Man könnte fast behaupten: Kaum macht das ehemalige ganz ordentliche Fachmagazin mal seinen Job, da werden die ganz schön zynisch. Ganz so, als hätte man das ja immer wissen können. War ja abzusehen.
Die Journalisten, die uns die ganze Woche einreden wollten, dass diese Mannschaft Manchester City besiegen kann, stellt jetzt fest, dass es nicht für das Halbfinale reicht. Gutes und kritisches Arbeiten würde einem diese Möglichkeiten vorher aufzeigen. Also nicht hauptsächlich, aber zumindest so nebenbei.
Nehmen wir mal ein praktisches Beispiel: Thomas Tuchel hat ganz nebenbei erklärt, dass Thomas Müller nicht mehr das Tempo hat, um auf diesem ganz hohen Niveau mitzuhalten. Schockierend. Also abgesehen davon, dass ich das seit Jahren behaupte, ist das echt schockierend. Ein wirklich gutes Fachmagazin hätte uns vorher schon erklärt, dass es schwer für Müller wird, auf diesem Niveau mitzuhalten. Und zumindest eine "Sollte Musiala oder Müller starten" Debatte lostreten. Aber etwas Kritisches zu Müller zu schreiben, ist ja nach wie vor verboten. Außer wenn es eh schon zu spät ist, wie nach der WM.
Nebenbei hat man den jetzt kritisierten Hasan Salihamidžić im Sommer noch für den Sadio Mané Transfer gefeiert. Und ganz ehrlich: Dafür, dass der sich vor der wichtigsten Saisonphase verletzt, kann Hasan einfach nichts. Ok, wenig, vielleicht hätte man es verhindern können, wenn man ihn nicht kreuz und quer über den Planeten fliegen lässt. Aber wir werden nie erfahren, ob und wie sich die unnötigen Flugmeilen auf die Karrieren auswirken, denn dann müssten die Vereine ja auch ihre eigene Vorgehensweise überdenken.
Man könnt auch mal in einem Nebensatz fallen lassen, dass Eric Maxim Choupo-Moting's Verletzung nicht die Ausrede sein kann... denn der ist halt auf diesem Niveau auch nur eine gute Ergänzung und kein Stammspieler. Also um es konkret zu machen: Man City hat nicht nur (aber vor allem) Erling Haaland, sondern auch einen Julian Alvarez in der Hinterhand. Das sind 2 Stürmer, die jeweils besser sind. Bayerns großer Hoffnungsträger würde dort noch nicht mal auf der Bank sitzen.
Auch die Frage, ob Dayot Upamecano endgültig den Schritt vom "jungen Jérôme Boateng" zum "erfahrenen Jérôme Boateng" genommen hat, hätte man mal in den Raum werfen können. Also ganz ehrlich: Ich bekomme bei dem immer wieder heftige Boateng Vibes. Also an sich macht der einen echt soliden Job, aber man hat immer noch diese Befürchtung, dass dieser eine unmotivierten Aussetzer hat. Ein Gegentor einleitet oder einen Platzverweis einsammelt. Boateng hat auch Jahre gebraucht, um diesen Ruf loszuwerden. Upamecano hat gerade nachgewiesen, dass er noch ein bisschen braucht. Nicht, dass sich Upamecano Boateng als Vorbild nehmen sollte, dafür ist dessen Privatleben zu abgefuckt...
Und ich sehe ja auch ein, dass man seinen Fokus nicht auf diese Probleme legen muss, aber man kann sie doch zumindest nebenbei mal erwähnen. Vielleicht muss man sich dafür ja doch die Druckausgabe kaufen. Aber ich bezweifele ist, weil der Kicker sowohl bei den Bayern als auch bei der deutschen Nationalmannschaft seit Jahrzehnten jegliche kritische Vorberichterstattung vermissen lässt.
Sich dann danach zu so einem zynischen Kommentar hinreißen zu lassen, ist ganz schön erbärmlich.
Und natürlich ist die Selbstzufriedenheit der Bayern extrem seltsam. Gerade Joshua Kimmich macht ja eine 180 Grad Wende. Es ist auch irgendwie ein bezeichnendes Selbsturteil, wenn man es genau nimmt: Anscheinend ist man nicht wirklich geschockt, weil man am Ende chancenlos war. Man ist ganz froh, dass man zumindest 60 Minuten lang mithalten konnte.
Mehr war es aber sachlich gesehen auch nicht. Also man hatte vor dem 2:0 schon Glück, dass City die erste Einladung von Upamecano ausgeschlagen hat. Und klar, es gab die eine Szene, in der Ruben Dias den Schuss von Musiala blocken musste. Der wäre wahrscheinlich reingegangen. Aber das war auch der einzige, klare Abschluss im Strafraum... und er wurde halt abgeblockt. Der Rest waren Fernschüsse und Halbchancen.
Und klar, City geht auch mit einem Distanzschuss in Führung. Wenn das ein Deutscher so gemacht hätte, wäre es das Tor des Monats. Aber die Übersicht, mit der Haaland das 2:0 vorbereitet... die Konsequenz, mit der das Dritte heraus gespielt wird. Genau das fehlte den Bayern.
Noch viel problematischer war ja, wie krass man nach dem 2:0 auseinander gebrochen ist. Die haben sich praktisch ergeben und konnten froh sein, dass es nur 3:0 ausging. Obwohl man eigentlich nur ein einziges Tor brauchte, um sich eine halbwegs ordentliche Ausgangsposition zu erarbeiten, kassierte man sofort das vernichtende 3. Kaum ein Aufbäumen und definitiv kein Mia san Mia. Das kennt man doch eigentlich nur aus der anderen Perspektive.
Hier ist noch eine absurde Statistik, die Thomas Tuchel wirklich Sorgen bereiten sollte: Die Bayern haben in den letzten 6 Jahren 5 Champions League Spiele verloren. Das ist eine unfassbar starke Bilanz. Deswegen hat man ja auch den einen Titel. Diese 5 Niederlagen kamen unter... Tuchel, Nagelsmann, Flick, Kovac und Heynckes. Korrekt: Das sind 5 unterschiedliche Trainer. Anders ausgedrückt: Nach der ersten Champions League Niederlage ist man zeitnah weg. Es ist schon absurd, wie oft die Bayern ihren Trainer gewechselt haben, obwohl sie doch so verdammt erfolgreich sind.
Nachtrag: Da ist nebenbei auch echt faszinierend, dass der Kicker jetzt ständig von einer "verunsicherten Mannschaft" spricht. Vielleicht sollten die mal ihre Datenbank aufmachen: Diese ach so verunsicherte Mannschaft hat vorher in 5 Monaten 2 Spiele verloren. Das sind 2 von 26. In dieser Zeit hat man Inter Mailand, Barcelona und Paris St. Germain geschlagen. Jetzt hat Tuchel in 10 Tagen schon genau so viele Niederlagen.
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