Sonntag, 23. Mai 2021

Passives Abseits Hall of Shame: Herzlichen Glückwunsch Werder!

 Euer letztes Bundesligator könnte zum "Tor des Monats" im Mai gewählt werden. War ein wirklich schöner Distanzschuss von Niclas Füllkrug. Und das war doch das einzige Saisonziel, welches man unbedingt erreichen wollte.

Der Einbruch am letzten Spieltag war ja nur eine wunderbare Schlusspointe einer jahrelangen Entwicklung. Also ich würde mal behaupten: Der letzte Verein, der so zielgerichtet auf einen Abstieg hingearbeitet hat, war Hannover 96. Die dafür ebenfalls einen Hall of Shame Eintrag bekommen haben. Werder Bremen lässt diesen "geplanten Abstieg" von Hannover wie einen Unfall aussehen.

Das Grundproblem, welches hier schon oft erörtert wurde, ist und bleibt, dass Werder sich mit viel zu wenig viel zu zufriedengegeben hat. Florian Kohfeldt wurde zum Übertrainer verklärt, weil er den Europapokal knapp verpasst hat. Ein 8. Platz ist halt nicht überragend, sondern nur anständig. Und keine Leistung, für die man dann 23 Monate lang unantastbar bleiben muss. Aber bei Werder ist genau das passiert.

Man hätte die letzte Saison, in der man sich schon nur durch 2 Unentschieden (immerhin nutzte man sich dank der Europapokal Arithmetik, Saisonziel erreicht...) in der Relegation rettete, vernünftig analysieren müssen. Vor allem hätte man die Vorsaison, die man mit Platz 8 beendete, richtig einordnen müssen: Das Genie hinter dem Offensivfußball aus der Saison 2018/19 war nicht Kohfeldt, sondern Max Kruse. Der wollte sich unbedingt für die Champions League bewerben und hat eine dementsprechend starke Saison hingelegt. Contract Year Phenomenon nennen die Amerikaner das. Nur das dieses Mal nicht der Spieler mit einem fetten Vertrag belohnt wurde, sondern der Trainer.

Und man kann ja gerade bei Union Berlin wunderbar nachvollziehen, welchen Einfluss ein Kruse auf eine mittelmäßige Bundesligamannschaft hat.

Ich habe mich ja schon beim verlinkten Hannover Artikel auf "Game of Thrones" bezogen. Machen wir das wieder. Kohfeldt ist halt wie Benioff und Weiss: Als die sich auf das Werk von Georg R.R. Martin berufen konnten, sahen sie wie Genies aus. Als sie selber Dialoge und Plotlines für die Show erschaffen mussten, weil sie das Originalmaterial aus der Buchserie überholt haben, stießen sie sehr schnell an ihre Grenzen. Die nachlassende Qualität wurde aber zunächst einfach ignoriert und die wenigen Kritiker als notorische Nörgler abgetan... bis die Serie dann in der totalen Katastrophe "Season 8" endete... Und die Kritiker fragten sich nur, warum alle plötzlich so entsetzt sind, die Katastrophe wurde doch vorher angekündigt... Man hätte nur aufpassen müssen.

Genauso lief es jetzt doch bei Werder. Und ja, der Einzige, der darauf hingewiesen hat, dass Kohfeldt einfach nicht so gut ist, wie alle behaupten... war ich. Passives Abseits Leser wissen es früher. Faszinierender Weise kam eine detaillierte, im Nachhinein bestätigte, Einordnung des Trainers Kohfeldts vor genau einem Jahr raus. Wenn Frank Baumann meinen Blog lesen würde, hätte sich Werder einiges ersparen können. Genug Selbstbeweihräucherung, vor allem, weil ich ja selber wirklich lieber widerlegt worden wäre.

Die wirklich schlechte Nachricht für Werder ist ja, dass Frank Baumann nicht von sich aus zurücktritt... und Entlassungen sind halt echt nicht deren Stil. Es ist also durchaus vorstellbar, dass Baumann wirklich den Neuaufbau in Angriff nehmen soll, damit Werder sich dann nächstes Jahr dafür feiern kann, dass man den Aufstieg knapp verpasst hat. Während der Hamburger SV wieder an einem vorbeizieht (und Vierter wird...)

Der HSV ist auch ein interessanter Vergleich. Denn natürlich kann man denen Aktionismus und eine schädliche, aus dem Inneren kommende, Unruhe vorwerfen. Aber die haben wenigstens ALLES versucht um den Niedergang abzuwenden. Wahrscheinlich haben sie sogar zu viel versucht. Werder ist dagegen mit einer absurden Entspanntheit abgestiegen. 

Mit einem Vorstand, der schulterzuckend danebenstand und sich dachte "Das wird schon irgendwie werden." Der es immer verweigerte im größeren Kontext zu denken und die gezeigten Leistungen richtig einzuordnen Paradebeispiel: Ein 0:0 in einem Heimspiel gegen nur 3 Auswärtstore im Jahr erzielende Leverkusener wurde gefeiert. Und man ging halt davon aus, dass es schon mindestens 2 dümmere Mannschaften geben wird.

Der Trainer war zunehmend überfordert und schaffte es über Jahre nicht einen halbwegs vernünftigen Ersatz für Max Kruse zu entwickeln. Und Werder hat sich halt in die Lage gewirtschaftet, dass man solche Spieler entwickeln und nicht mehr verpflichten kann. So blieb dann Yuya Osako ein elementarer Bestandteil der Angriffsbemühungen, obwohl bei dem keine wirklichen Fortschritte zu erkennen waren. Aber irgendwie glaubten halt alle, dass der mittlerweile 31-jährige nochmal einen wirklichen Sprung nach vorne machen kann und zum Fixpunkt in einer Bundesliga-Offensive werden kann. Oder Kohfeldt hat wirklich einen guten Bundesligastürmer in ihm gesehen. Am Ende überschätzte man die 2 Tore gegen sich auflösende Kölner am letzten Spieltag der letzten Saison gnadenlos. Das war nebenbei laut Kicker das einzige "gute Bundesligaspiel", welches Osako seit dem 10.11.2019 in seinem Lebenslauf stehen hat. Und ja, der ist gut in die Saison gestartet. Aber er ist dann unter Kohfeldts Führung komplett eingebrochen. Da ist entweder der Trainer nicht in der Lage ein ordentliches System um vielleicht an sich gute Spieler zu entwickeln. Oder er hält einfach zu lange an untauglichen Spielern fest. 

Auch die "Lösung" für die Offensivprobleme ist interessant: Man lieh sich Davie Selke aus. Einen Rückkehrer als Hoffnungsträger. Dass Selke sowohl bei Hertha als auch bei RB Leipzig gescheitert ist und aussortiert wurde, ignorierte man einfach. Das lag ja daran, dass diese Vereine keinen guten Trainer hatten, der Selkes Stärken einbauen konnte. Die eine gute Nachricht für Werder ist ja, dass sie jetzt nicht die 10 Millionen Euro Ablöse für Selke überweisen muss. Aber hey, als letzten relevanten Beitrag im Werder-Trikot sicherte er sich den Titel "Gomez der Woche"... beim Stand von 1:0 für Gladbach ließ er halt eine 100%ige Chance liegen...

Am Ende kommt eine Mannschaft raus, die ganz gelassen 2 Punkt aus den letzten 12 Spielen holte. Nach dem 23. Spieltag war man eigentlich schon gerettet. 9 Punkte Vorsprung bei einem Spiel weniger sind eigentlich nicht zu verspielen. Nur so als Vergleich: Der Abstand zu Platz 7 waren nur 8 Punkte. Aber anstatt sich mit einem starken Saisonfinish das Selbstvertrauen für höhere Ziele in der nächsten Saison zu holen, schaltete man in den entspannten Verwaltungsmodus. Oder man brach komplett ein, je nachdem wie man es sehen will. Egal was es am Ende war, Kohfeldt konnte es nicht verhindern, was seine Aufgabe war.

Nebenbei ist das "Nachlassen zum Saisonende" ja kein neues Phänomen. Letztes Jahr holte man in der Rückrunde 3 Siege. Den ersten gegen am Ende absteigende Düsseldorfer. Den nächsten gegen bereits abgestiegene Paderborner, die halt mit der Liga am Ende überfordert waren. Einen gegen schon gerettete Kölner am letzten Spieltag. Im Wesentlichen rettete man sich mit 2 Siegen aus 18 Spielen (inklusive Relegation). Und diese 2 Siege kamen gegen in dem Moment nicht bundesligataugliche Gegner. Aber hey, bei diesen Siegen erzielte man überragende 11 Tore. Aber wie immer verweigerte man es, diese Ergebnisse ordentlich einzusortieren und ließ sich blenden...

In der Saison 2017/18 "rettete" man sich mit einer Serie von 5 sieglosen Spielen in Folge, bevor man am letzten Spieltag bedeutungslose 3 Punkte gegen Mainz einfuhr. Wirklich stark war man zum Saisonende ausschließlich 2018/19. Also, auch wenn ich mich wiederhole, in der einen Saison, in der Max Kruse richtig Bock hatte.

Dabei wäre es doch ein Anzeichen für gute Trainingsarbeit, wenn sich die Mannschaft im Verlauf der Saison steigert und ein starkes Saisonfinish hinlegt. Werder ist das in 4 Jahren ein Mal geglückt. Und dann gucken alle überrascht, wenn Kohfeldt auch im 4. Jahr den Bock nicht umstoßen kann. 

Das wirklich bezeichnende in dieser Serie von 12 Spielen mit 2 Punkten ist ja... die Leistung von Ralf Fährmann. Also während Werder auf einem guten Weg war das bessere Torverhältnis zu verspielen und mit 0:4 zurücklag, trieb Fährmann die Kölner in den Wahnsinn. Es würde mich nicht überraschen, wenn der zum Spieler des Spieltages gekürt wird. Oder zumindest in die Elf des Tages kommt. Und nachdem er sich dann doch einmal geschlagen geben musste, stürmte er wild entschlossen nach vorne und hätte nach eine Ecke fast noch den Ausgleich erzielt.

Bezeichnender kann die Bundesliga-Geschichte von Werder nicht enden (und genau das könnte ja bei der finanziellen Lage des Vereines jetzt passiert sein): Ein Schalker, dessen Mannschaft im Jahr 2021 sonst überhaupt nichts gerissen hat, ist am Ende der einzige, der sich gegen den Abstieg der Bremer stemmt. Mit allem was er hat und dem Mut der Verzweiflung.

Um nochmal festzuhalten wie erbärmlich das Saisonfinish von Werder war: Wenn Fährmann am Ende das 1:1 köpft, wäre es nur fair gewesen, wenn die Werder-Profis ihre gesamte Prämie für den Klassenerhalt an ihn überweisen... und man hätte über eine Statue vorm Stadion nachdenken müssen. Von Werder selber kam derweil bis es praktisch viel zu spät war gar nichts...

Und ja, natürlich gehe ich davon aus, dass Werder sich in der Relegation trotzdem gerettet hätte, egal gegen wen es geht. Aber meine extreme Ablehnung gegen diesen kommerziellen Auswuchs ist ja auch mehr als gut dokumentiert... Immerhin hatte Werder den Anstand diesen letzten Rettungsring nicht schon wieder zu ergreifen.

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