Und das ist erstmal auch gut so. Schließlich ist es das erste Sonderheft über eine Weltmeisterschaft, die in einem ungeraden Jahr ausgetragen wird...
Weil die WM halt von Frauen gespielt wird. Aber grundlegend macht der Kicker genau das, was ich mir schon bei der EM gewünscht hätte: Sie bringen ein kompaktes Magazin raus, welches einen auf die WM und seine Geschichten vorbereitet.
Schließlich haben schon die letzten beiden Turniere der Damen mir verdeutlicht, dass die richtig viel Spaß machen können, wenn man sich auf die Geschichten der Heldinnen einlässt. Natürlich ist es nicht der höchstklassigste Fußball, aber den gibt bei den Männern ja auch nicht zu sehen. Der Titel wird ewig an die Champions League gehen. Wem es nur um die Qualität auf dem Platz geht, der guckt genau diesen Wettbewerb und wirft dafür alle moralischen Bedenken über Bord.
Dieses Sonderheft ist doch genau die erhöhte Sichtbarkeit, die die Frauen sich immer erwünscht haben. Über die dann auch die Umsätze steigen, womit sich dann auch die Gehälter anpassen und Frau irgendwann davon leben kann, dass man Fußball spielt.
Nur hat der Kicker es mit der Gleichberechtigung etwas übertrieben... denn für den halbwegs gut informierten Fußballfan gibt es in dem Heft wenig Neues zu erfahren. Also ich gebe ja auch offen zu, dass ich den Frauenfußball eher so mit einem halben Auge verfolge. Ich habe in die Champions League hin und wieder reingeschaltet, weil es die gratis auf YouTube und mit englischem Kommentar gab. Und ich habe immer grob die Schlagzeilen auf den Onlineportalen verfolgt.
Hier sind jetzt die neuen Dinge, die ich gelernt habe:
1.) Frauen können genauso schöne, nichtssagende Interviews geben, wie ihre männlichen Kollegen.
2.) Ein schöner Artikel über die Gastgeberländer. 2 Seiten.. Die sich schon direkt mit dem drohenden TV-Blackout geteilt werden müssen.
3.) Es gibt detaillierte Regeln für das Öffnen und Schließen von Stadiondächern, obwohl es nur ein Stadion mit Dach gibt, welches eh immer geschlossen ist. Die wichtigen Dinge halt.
4.) Jeweils eine Seite zu den Gruppengegnern der Deutschen, von denen ich wirklich überhaupt nichts wusste. Schön! Gerne mehr davon.
5.) Inka Grings trainiert jetzt die Schweiz, und weil die eine Deutsche ist, wird sie deswegen ausführlich interviewt.
Und... das war's.
Hier sind dann die Dinge, die ich schon wusste, aber die trotzdem ins Heft mussten.
1.) Wer alles für Deutschland spielt und wie sympathisch die alle sind. Klar, das muss in so ein Heft, aber wenn man die letzten Turniere gesehen hat, kennt man die Namen. Aber anscheinend gibt es keine Shootingstars, die neu ins Aufgebot gerückt sind und die man vorstellen könnte.
2.) Die Amerikanerinnen sind alt, aber immer noch hungrig und haben das größte Potenzial.
3.) Die Engländerinnen wurden gerade Europameister. No Shit, Sherlock.
4.) In Spanien und Frankreich gab es Revolten gegen Verband und Trainerin. In Frankreich gewannen die Spielerinnen und die haben deswegen jetzt einen neuen Trainer, dafür kamen alle Spielerinnen zurück. In Spanien sind deswegen einige nicht mehr dabei.
5.) Die Schwedinnen sind im Frauenfußball verdammt gut, weshalb sie zum erweiterten Favoritinnenkreis gehören.
6.) Christine Sinclair ist noch älter, als beim letzten Mal, spielt aber immer noch für Kanada. Ok, technisch gesehen ist es eine neue Information, dass die immer noch spielt... Aber es ist halt auch kein neuer Name.
7.) Es gab mal heftige Beziehungsprobleme zwischen Martina Voss-Tecklenburg und Inka Grings, die die Nationalmannschaftskarriere der einen beendete. Und wenn man selbst den Klatschpresse-Scheiß schon kennt...
In der Summe sind es echt wenig neue Informationen. Dafür feiert sich der Kicker aber im Vorwort, dass "die Mannschaftsfotos aus den sogenannten kleinen Nationen mit den dazugehörigen Namen in besonders aufwändiger Kleinarbeit beschafft" wurden. Ähm... das ist das absolute Minimum.
Wisst ihr, was ich mir wirklich gewünscht hätte: Dass bei den "Teams" die Mannschaften doppelt so viel Platz bekommen und eine erwartbare Aufstellung und 16 Zeilen zu einer Spielerin, die ich im Fokus haben sollte. Damit ich einen kurzen Überblick dafür bekomme, was die Traumtorschützen aus dem Olympische Halbfinale Mary Fowler seit dem so gemacht hat. Wie es in Dänemark um Pernille Harder steht, die ihre erste WM spielt. Um 2 Beispiele zu nennen, die mir spontan einfallen. Und genau solche Individuen, die deren Geschichten man dann verfolgen kann, machen die Vorrunden solcher Turniere dann interessant. Der Unterschied zwischen den Männern und Frauen ist halt auch, dass man in den geraden Jahren bei jeder Gurkentruppe vorher schon einen Spieler aus den europäischen Ligen kennt.
Aber das hätte aber mehr als 14 Seiten gebraucht, dann hätte man mehr als 4,90 € verlangen müssen, was dann doch keiner zahlen will. Oder es wäre halt wirklicher Aufwand für eine Redaktion gewesen, die schon stolz darauf ist, überhaupt Mannschaftsfotos gefunden zu haben.
Das größte Verbrechen bleibt aber, dass Marta nicht mit einem Satz erwähnt wird. Falls ihr eine Auffrischung braucht: Marta ist das weibliche Pendant zu Lionel Messi: Sie hat so ziemlich alles gewonnen, was man gewinnen kann. Von den olympischen Spielen bis zur Champions League. Und zahllose Meisterschaften auf verschiedenen Kontinenten. Das einzige, was ihr noch fehlt, ist die Weltmeisterschaft. Weshalb der großartige SB-Nation Youtube Kanal ihr als erste Frau ein Video in der "Untitled" Serie widmete. Und als erste Fußballer*in. Harry Kane könnte da demnächst dazu kommen. Dabei ignorierten die komplett, dass die noch eine WM spielen wollte.
Nun verkörpert sie aber nicht mehr wirklich die Weltklasse früherer Tage... und muss ohne langzeitige Weggefährtinnen wie Cristiane oder Formiga auskommen. Deswegen zählt Brasilien auch nicht wirklich zum elitären Favoritinnen-Kreis. Aber es wird halt Martas letzter großer Tanz werden. Ihre höchstwahrscheinlich letzte Vorstellung auf der ganz großen Bühne des Frauenfußballs.
Das klingt doch alles verdammt nach der letzten WM von Lionel Messi. Und wenn Brasilien die Turnierfavoriten Frankreich, die ja gerne implodieren, schlagen sollte und dann ein überzeugendes Achtelfinale gegen Südkorea, Marokko oder Kolumbien hinlegen, wird sich die gesamte Geschichte des Turniers um einen möglichen Titel von Marta drehen. Oder sie wirft als Gruppenzweite Deutschland im Achtelfinale raus, woran im Kicker natürlich niemand denken will.
Also um das mal kurz zu verdeutlichen: Das wahrscheinlichste Achtelfinale ist ein Aufeinandertreffen der deutschen Sympathieträgerinnen mit einer lebenden Legende. Und im Kicker Sonderheft steht zu dieser Frau kein einziger Satz. Das ist schon ein kritisches Versagen. Und die Brasilianerinnen sind ja nicht schlecht, sie landeten nur im Lostopf 2 (und damit in einer Gruppe mit Frankreich), weil Australien und Neuseeland, die laut Weltrangliste weiter hinten stehen, als Gruppenkopf gesetzt sein mussten.
Faszinierender Weise frage ich mich an der Stelle genau das, was ich mich nach dem Lesen so eines Sonderheftes irgendwann immer gefragt habe: Für wen wird das eigentlich gedruckt. Also eigentlich sollte das ja eher an den eingefleischteren Fan gehen. Den Kicker-Leser, der eh schon zumindest einen groben Überblick über das Spiel hat, der aber gerne mehr wissen würde. Dieser Leser bekommt dann aber im Wesentlichen nur eine wunderbare Übersicht über die nominierten Spieler mit grundlegenden Statistiken. Dazu gab es bei den Herren zumindest die grundlegende taktische Ausrichtung der Mannschaft... und haufenweise recycelte Artikel, deren Inhalt er eigentlich schon irgendwo anders aufgegriffen haben sollte.
Wie eingangs erwähnt ist es wunderschön, dass die Frauen-WM jetzt dieselbe journalistische Aufmerksamkeit bekommt, wie die Herren-WM. Es bleibt aber halt traurig, dass das journalistische Niveau bei beiden nicht besonders hoch ist.
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