Dienstag, 2. Dezember 2025

Das ging ja schnell

 Also am Ende schon schneller als erwartet. Sandro Wagner ist dann in Augsburg schon wieder Geschichte. Aus der geplanten Ära wurde eine kurze Episode. Wenn selbst Manuel Baum einen besseren Punkteschnitt hat, als du, steckst du tief in der Scheiße...

Aber Manuel Baum ist jetzt ja zurück. Fast genau 5 Jahre, nachdem Schalke 04 festgestellt hat, dass der nicht die Lösung ist. Und sich alle einig waren, dass der eher in ein Nachwuchszentrum gehört. Was jetzt nicht schlimm ist. Er hat ja auch 75 % seiner Karriere in diesem Bereich gearbeitet. Aber die Anforderungen dort sind einfach andere. 

Aber hey, wenn er jetzt 4 Punkte aus 2 Spielen holt, dann behalten die den. Aus Nostalgie-Gründen: "Zurück in die gute alte Zeit, als wir eine graue Maus waren." Ist doch auch schön, wenn man sich nach einem kurzen Irrweg auf seine eigentliche Identität zurückbesinnt.

Und in 5 Jahren erzählen sich dann alle das Gruselmärchen vom "attraktiven Fußball in Augsburg": Weißt du noch, wie wir das versucht haben und wie katastrophal das gescheitert ist? Boah nie wieder!

Für mich gibt es zu dieser Entlassung ja zwei Seiten. Erstens: Sandro Wagner ist noch ein Trainer-Azubi. Er war mit der Aufgabe in Augsburg am Ende überfordert und das scheint er ja auch selbst zugegeben zu haben. Das bedeutet nicht, dass aus Wagner kein guter Trainer werden kann. Er wurde halt auch in eine extrem undankbare Situation geworfen. Aber ich würde das grob mit Nuri Şahin in Dortmund vergleichen. 

Viel interessanter ist aber, dass diese Episode uns zeigt, wie gering der Einfluss von Trainern wirklich ist. Denn ein Trainer kann nur das spielen lassen, was der Kader spielen kann. Und der Kader in Augsburg ist halt extrem limitiert. Wer von diesem Kader mehr als ehrlichen Arbeiterfußball erwartet, muss ein gnadenloser Optimist sein.

Oder man müsste die Stabilität und Infrastruktur schaffen, die diesen Fußball ermöglichen. Also eine entsprechende Akademie bauen und pflegen. Und halt nur 2 Trainer in 15 Jahren anstellen, die beide für dieselbe Philosophie stehen. Das klappt halt nur in Freiburg.

Wenn man ehrlich ist, war Wagner von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Er sollte die Nachfolge eines der erfolgreichsten Trainer der Vereinsgeschichte antreten. Das geht dabei immer unter, aber unter Jess Thorup spielte Augsburg die drittbeste Saison ihrer Vereinsgeschichte. Der hat schon das Maximum aus diesem Kader herausgeholt. Und der ist ja nicht freiwillig gegangen.

Wagner sollte jetzt noch mehr aus diesem Kader holen, ohne ihn substanziell zu verbessern. Also ja, man hat in der Summe 11 Millionen Euro mehr investiert, als man eingenommen hat. Für das Geld bekommt man halt Fabian Rieder und Cédric Zesiger. Also die Rollenspieler anderer Bundesligisten. Den untalentierteren der Schlotterbeck-Brüder. Den besten Angreifer von der schlechtesten Offensive der Liga. Mit Han-Noah Massengo einen Ergänzungsspieler von Frankreichs U21 Nationalmannschaft.

Und versteht mich nicht falsch: Das sind schon gute Transfers für Augsburger Verhältnisse. Ein Christian Eriksen kommt halt einfach nicht nach Augsburg. Und ja, die Situation in Wolfsburg ist ähnlich katastrophal, aber Eriksen war zumindest in der Theorie ein Spieler, der das spielerische Niveau einer Mannschaft anheben kann. Also zumindest konnte er das mal, es wird ja auch Gründe haben, warum der Spieler Vereinslos war.

Und auch das nächste große Talent wird eher einen Bogen um Augsburg machen und lieber nach Freiburg gehen. Dort sind die Voraussetzungen einfach viel besser, um sich weiterzuentwickeln. Denn der letzte Trainer, der mehr als 2 Jahre am Stück im Amt war, war... Manuel Baum. Man steckt permanent im Abstiegskampf, was es für jeden Trainer schwieriger macht, auf junge Talente zu setzen. Und man ist auch von einem verschworenen Haufen ehrlicher Arbeiter umgeben, die es einem nicht leicht machen, spielerisch zu glänzen.

Anders ausgedrückt: Es gibt gute Gründe, warum Kevin Danso praktisch der einzige Jugendspieler ist, den man für 5 Millionen verkaufen konnte. Den hat man, damit er sich vernünftig entwickeln kann, permanent verliehen, bis er am Ende eine Saison in Augsburg als Stammspieler absolvierte...
Oder, um das andere Beispiel zu bringen: es verwundert nicht, dass dieser Verein für Pepi nicht der richtige Entwicklungsschritt war.  Pepi spielt mittlerweile in genau der Champions League, von der er damals geträumt hat. Nur halt in Eindhoven und nicht in Augsburg. Und wo er diese Saison mit 2 Toren in die Gruppenphase gestartet ist, würde es mich nicht überraschen, wenn der nächsten Saison in England spielt.

Damit man in Augsburg den Fußball spielen lassen kann, von dem Michael Ströll träumt, müssen erstmal ganz andere Grundlagen schaffen. Hier ist mal eine interessante Statistik: Augsburg hat mit Anton Kade gerade einen einzigen U-Nationalspieler in seinem Verein. Und den hat man im Sommer aus Basel geholt. Dagegen sieht die Dortmunder Nachwuchsakademie richtig erfolgreich aus...

Aber anscheinend glaubten sie in Augsburg wirklich, dass aus all ihren ehrlichen Arbeitern plötzlich Balletttänzer werden, wenn man nur den Trainer austauscht.  Dass eine derart gravierende Änderung so einfach durchgesetzt werden kann, war irgendwo zwischen wirklich naiv und richtig dumm. 

Stroll sollte viel mehr in der Kritik stehen, als Wagner. Denn der hat ja die Anforderungen gestellt, die sachlich gesehen einfach nicht zu erfüllen war. Und er ist derjenige, der auf der strukturellen Ebene dafür sorgen muss, dass diese Anforderungen irgendwann erfüllt werden können. 

Für "uns" als Content Creators ist das wirklich schade, denn die polarisierende Persönlichkeit Wagner hätte uns garantiert noch mehr Stoff geliefert...

Montag, 1. Dezember 2025

Das dümmste an dieser Bundesligasaison ist ja

 Sie ist endlich da, die Novemberkrise. Was ja, da die Bayern den ganzen Sommer über unterwegs waren und der gesamte Kader keine Chance zur Regeneration hat, abzusehen war. Dass die Offensive, abgesehen von dem Spiel gegen Freiburg, nicht mehr in die höchsten Gänge schalten würde, ist keine Überraschung. Und auch Manuel Neuers "nennt es nicht Patzer" könnte man damit erklären, dass er seit Januar im Dauerstress ist. Und das sind ja auch keine eklatanten Fehler, aber er spielt halt gerade konstant ein wenig zu zaghaft. 

Das Ergebnis: Man brauch Heldentaten in den Schlussminuten, um in der Bundesliga zu punkten. Gegen Union erzielte man den Ausgleich in der 93. Minute, gegen St. Pauli den Führungstreffer. Neuers Notenschnitt in der Liga im November liegt bei 4,0, in der Champions League gab es sogar eine 5,0 für ihn.

Und ich habe ja schon in der Vorschau ausgeführt, wie wichtig es sein dürfte, dass die Bayern mit einem gewissen Polster in den Dezember gehen. Da ging es hauptsächlich darum, dass man Jamal Musiala dann wieder langsam heranführen kann, anstatt ihn direkt wieder in die erste Elf zu stellen... was ihm ja während der Klub-WM eher geschadet hat. 

Dass es ein kleines Down gibt, erkennt ja sogar Neuer persönlich an. Wobei ich hier nochmal einschieben muss: Dass die Bayern jeweils in der Schlussphase getroffen haben, hat wenig mit Glück zu tun. Die haben halt mit aller Konsequenz auf das 2:1 gedrückt, weil sie sich nicht mit dem Unentschieden zufriedengeben wollten. Dabei, und das ist das richtig Dumme, wussten sie ja, dass dies für sie reichen würde.

Denn der "gefährlichste" Verfolger aus Leipzig ließ ja schon am Freitag Federn und spielte "nur" Unentschieden. Auch wenn die Bayern sich damit abgefunden hätten, dass es heute halt nicht so läuft, hätten sie ihren Vorsprung gehalten. So bauten sie ihn weiter aus. Wie schon mit dem Unentschieden gegen Union. 

Trotz des kleinen Krischen, dass die Bayern gerade durchleben, bauen sie ihren Vorsprung von 5 auf 8 Punkte aus. Die ersten 9 Spieltage konnte man sich wenigstens einreden, dass RB Leipzig trotz der heftigen Pleite zum Auftakt gegen die Bayern gar nicht so weit weg ist. Die könnten zumindest ein wenig Druck aufrechterhalten und somit die Illusion von Spannung in der Bundesliga erzeugen. Das Unentschieden gegen Gladbach hat diese Illusion endgültig zerstört.

Und somit ist das Rennen um die Meisterschaft nach einem drittel der Saison endgültig entschieden. Es gibt einfach kein realistisches Szenario, in dem diese Bayern 8 Punkte Vorsprung auf diese Konkurrenz´ verspielt. Wer das glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Und klar, den Kleinkindern würde ich diese Illusion lassen... aber auch nur denen.

Nur um das mal ganz praktisch festzuhalten: 2012/13 hatten die Bayern zuletzt nach 8 Spieltagen 12 Punkte Vorsprung. Vor Schalke 04. Das ist so lange her, da war Schalke, die derzeit in der 2. Liga spielen, noch ein Spitzenteam. Bayern wurde danach mit 25 Punkten Vorsprung Meister... Und das war es schon mit historischen Beispielen. Die Bayern hatten ein paar mal 6 oder 7 Punkte Vorsprung, aber bei 8 waren sie wirklich nur das eine Mal.

Jetzt müssen uns die ganzen Experten und Kommentatoren irgendwie erklären, dass wir trotzdem weiterhin einschalten müssen. Denn sonst verlieren sie ja ihre Relevanz. Das bedeutet auch: Die große Hoffnung ruht auf den Hoffenheimern. Wenn die den derzeit wirklich ansehnlichen und erfolgreichen Fußball bis zum Saisonende durchziehen, könnte es wirklich ein Hauen und Stechen um den 4. Champions League Platz geben. Im Wesentlichen könnten sich da Bayer Leverkusen, Hoffenheim, Stuttgart und Frankfurt um den letzten Platz am königlichen Buffet streiten. Aber ist noch nicht abzusehen, welche dieser Mannschaften wann in ihre persönliche Krise schlittern wird. Sich jetzt schon darauf zu versteifen, ist also relativ sinnlos.

Genauso wie Prognosen im Abstiegskampf, die durch ein überraschendes Comeback von Heidenheim über den Haufen geworfen werden kann. Das sind alles Dinge, die man sich im März anguckt und nicht im Dezember. Da hofft man, dass es vorne 2 Mannschaften gibt, die wirklich um die Meisterschaft kämpfen. Das wird dieses Jahr nicht passieren.

Wer also von jetzt bis Anfang April abschaltet, wird nichts Relevantes verpassen. Das kann kein gutes Zeichen sein.  

Donnerstag, 27. November 2025

Ok, lass uns einen Dominik Kohr Deep Dive machen

Wo jetzt ja alle behaupten, dass das ein ganz schlimmer Treter ist. Der verletzt bewusst andere Spieler. Das muss ja nachvollziehbar sein. Bei anderen Rüpeln gibt es ja auch Youtube Highlights. Hier ist Pepes Best-of. Um das bekannteste Beispiel zu nehmen. Wenn Dominik Kohr mindestens genauso schlimm ist, muss es ja irgendwo eine Compilation seiner Platzverweise geben. Dann ist dieser Beitrag schnell erledigt... gibt es natürlich nicht. 

Nun ja, 9 Bundesliga-Platzverweise müssen sich ja nachvollziehen lassen. Das Foul vom Wochenende haben wir wahrscheinlich alle gesehen. Und ja, das war ein harter und rücksichtsloser Tritt. Kein Thema. Nochmal: 3 Spiele Sperre sind vollkommen angemessen. Das reicht dann aber auch. Dazu kommt diese Saison noch ein weiterer Platzverweis gegen Augsburg. Die erste Gelbe ist schon ein klassisches "Zeichen setzen" und wirkt ziemlich unnötig. Die zweite Gelbe sieht er, weil Amiri den Gegner von hinten in ihn schubst. Das ist schon richtig dumm gelaufen. Kohr muss sich an der Stelle aber eher fragen, ob es wirklich nötig war, sich die erste Gelbe tief in der gegnerischen Hälfte abzuholen.

Der einzige Platzverweis der Vorsaison sah er gegen Mainz. Für ein an sich harmloses Halten. Das war halt eine Notbremse, aber die Verletzungsgefahr ist buchstäblich bei 0. 

2024 sah Kohr dann eine Gelb-Rote Karte fürs Meckern. Ist das unfassbar dumm? Bestimmt. Aber nicht wirklich gesundheitsgefährdend. Und ja, die erste Gelbe bekam er für ein rustikales Einsteigen. Und ja, das Foul schafft es auch in die Highlights des Aktuellen Sportstudios. Die zeigen aber auch, dass der Tritt, den Kohr in der ersten Hälfte einstecken musste, wesentlich heftiger war

In der Saison 2022/23 flog Kohr gar nicht vom Platz. Ja, das geht. 2021/22 dafür gleich 2 Mal gegen Union Berlin... Im Rückspiel sieht er innerhalb weniger Minuten 2 Mal Gelb. Eine Frustreaktion auf den 2. Gegentreffer? Bestimmt. Aber zumindest die erste Gelbe kassiert er auch, weil der Unioner die Entscheidung geschickt provoziert. Und es ist auch nichts wirklich Dramatisches dabei.

Als ich im Hinspiel Ticker "Kohr mit viel zu hohem Bein gegen Behrens." gelesen habe, dachte ich: Der trifft den Gegner bestimmt am Kopf. Und wahrscheinlich mit voller Wucht. Die Szene sieht dann aber relativ harmlos aus. Auch wenn es natürlich Gelb ist, ist es aber eben auch nicht mehr und nichts "brutales".

2020/21 sah Kohr 4 Gelbe Karten. Also klar, in der Hinrunde war er Bankdrücker, aber wir reden von einem Spieler, der sonst im Schnitt 10 Verwarnungen sammelt... 

In der Saison davor schickte Kohr sein Bewerbungsschreiben nach Mainz, weil er als Gast in deren Stadion glatt Rot sah... für eine Notbremse. Das ist dann nebenbei schon so weit zurück, dass es keine Videos bei Youtube mehr davon gibt. 2018 sah er für Bayer Leverkusen eine Gelb-Rote Karte, weil er innerhalb kürzester Zeit 2 Mal "zulangte". Der Kicker beschrieb diese Szene nur als "unklug" und nicht als "brutal". Dass Kohr nicht der Intelligenteste ist, wird hier aber gar nicht debattiert.

2016 fliegt er für den FC Augsburg gegen den Hamburger SV für ein taktisches Foul, mit dem er einen Konter unterbricht. Auch nicht clever. Die erste Gelbe bekam er für "wiederholt heftige Zweikampfführung". Dass das ein unangenehmer Gegenspieler ist, stellt auch niemand infrage. 

Und das war es im Wesentlichen schon. Anders ausgedrückt: Der heftige Tritt vom Wochenende war das erste Mal in seiner Karriere, dass Kohr für ein brutales Foul mit Rot vom Platz flog. Die restlichen direkten Platzverweise waren Notbremsen. Und aufgrund seiner aggressiven Spielweise sieht Kohr häufig Gelb. Und dann auch erschreckend häufig 2 Mal kurz nacheinander Gelb und fliegt damit vom Platz. Also gerade, dass er mehrmals innerhalb von 15 Minuten 2 Verwarnungen sieht, ist bedenklich. Also für die Mainzer, nicht unbedingt für die Gegner. Es zeigt mir auch, dass Kohr ein Problem damit hat, seinen Frust über einen bescheidenen Spielverlauf zu kanalisieren. Aber keines dieser Fouls ist wirklich bösartig. 

Früher nannte man das "Aggressive Leader". Ein Mark van Bommel lässt grüßen. Stefan Effenberg verabschiedet sich langsam von seinem Rekord. Denn der hat bisher die meisten Gelben Karten gesammelt. 8 Karten Vorsprung hat der noch

Aber dann beschwert Deniz Undav auch noch, dass Kohr "bekannt dafür ist, Leute zu verletzen". Das kann man ja mal so in den Raum werfen, wenn der Spieler eh schon einen schlechten Ruf hat. Und überprüfen wird das eh niemand. Natürlich ist es ungeschickt von Kohr direkt danach wirklich einmal brutal zuzutreten. Aber man findet eben keine Lowlightvideos, in denen Kohr seine Gegner ins Krankenhaus tritt, auch wenn, das muss wiederholt werden, dass dieses Wochenende viel mit Glück zu tun hatte. Aber hier gibt es eine wichtige Nachricht für Undav: blaue Flecken sind keine Verletzungen, sondern einfach Teil des Profisports.

Man muss an der Stelle zwingend festhalten: Bei keinem seienr 9 Platzverweise hat er einen Gegner ernsthaft verletzt. Im Normalfall ist Kohr "nur" ein aggressiver Spieler, der weder sich noch den Gegner schont. Und ja, er nimmt all die Verwarnungen mit seiner Spielweise in Kauf. Wie ich gestern schon ausgeführt habe, wird er arbeitslos werden, sobald er diese Aggressivität nicht mehr an den Tag legt. 

Das ist die Art von Spieler, die man in den eigenen Reihen haben will, aber gegen die man nur ungern antritt. Damit wird er natürlich von 17 der 18 Bundesligisten gehasst. Aber der ganze Lärm, der jetzt wegen eines brutalen Fouls ist auch übertrieben. 

Mittwoch, 26. November 2025

Eine Szene, über die viel zu wenig diskutiert wird

 Muss eigentlich mal gründlich analysiert werden. Aber es regen sich halt alle lieber über die Rote Karte von Dominik Kohr auf.

Auch wenn das ein heftiger Tritt war: Ich habe ja nichts als Respekt für Kohr. Der gehört vom Talentlevel eher in die dritte, als in die erste Liga. Aber er spielt sehr konstant in der Bundesliga. So konstant, dass er jetzt die meisten Platzverweise aller Zeiten gesammelt hat. Jens Nowotny, der kein brutaler, sondern nur ein langsamer Spieler war, ist diesen Titel endlich los. 

Der Kohr Diskurs ist für mich sowieso faszinierend. Denn einerseits jammern alle immer über mangelnde Typen und prangern die fortschreitende Verweichlichung des Fußballs an. Früher hat man zurückgetreten, heute wird sich kaum noch gewehrt. 

Und dann kommt ein Kohr um die Ecke und alle so "Naja, so richtig wehren man sich ja auch nicht." Man kann es den Fans einfach nicht recht machen.

Kohr ist ein Spieler, der in jedem Spiel alles reinwirft. Der weder sich noch den Gegner schont. Der deswegen auf 102 Verwarnungen kommt. Und ja, der kompensiert seine fußballerischen Defizite mit einer extremen Aggressivität. Aber sobald er diese auf ein normales oder gesundes Maß zurückschraubt, ist er arbeitslos. 

Aber weil wir uns alle auf den Kohr stürzen, verpassen wir eine mindestens genauso wichtige Debatte: das nicht gegebene 2:1für die Hoffenheimer in der Nachspielzeit. Die Szene in der Sportschau beginnt bei 11:03. Das Tor fällt 10 Sekunden später. Sascha Stegemann zeigt sofort an: Handspiel. Das Handspiel wird dann auch aufgelöst. Der Täter war Robin Hranac. Hier ist das grundlegende Problem: in den 10 Sekunden, die die Sportschau zeigt, ist Hranac nicht mal im Bild. Das Handspiel passierte irgendwo im Mittelkreis bei der Balleroberung.

Wenn der VAR da eingreift, fragen hinter alle, ob der wirklich so weit zurückspulen sollte, oder ob er nicht nur Fehlentscheidungen, die direkt zur Torerzielung führen, überprüfen sollte.

Aber es gab noch nicht mal einen VAR Eingriff. Stegemann hat das Handspiel ja sofort erkannt. Er hat das Spiel trotzdem weiterlaufen lassen, obwohl er genau wusste, dass er einem möglichen Treffer die Anerkennung verweigern wird. Warum pfeift er dann nicht gleich

Die wahrscheinlichste Antwort: Stegemann war sich nicht ganz sicher, ob dieser Pfiff auch einer Überprüfung des VARs standhalten wird. Und es könnte ja was passieren, da kann man ja nicht einfach abpfeifen. Und wenn die Balleroberung tief in der gegnerischen Hälfte passiert und Coufall zufällig genau dort steht, wo er die Flanke schlagen kann, sehe ich das sogar ein... Aber wenn mindestens 12, eher 15 Sekunden, vergehen?

Vor allem: Wenn der Schiedsrichter gleich pfeift, wird irgendeine belanglose Szene im Mittelkreis abgepfiffen. Da regt sich dann niemand auf. Also außer die Spieler der betroffenen Mannschaft, die sich immer aufregen, wenn irgendwer was gegen sie pfeift. Selbst Dominik Kohr wollte ja über seinen Platzverweis diskutieren. Nur weil der Schiedsrichter anscheinend Angst davor hatte, gleich eine konsequente Entscheidung zu treffen, kommt es überhaupt zum Angriff der Hoffenheimer.

Da drängt sich mir wieder ein Gedanke auf, den ich jedes Mal habe, wenn es zu derartigen Szenen kommt: Wenn für die angreifende Mannschaft jegliches Handspiel, das über kurz oder lang zu einem Tor führt, strafbar ist, warum pfeift man dann nicht sofort ab, sobald der Ball an die Hand eines Angreifers springt. Aber selbst das trifft hier noch nicht mal zu, denn Hranac springt der Ball ja bei einer Verteidigungsaktion an den Arm.

Ich habe ja schon häufiger die These gelesen, dass die Schiedsrichter zaghafter entscheiden, weil sie ja am Ende nochmal mit dem VAR reden können, falls sie doch richtig lagen und der Elfmeter, den sie eigentlich geben wollten, doch berechtigt war. Ich hielt das für eine absurde These, da solche Entscheidungen ja in Sekunden getroffen werden müssen. Aber diese Szene von Stegemann lässt mich an dieser Haltung zweifeln.

Denn hier haben wir ein klare "Ich lasse das lieber erstmal weiterlaufen, anstatt gleich zu pfeifen" Szene. Und das ist richtig schlecht. Deswegen müsste man eigentlich viel mehr darüber reden.

Mich würde ja auch interessieren, wie die DFL das selbst sieht. Ob die jetzt Stegemann dafür loben, dass er das Spiel hat laufen lassen? Ich würde es ihnen zutrauen. Da entscheiden halt auch Leute, die selber nie Fußball gespielt haben. Oder bei denen es so lange her ist, dass sie vergessen, wie es ist. Aber eigentlich ist es essenziell, dass die Schiedsrichter auf dem Platz als an sich höchste Instanz schnelle und konsequente Entscheidungen treffen.

Wenn das jetzt Schule macht, sind wir nicht mehr weit davon entfernt, dass wir das Spiel einfach so lange laufen lassen, bis es eine Unterbrechung gibt und erst dann "zurückspulen und Entscheidungen treffen" Das war ja eine schöne Ballstafette vor dem Tor, aber eigentlich hätte es 90 Sekunden vorher Freistoß auf der anderen Seite geben müssen...

Nebenbei stellt sich mir auch die Frage: Hätte Stegemann auch das Handspiel gepfiffen, wenn der Angriff nur zu einem Eckball für Hoffenheim geführt hätte? Ist das Handspiel wirklich nur strafbar, wenn daraus ein Tor entsteht? Wäre das nicht eine total bescheuerte Regelauslegung? 

Freitag, 21. November 2025

Christoph Kramer übertrifft sogar einen Dietmar Hamann

 Oder: Ein viel zu spätes Worst Of zur WM-Qualifikation.

Und dass Qualifikation von Qual kommt, hat Deutschland ja eindrucksvoll gegen Luxemburg nachgewiesen. Aber ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss...

Was nebenbei reines Glück war. Also bei dieser WM-Quali, im Gegensatz zur alten Gruppenphase in der Champions League, zählt ja das Torverhältnis vor dem direkten Vergleich. Da aber der direkte Konkurrent aus der Slowakei unmotiviert in Nordirland verloren und gegen Luxemburg auch nicht mehr angeboten hat, bekam man den heimlichen Bonuspunkt doch und hätte sich am letzten Spieltag ein unentschieden leisten können.

Aber dann kam es zum Worst-Case-Szenario: Leroy Sané schaltete in den Lukas Podolski Modus und sicherte sich mit einem überragenden Spiel gegen einen unterlegenen Konkurrenten den Stammplatz fürs Turnier: Der hat uns am Ende gerettet, der muss jetzt in die erste Elf. Und die Rückennummer 10 bekommen. Bevor wir so Idioten wie Wirtz oder Musiala aufstellen, die in der Quali wenig bis nichts gezeigt haben...

In einer anderen Gruppe zeigte sich dagegen die wirkliche Konsequenz dieses Modus. Denn Norwegen hatte sich diesen geheimen Bonuspunkt mit einem 11:1 gegen die Republik Moldau erarbeitet. Die haben nicht in den Verwaltungsmodus geschaltet, sondern in der Schlussphase 4 Tore erzielt. Und sie haben Erling Haaland erst in der 94. Minute ausgewechselt, anstatt ihn schon nach 60 Minuten "zu schonen". 

Für mich sind sowohl Luxemburg - Deutschland als auch Norwegen - Moldau Beweise, dass sich der Abstand zwischen den Kleinen und den Großen eben nicht verkleinert hat. Eher im Gegenteil. Deutschland hat halt dort ein unmotiviertes und uninspiriertes Spiel abgeliefert und am Ende trotzdem relativ souverän gewonnen. 
Und in den meisten Fällen ist das Torverhältnis am Ende egal, also schalten die Spieler, wahrscheinlich sogar bewusst, in den Schongang. Was man denen bei dem übervollen Terminkalender auch nicht verübeln kann. Für die Norweger, die ja als Außenseiter in die Gruppe mit Italien gestartet waren, sah das anders aus: Die wollten die Sachlage schon vor dem Rückspiel klären.

Das war am Ende unnötig, weil man Italien ja auch im Rückspiel deutlich besiegte. Aber im Kicker-Ticker steht da ein interessanter Satz von Nationaltrainer Gennaro Gattuso"9:0 zu gewinnen ist unmöglich."  Also für Italiener.

Derartige Ergebnisse führen natürlich auch zu Spekulationen: Wahrscheinlich hat die norwegische Mafia das Spiel gegen Moldau verschoben, damit die armen Italiener keiner Chance haben. Weil man bei dem Wort Mafia ja sofort an Norwegen denkt.

Und wenn ihr jetzt glaubt, dass die Fifa Norwegen, wegen Erling Haaland, unbedingt bei der WM haben will: Das war der einzige Verband, der die Vergabe der WM nach Qatar offen kritisiert hat. Wir haben genügend großartige Stars, aber wir haben nur einen aufmüpfigen Verband...

Das bringt uns dann zu Christoph Kramer. Der jammert nämlich jetzt schon rum, dass Italien ja die WM verpassen könnte, während Curacao sich qualifiziert hat. Wie grausam. Also man muss an der Stelle festhalten, dass der Mann offensichtlich völlig ungeeignet für seinen Job als Experte bei den Öffentlich Rechtlichen ist. 

Fangen wir zunächst mal mit dem offensichtlichen Problem an: Kramers primäre Aufgabe ist es, uns einzureden, dass "wir" ja Weltmeister werden können. Den Hype, den die deutsche Nationalmannschaft eventuell auf dem Platz entfacht, weiter befeuern. Oder sich einfach so lange wie möglich einreden, dass man sich ja als Turniermannschaft noch steigern wird, wenn es richtig zur Sache geht. Und die Konkurrenz ist ja gar nicht sooo stark, wie alle glauben. 

Und dann will der uns erzählen, dass es schade wäre, wenn Italien die WM verpasst? Der einzige Angstgegner, den Deutschland hat? Also um das mal kurz in Relationen zu setzen: Es gibt ZWEI Blumentopf Raportagen, in denen die uns in Reimform erklären, warum Italien "uns" rausgehauen hat. Schlüsselzeile: "Werden wir Italien in einem Turnier je besiegen?" Und ja, es gab tatsächlich diesen einen Sieg im Elfmeterschießen bei der EM. Aber das ist der einzige Sieg aus 9 Turnier-Spielen ist und bleibt eine grausame Bilanz. Anders ausgedrückt: Ich bin derjenige, der auch erzählt, dass Italien dringend zur WM muss, weil ich als gerade an der Stelle das Anti-Establishment nicht will, dass Deutschland Weltmeister wird.

Aber auch ganz sachlich gesehen, versteht Christoph Kramer anscheinend nicht, worum es bei diesem Turnier geht. Also abgesehen vom "Geld Drucken", was natürlich mittlerweile die Hauptintension ist. Aber man verkauft ja Fußball als globales Phänomen und als weltweites Fest.

Es ging bei diesem Turnier nie darum, die beste Mannschaft der Welt zu küren. Deswegen hat England am Anfang ja nicht mitgemacht: Die wussten eh, dass sie es sind und hielten es für unnötig, deswegen ans andere Ende der Welt zu reisen.

Die beste Mannschaft der Welt wird nebenbei de facto in der Champions League gekrönt: robuster Modus mit etablierter Setzliste und einer K.O. Phase in Hin- und Rückspiel machen es extrem unwahrscheinlich, dass irgendein radikaler Außenseiter dieses Ding gewinnt. Das Finale kann man vielleicht, siehe Dortmund erreichen, aber es gewinnen seit 20 Jahren immer dieselben Kandidaten. Bei einer WM kann dagegen ein schlechter Schiedsrichter dafür sorgen, dass du ausscheidest

Bei einer WM geht es viel mehr darum, die weltweite Entwicklung des Sports abzubilden. Da ist es auch wichtig, dass Italien seit 3 Turnieren so richtig reinscheißt. Man kann es ja nicht diplomatischer ausdrücken: Es droht die dritte WM infolge ohne den viermaligen Weltmeister. 

Aber genauso wichtig ist die Frage, wer die (mittlerweile) sechstbeste Mannschaft aus Nord- und Mittelamerika ist. Und in den jetzt anstehenden Playoffs finden wir raus, ob Asien oder Südamerika tiefer besetzt ist und deswegen mehr Teilnehmer stellen dürfen. Oder ob Suriname die ganz große Sensation gelingt.
In der anderen "Hälfte" des Turnierbaums spielen wir dasselbe Prinzip mit Nord- und Mittelamerika und Afrika durch. Und Neukaledonien ist der Außenseiter. Wird Bolivien/Irak oder Jamaika/DR Kongo bei der WM irgendwas reißen? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem ist die Frage, wer sich da jetzt durchsetzt, extrem spannend, wenn man sich für die globale Entwicklung des Sportes interessiert. Und das macht die Fifa ja offiziell.
Ich sehe mich diese Spiele schon im Stream verfolgen, nur um dann die Gruppenphase komplett zu ignorieren...

Ich gebe offen und ehrlich zu, dass es mir persönlich reichen würde, wenn wir rausfinden, wer die 4. beste Mannschaft im CONCAF Verband ist... und dann die 5. beste in die Playoffs schicken. Aber das Grundprinzip ist nicht nur großartig, sondern die Grundlage für dieses Turnier.

Man könnte ja jedes Turnier der letzten 60 Jahre nehmen. Man wird da Europäer finden, die überraschend zu Hause bleiben mussten, obwohl qualitativ schlechtere Mannschaften teilnehmen durften. Die Niederlande hat die WM 2002 verpasst. Nur um ein Beispiel zu nennen, dass mir aus dem Stegreif einfällt. Belgien verpasste zwischen 2002 und 2014 3 Weltmeisterschaften infolge. Und zuletzt war Italien 2 Mal nacheinander der Dumme. Nachdem man vorher 2 Mal in der Vorrunde gescheitert ist... Anders ausgedrückt: Seitdem sie Deutschland und dann Frankreich geschlagen haben, haben die kein einziges K.O. Spiel mehr bestritten. 

Wenn ein Kramer mit diesem grundlegenden Prinzip nicht klarkommt, muss die Frage gestellt werden, ob er ein geeigneter Experte für dieses Turnier sein kann. Denn anscheinend versteht er nicht, worum es geht.

Das ist nebenbei, um den Bogen zur Überschrift zu schlagen, der Unterschied zu Dietmar Hamann: Der versteht genau, worum es in seinem Job geht. Der ist aber in der freien Wirtschaft. Er muss also für seinen Auftraggeber möglichst viel Aufsehen erregen, damit wir mit diesem Inhalt interagieren. Das gelingt ihm besser als allen anderen "Experten". Kramer ist aber, um den Heute Show Slang zu benutzen, ein staatlich bezahlte Systemnutte. Der soll uns also "nur" erklären, dass unsere GEZ Gebühren nicht völlig sinnlos in dieses überteuerte Turnier gebuttert wurden. Das macht er, indem er uns erklärt, dass "wir" eine Chance auf den Titel habe. Und indem er Fußball als globales Phänomen feiert.

Montag, 10. November 2025

Worst of des "Ich habe es ja prophezeit" Wochenendes

Ich meine natürlich "herbeigeredet"... oder verflucht. Akkurat wie die Bibel.

Denn natürlich lassen sowohl die Bayern, als auch Arsenal unmotiviert Punkte liegen, direkt nachdem ich beide über den grünen Klee gelobt habe... War eigentlich nicht anders zu erwarten.

Aber auf den Rest der Bundesliga ist ja verlass. Deswegen lassen natürlich auch Borussia Dortmund und RB Leipzig Federn. Im Gleichschritt Stillgestanden! Immerhin konnten Stuttgart und Leverkusen aufschließen, womit wir jetzt ein spannendes Rennen um Platz 4 haben.

Wie schlimm ist die Lage? Ich stimme mit Lothar Matthäus überein... einem Main-Stream-Experten

Das absolute Überhighlight des Spieltages kam nebenbei vom Spiel Hoffenheim -Leipzig: El Plastico ist die einzige Ansetzung, bei der das Trikot des Schiedsrichters beliebter ist, als das der Spieler. Aber der Maßstab war dieses Wochenende auch nicht besonders hoch. Die Zusammenfassung von Mainz und Frankfurt bekam ihren Unterhaltungswert einzig dadurch, dass der Kommentator uns verdeutlichen wollte, das wirklich NICHTS in diesem Spiel passiert ist... bis es plötzlich ein brillantes Tor gab. Immerhin war die Anreise kurz.

Viel wichtiger ist Nachricht, dass die Trainer dringend mal in den Spielplan gucken sollten, wann sie gegen Werder Bremen spielen. Denn es gab bisher nach 10 Spieltagen 3 Trainerentlassungen... und der letzte Gegner war jeweils Horst Steffen. Am 20.12. kommt Augburg. Ich erwähne es nur.

Nebenbei hat mit Paul Simonis die 2. Verpflichtung des Sommers ihre Entlassungspapiere bekommen. Nach, natürlich, Erik ten Haag. Das lässt meinen "Die neuen Trainerverpflichtungen sind alle sehr spannend" nicht so sonderlich gut altern. Wahrscheinlich greift man jetzt doch einfach wieder auf seine ehemaligen Spieler, die irgendwo in der Akademie arbeiten zurück. Wolfsburgs Interimslösung hat zwar nie für die Wölfe gespielt (und auch insgesamt nur 2 Bundesligaspiele), passt aber sonst voll in dieses Profil.

Wie auch Eugen Polanski, der sich ja plötzlich doch macht. Also gut genug macht, um Gladbach von den Abstiegsrängen fernzuhalten. Ist das jetzt noch ein Dead Coach Bounce? Oder hat er bewusst die ersten Spiele verloren, damit genau dieser Mythos bei ihm nicht im Raum steht?

Zu Simonis bleibt zu sagen: Ich würde gerne behaupten, dass es lange her ist, seit dem ich eine Mannschaft so gegen den Trainer spielen sah... aber Leverkusen's Boycott ten Haag Movement ist noch nicht soo alt. Wenn man sich aber mal anschaut, wie konsequent man das 2:1 für Werder nicht verteidigt hat, muss man von einer grundlegenden Verweigerungshaltung ausgehen. Das ist aber keine Verteidigung für die Arbeit des Trainers. Im Gegenteil: Das man als Trainer so verdammt schnell seine Kabine komplett verliert, ist ein ganz schlechtes Arbeitszeugnis. Denn all die Probleme, die jetzt den Wolfsburger Kader plagen, im Keim zu ersticken, ist ja eine der Kernaufgaben eines Trainers. Ich würde sogar behaupten: Die wichtigste, das ganze "Spielphilosophie entwickeln" kommt eigentlich erst danach.

Praktisch geht das natürlich Hand in Hand. Also wenn man eine überzeugende Idee hat, ist es auch einfacher, den Kader bei der Stange zu halten. Aber Simonis scheiterte ja mit dem einen und dem anderen.

Ein bisschen Schade ist es schon, dass Wolfsburg jetzt schon die Reißleine zieht. Das war schon ein faszinierender Autounfall, den man sich da anschauen musste. Aber ich sehe auch ein, dass man nicht bis zum Rückspiel gegen Werder warten konnte... 

Donnerstag, 6. November 2025

Damn, die Bayern sind gut

 Also wirklich gut. So richtig. Auch im europäischen Spitzenspiel setzen sie sich durch.

Und das noch nicht mal unverdient. In der ersten Halbzeit war man die deutlich bessere Mannschaft. In Halbzeit 2 verteidigte man in Unterzahl gegen eine der besten Offensivabteilungen der Welt recht souverän den Vorsprung. Ich muss offen zugeben: Ich bin beeindruckt.

Ich gehe sogar noch weiter: Die Bayern gehören jetzt tatsächlich zu den Topfavoriten auf den Titel. Denn die haben ja einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil: Vom 21.12. bis 11.1. haben sie frei. Auch wenn die Winterpause mittlerweile ganz schön geschrumpft ist, gibt es sie noch. 

Also um das kurz mit der Konkurrenz zu vergleichen: Manchester City spielt in diesem Zeitraum 4-malBarcelona immerhin einmal. Aber die dürfen am 20.12. nach Miami fliegen, um dort ein Ligaspiel auszutragenParis St. Germain fliegt nochmal nach Doha, um den Interkontinental Pokal zu gewinnen. Das ist unheimlich wichtig. Und irgendwann muss auch noch deren Supercup ausgetragen werden. Auch wenn der laut Kicker.de abgesagt wurde. Inter Mailand hat 3 Ligaspiele im Kalender

Vielleicht werden auch die Bayern in den Nahen Osten fliegen, um dort Sportswashing zu betreiben. Aber wenn sie das tun, sie werden dort ein Trainingslager abhalten und keine Pflichtspiele bestreiten. Und sie können die Zeit über die Feiertage wirklich zum Regenerieren und Abschalten nutzen.

Gerade wenn man bedenkt, dass die wirkliche Konkurrenz, abgesehen von Arsenal London und Barcelona, im Sommer ebenfalls durch die Knochenmühle Klub-WM gegangen sind, ist das ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil. Arsenal bricht ja über genau die Feiertage, an denen Bayern Urlaub hat, gerne mal ein. Aber die sind fast genauso gut gestartet, die die Bayern, haben 6 Punkte Vorsprung auf Manchester City und eine weiße Weste in der Champions League. Was ist denn da passiert? Und die waren letztes Jahr zum ersten Mal seit 2009 im Halbfinale... Damals hieß das Trainerduell noch Arsène Wenger gegen Alex Ferguson... Ist Arsenal plötzlich auch wieder richtig gut?

Wir werden es nach der Länderspielpause erfahren, wenn die beiden besten Mannschaften der Gruppenphase aufeinander treffen. Und wenn mir vorher irgendjemand erzählt hätte, dass Arsenal gegen Bayern das Duell Zweiter gegen Erster sein wird, hätte ich den für bekloppt erklärt. Also dass Amerika Donald Trump wiedergewählt hat, ist für mich irgendwie nachvollziehbar, aber DAS... da setzt es bei mir aus. 

Nebenbei beweist es auch wieder, wie schön der neue Modus doch ist. Wir haben 2 Mannschaften, die da oben stehen, weil sie bereits gute Gegner (Chelsea, Paris und Atlético Madrid) teils deutlich geschlagen haben. Und jetzt treffen die im direkten Duell aufeinander, damit wir herausfinden können, wer von den beiden wirklich als Favorit gelten muss. Im alten Modus war das praktisch ausgeschlossen. Selbst wenn Bayern und Arsenal in eine Gruppe gelost worden wären, hätten sie vor dem theoretischen Spitzenspiel am 3. Spieltag nur gegen Außenseiter gespielt.

Arsenal hat nebenbei noch ein Date mit Inter, die ebenfalls mit 4 Siegen gestartet sind, im Kalender stehen. Die könnten dieses Szenario also theoretisch 2 Mal in 3 Spieltagen durchspielen.

Für die Bayern ist aber, wenn man genau hinguckt, dieses Spiel relativ entspannt. Also ja, es zu gewinnen wäre nochmal ein letztes Statement. Aber wenn nicht... Man hat danach nur noch die leichten Gegner im Programm, die man als Bayern halt schlagen muss. Sie sind also so gut wie sicher in der Top 4 der Tabelle, was bedeutet, dass sie zumindest in der Theorie einen leichteren Weg ins Viertelfinale haben sollten. Und dort stellt sich dann die Frage, ob man die Form, die man derzeit hat, konservieren konnte. Es geht "nur" ums Prestige, und nicht so sehr um die Position in der Tabelle. Wenn man gegen Paris verloren hätte, sähe das ganz anders aus.

Ich muss an der Stelle erwähnen, dass ich das Spiel gegen Arsenal echt übersehen habe. Also im Kalender habe ich das gesehen, aber ich habe nicht realisiert, wie gut die derzeit sind. Falls die jetzt einbrechen, bin ich schuld, weil die anscheinend nur überragend abliefern, wenn ich nicht hingucke...

Beim Rest der Tabelle wird das Bild dann so langsam deutlich. Aber auch hier zeigt sich, wie schön der neue Modus doch ist. Praktisches Beispiel: Das 4. Gegentor, dass Borussia Dortmund in der Nachspielzeit kassierte, sorgte dafür, dass man von Platz 12 auf Platz 14 abrutschte. So eng sind die Verhältnisse immer noch. Chelsea und Barcelona verabschiedeten sich mit unnötigen Punktverlusten gegen Qarabağ Ağdam und Club Brügge aus dem Rennen um die Top 8. Also zumindest meiner Meinung nach. Und mindestens einer der beiden definitiv, denn die treffen als Nächstes aufeinander. Und wer sich leichtfertige Punkte gegen die Kleinen leistet, muss dann gegen die Elite alles gewinnen, um der Zwischenrunde aus dem Weg zu gehen.

Natürlich hat Paris St. Germain meine "Wenn man gewinnen will, muss man in die Top 8" These direkt widerlegt. Aber das wird, davon bin ich weiterhin überzeugt, die Ausnahme bleiben. Weder Chelsea noch Barca mussten in diesem Sommer einen Kylian Mbappé Abgang verarbeiten. Und genaugenommen war es unfassbar, wie schnell Paris das am Ende verkraftet hat. Und zumindest Barca dürfte nicht die finanziellen Mittel haben, um im Winter einen Unterschiedspieler wie Khvicha Kvaratskhelia zu registrieren... Chelsea versucht derweil seit Jahren so einen Spieler zu holen, liegt aber meistens daneben...

Am anderen Ende der Tabelle dürfte plötzlich Panik bei Villareal und Juventus ausbrechen. Villareal ist auf den ersten Blick schlecht gestartet, war aber ganz sachlich mit einem Punkt aus den Spielen gegen Tottenham, Juventus und Man City voll im Soll. Sie hatten halt das "Pech", dass ihre 3 schweren Gegner alle am Anfang auf dem Menü standen. Aber jetzt hat man gegen Pafos FC verloren und das tut wirklich weh. Wenn man sich an den 11 Punkten orientiert, die man letztes Jahr brauchte, brauchen die jetzt 3 Siege und ein Unentschieden gegen die restliche Konkurrenz... Und als Nächstes geht es nach Dortmund, das ist jetzt kein einfaches Spiel. 

Juventus steht etwas besser da und hat in der Theorie das leichtere Restprogramm... bis einem auffällt, dass Ende November ein Auswärtsspiel am Polarkreis ansteht. Und das ist keine Metapher, FK Bodø/Glimt liegt nördlich des Polarkreises. HITC Sevens hat dieses Jahr bereits ein Video dazu gemacht, wie unangenehm es ist, dort zwischen Oktober und April zu spielen... Da willst du weder spielen noch gewinnen müssen.

Beide Vereine dienen als wunderbare Beispiele, wie der neue Modus die Intensität und die Bedeutung der Spiele nach oben schraubt. Ich wiederhole mich da, aber es muss immer wieder erwähnt werden: Für die Fans des guten und bedeutungsvollen Fußball war dieser neue Modus das Beste, was passieren konnte. Für die Spieler ist es eine Katastrophe, denn die wollen ja bedeutungslose Spiele mit halber Intensität absolvieren.

Aber dafür ist ja bald wieder Länderspielpause.