegen der WM damals, all die großen Vereine im Sommer ihre eigenen Touren durch den Fernen Osten planen und dadurch Umsätze generieren. Und trotzdem jammern sie weiterhin, wenn sie ihre Stars zur Nationalmannschaft abstellen müssen, anstatt dankbar zu sein, dass diese ihnen diese Märkte eröffnet haben. Aber das ist halt die Ignoranz der Vereinsmannschaften, die tatsächlich glauben, dass sie sich die erdrückende Position im Weltsport ganz alleine aufgebaut haben. Das wird man aus einem Rummenigge auch nicht mehr rausbekommen. Das ist ein alter, weißer Mann, dessen Überzeugungen sind fest verankert, auch wenn sie nicht der Wahrheit entsprechen.

Wenn man heutzutage noch einen neuen Markt mit der WM erschließen will, müsste man die auf dem Mars stattfinden lassen. Oder vielleicht noch in China, aber dann macht man das direkt in China und nicht in Australien. Sein wir kurz ehrlich: Wenn China mit der WM Bewerbung für 2030 Ernst macht, können alle anderen ihre Bemühungen einstellen... dann wird die WM dahin gehen.

Erschwerend hinzu kommt, dass Australien verdammt groß ist... und Neuseeland weiter weg, als man denkt. Zwischen Perth an der Westküste und Auckland im Osten liegen auch nochmal 4 Stunden Zeitverschiebung. Und um die ganze Sache noch lustiger zu machen, hat das Hindmarsh Stadium in Adelaide seine eigene +9 1/2 Zeitzone. Immerhin spielt niemand in der +8 3/4 Zeitzone, die es auf dem Kontinent auch gibt. Oder auf den +12 3/4 Chatham Island, auch wenn die theoretisch zu Neuseeland gehören. Die Zeitzonen "da unten" sind echt seltsam.

Jetzt versucht die Fifa jedenfalls das Bestmögliche aus diesen Zeitverschiebungen zu machen... und die Spiele so anzusetzen, dass sie für die entsprechenden Märkte halbwegs konsumierbar sind. Und was kommt dabei raus? 15 unterschiedliche Antoßzeiten nach MESZ:
2:00, 3:00, 4:30, 6:30, 7:00, 7:30, 9:00, 9:30, 10:00, 10:30, 11:30, 12:00, 13:00, 14:00,  14:30. Wo ist eigentlich die Pro 15:30 Fraktion, wenn man sie mal braucht? Fun Fact: Vor Ort gibt es "nur" 13 unterschiedliche Anstoßzeiten.

Um das mal zu verdeutlichen: Bei der Herren-WM gab es 5 Anstoßzeiten. Da ging es jeden Tag um 11 Uhr los und dann gab es im 3-Stunden-Rhythmus das nächste Spiel. Einzig am letzten Spieltag mit den Parallelspielen ging es erst 16 Uhr los.

Die 8 Achtelfinale 2022 wurden jeweils zur selben Zeit angepfiffen: 16 und 20 Uhr. Die 8 Achtelfinale dieses Jahr haben 8 unterschiedliche Anstoßzeiten. Von Morgens um 4 bis Mittags um 13 Uhr ist da alles dabei. Auf ein Mal wird die gestern erwähnte eine gute Seite im Kicker Sonderheft verdammt wichtig, weil man halt jedes Mal nachgucken muss, wann eigentlich gespielt wird.

Auch sind die Pausen zwischen den Spielen extrem unterschiedlich. Die längste Pause sind 6 1/2 Stunden zwischen dem designierten Abpfiff Argentinien - Südafrika und dem Anpfiff England - Dänemark am Freitag. Wie oft sollen die denn da ins Deutsche Lager schalten, damit sie die Zeit rumkriegen? An anderen Tagen liegen zwischen den Spielen gerade mal 30 Minuten, was extrem eng werden kann, wenn 10 Minuten Nachspielzeit dazukommen... Pro Halbzeit.

Aber hinter diesem Chaos steckt tatsächlich ein extrem durchdachtes System von der Fifa. Dafür haben sie wirklich Respekt verdient. Die Amerikanerinnen spielen zum Beispiel sehr konstant um 3 Uhr Morgens. Oder um 4. Was bei - 6 Stunden nach New York auch nur bedeutet, die dürfen in den USA zur Primetime ran. Auch im designierten Viertelfinale spielen die um 17 - 21 Uhr Ortszeit. Absolut perfekt. Nur das letzte Gruppenspiel muss dann halt zeitgleich mit der Konkurrenz angepfiffen werden und findet deswegen Nachts um 3 statt. Aber da sollte es ja um nichts mehr gehen. Hoffentlich ruiniert die Niederlande dieses Konzept nicht.

Die Deutschen spielen dagegen zwischen 10:30 und 13 Uhr. 13 Uhr steht aber nur auf dem Plan, wenn sie die Gruppenphase verkacken und "nur" Zweiter werden. Was man bei der Frauenmannschaft halt so als "verkacken" bezeichnet.

Ein wirklich spannendes Detail ist hierbei nebenbei das Viertelfinale 4. Denn nach mathematischer Logik müsste dieses Spiel "Sieger AF 6 - Sieger AF 8" lauten. Aber die Fifa denkt sich: Fuck it, wenn wir heimlich das Viertelfinale 3 mit dem Viertelfinale 4 tauschen, dann findet das designierte Deutschland - England Spiel um 12:30 MESZ statt... und das wird schon niemand bemerken. Doch, ich habe es bemerkt und ich finde es großartig. Denn die Fifa hat bei diesem Turnier das sture "Wir setzen erst die Partien an und losen dann aus" Dogma komplett aufgegeben, damit jede Nation das bestmögliche Turnier erleben kann. Und ja, es ist ein deutlicher Trend zu erkennen, dass Kanada, die USA und Kolumbien die Nachtschichten übernehmen. Und die Gegner (also auch die europäischen) müssen sich halt nach den bekannteren Mannschaften ausrichten. Die eine Ausnahme ist da Brasilien und Argentinien, die konsequent zu beschissenen Zeiten in der Heimat antreten müssen. Aber Brasilien hat mit -13 Stunden zu Sydney auch einfach die schlechteste Voraussetzung. Und Argentinien hat auch deswegen das einzige "2 Uhr Spiel" zugewiesen bekommen. Das einzige Rätsel bleibt da, warum Brasilien - Panama um 13 und nicht um 2 Uhr angesetzt wurde. Das ist so ziemlich das einzige Spiel, was um 7 beziehungsweise 5 Uhr Ortszeit angepfiffen wird.
Aber ja, die Barsilianerinnen sind in der seltsamen Position, dass es für sie wahrscheinlich das Beste ist, wenn die Spiele in Rio de Janeiro ganz früh laufen, damit die Fußballfans erst gucken und dann zur Arbeit können.

Das ist nebenbei das größte Versagen der Fifa: Wenn die Deutschland um 5 angesetzt hätten, hätten wir Deutschen endlich mal wieder einen richtig schönen Autokorso durch die Innenstädte veranstalten können. Also wie jeden Morgen, nur mit Deutschlandfahnen...

Was nebenbei auch nicht erklärbar ist: Warum hat Kanada gerade um 14 Uhr gegen Irland gespielt, wenn deren erstes Spiel doch um 4:30 stattgefunden hat? Und der Nachtslot auch frei gewesen wäre? Aber vielleicht wusste die Fifa schon, dass die Kanadier die ersten 3 Halbzeiten bestreiken würden und es da dann eben nichts zu sehen gibt.

Der große Nachteil daran ist halt, dass die Spiele auch mal um 12 Uhr Ortszeit angepfiffen werden. 
Aber jetzt findet mal einen Bundesligaprofi, der um 12 schon seine Topleistung abrufen könnte? Da steht der gemeine Bundesligaprofi doch gerade erst auf. Also ja, es könnte sich auf die Leistungen auswirken, dass man so ungewöhnlich früh Höchstleistungen bringen muss, weil der Körper halt einfach einen anderen Rhythmus gewohnt ist. Und Gewöhnung ist hier etwas ganz Entscheidendes, bevor jetzt jemand jammert, dass er ja jeden Morgen um 7 zur Arbeit muss: Wenn man daran gewöhnt ist, ist das kein Problem. Aber ein Körper stellt sich halt auf eine gewisse Erwartungshaltung ein, wenn die gebrochen wird, gibt es Probleme.

Aber um den Bogen zu schlagen: Auch wenn ich durchaus erwarte, dass die Fifa auch bei der nächsten WM in Nordamerika die Anstoßzeit wieder so flexibel verteilen wird, bezweifle ich halt doch, dass sie ihr absolutes Flaggschiff jemals nach Australien vergeben werden, weil es halt für die wichtigsten Märkte einfach nur beschissen ist. Und am Ende entscheiden halt doch wir Europäer, wann und wo gespielt wird.

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