Weil ich mich nach wie vor weigere, einfach die Spotify Listen zu teilen. Was halt auch nicht geht, weil ich wirklich lieber Alben als einzelne Songs höre und ich mich auch wirklich nicht kurz fassen kann. Und ja, hauptsächlich gehe ich das musikalische Jahr für mich durch. Wie jedes Jahr. Stichtag ist wie immer der 13.12. Was nur bedeutet, dass ich die Platte spätestens dann gefunden haben muss.
Platz 18: Die Ärzte - Numus Cecidit: ein gutes Album? Definitiv nicht. Aber manchmal geht es mehr ums "Haben" als ums "Brauchen". Und wenn ich mir mehr als eine von diesem raren Vinyl gekauft hätte, hätte ich das Ticket refinanzieren können. Auf diesem Album werden jedenfalls Die Ärzte Songs im Ska und Rockabilly Gewand neu interpretiert. Man erkennt die Originale immer noch, stellt aber auch fest, dass die einfach besser sind. Aber dafür war es mal eine schöne Variante, um günstig an eine Die Ärzte Vinyl zu kommen, denn was die für die Reissues verlangen, ist wirklich nicht feierlich.
Platz 17: Edgar Wasser - WTF IRL: Bin ich zu kritisch mit dem besten schlechten Rapper, den wir haben? Also ja, auch nach 10 Jahren ist man sich immer noch nicht ganz sicher, ob er das bewusst macht, oder einfach nicht besser rappen kann. Auch wenn man definitiv zum "Er macht das schon bewusst" tendiert. Das größte Problem mit Edgar Wasser zeigt sich aber halt auch mit diesem Album: Er ist eigentlich nur ein genialer Feature Gast. Besser im Tandem mit Fatoni oder Juse Ju. Und ja, die Texte sind alle verdammt gut. Die Songs fühlen sich trotzdem mehr wie Skizzen an, die noch eine 2. oder dritte Strophe vertragen könnten. So ist der längste Song 2:34 lang. Und man knackt trotz 15 Songs nicht mal die 30 Minuten. Trotzdem hat er verdammt viele gute Ideen. Wie bei "Hotline" muss man oft 2 mal hinhören, um zu verstehen, was er eigentlich sagen wollte. Aber das ist definitiv Absicht.
Platz 16: Aekjubohra: Keine Passives Abseits Jahrescharts ohne Familienalbum. Also ja, ich besitze das Vinyl nur, weil ein anderer Cousin da mitspielt. Sonst wäre ich da nie drüber gestolpert. Und die Band ist so unbekannt, dass man nicht mal Youtube Videos verlinken kann. Und Spotify haben die auch nicht. Dann also Bandcamp. Offiziell machen die Jungs "Ackerpunk", wer also Bock auf harte Gitarren hat, ist hier richtig aufgehoben.
Platz 15: Kae Tempest - The Line Is A Curve: Kae Tempest macht anscheinend alles: Lyrik, Theater und Rap. Und das auch schon seit Ewigkeiten. Trotzdem hat Kae sich vor mir versteckt. Ein klarer Fall von "Zu viel Musik, zu wenig Zeit." The Line Is A Cuive ist das Album eines Menschen, der genau weiß, was sie mit der Sprache machen und wo sie hin will. Und nebenbei bringt mich das nonbinäre "they" in sprachliche Probleme. Aber genau darum geht es halt auch in dem Album. Ich bin lange noch nicht fertig mit dem Album und finde bei jedem Hören neue geile Stellen, aber als erstes hat mich More Pressure abgeholt.
Platz 14: Moorcheeba - The Blackest Blue: Bei denen hat sich genau genommen wenig getan, seit dem sie 2018 mit dem letzten Album auf Platz 13 gelandet sind. Was auch nicht weiter schlimm ist. Sky und Ross ziehen halt souverän ihr Ding durch. Sie haben nach wie vor ihren eigenen Sound und einen hohen Wiedererkennungswert. Der Unterschied zu 2018 ist, dass ich Oh Oh Yeah live sehen durfte.
Platz 13: Meskreem Mees - Julius: Um die Jahrescharts ad absurdum zu führen: Das Album ist genau genommen von 2021. Aber es kam immerhin erst im November raus, da kann man schon ein Weilchen brauchen, um es auch zu finden. Meskreem Mees beweist aber definitiv, dass guter Folk nicht von alten, weißen Amerikanern gemacht werden muss. Junge, in Addis Abeba geborene Belgierinnen können das auch. Das Album besteht im Wesentlichen aus Gitarre, Cello, Gesang und wahnsinnig guten Texten. Man braucht aber wirklich Zeit und Ruhe, um zu verstehen, was sie da alles textlich macht. Als Schlüsselstück verlinke ich hier "Where I'm from"
Platz 12: Umse - Séparée: Schön, dass so was mittlerweile geht. Also, dass man auch einfach jahrelang Deutschrap auf der Indieschiene machen kann und damit halbwegs erfolgreich seinen Lebenswandel gestalten kann. Umse ist mittlerweile 39, aber hat sich halt auch zu einem richtig guten Rapper entwickelt. Auf dem Album rappt er vielleicht ein bisschen zu viel darüber, dass es bei ihm jetzt läuft, aber das sei ihm gegönnt.
Platz 11: Tuvaband - Growing Pains: Tuvaband besteht aus Tuva, einer norwegischen Sängerin und Simon Would, einem britischen Produzenten. Wie sich das für ordentliche Musiker gehört, trifft man sich in Berlin. Zusammen machen sie eher düstere Popmusik, wie sich das für Skandinavier halt gehört. Also außer man heißt Haedda Mae. Aber die macht nur EPs. Aber hier soll es ja auch um die Skandinavierin gehen, die auch skandinavisch klingt. Vielleicht ist Musik ja auch erst so düster, seit dem sie in einer kaputten Stadt lebt. Chancen stehen 50-50. Das Ergebnis der "Growing Pains" sind jedenfalls "Fully mature things".
Platz 10: Roger Rekkles - Melanin: Es ist schon faszinierend: Der Name ist mir seit 2001 ein Begriff, weil er als DJ von Raptile angefangen hat und halt auch immer im Main Concept Umfeld rum hing. Man lief sich halt immer wieder über den Weg. Aber erst 20 Jahre später habe ich dann wirklich auf ein Roger Rekkles Album gewartet. Allerdings hat dieses Album halt auch seine 20 Jahre gebraucht. Es klingt einerseits einfach sehr erwachsen. Anderseits packt er halt 20 Jahre Frust über Rassismus in dieses Werk. Wer damit ein Problem hat, sollte sich von diesem Album fern halten, denn es steckt praktisch in jedem Song. Was bei Rogers sonstiger Arbeit für wenig Überraschung sorgt. Bleibt zu hoffen, dass Roger irgendwann mal ein Album machen kann, in dem er über dieses Thema nicht mehr reden muss... Vielleicht, wenn er 80 ist. Das optimistischste Stück ist "Ich halt dich fest".
Platz 9: Muff Potter - Bei aller Liebe: Eigentlich soll man auf dem Reeperbahnfestival ja junge Bands kennenlernen. Muff Potter waren schon 2021 nicht mehr jung, schließlich haben die sich 2009 ertsmals aufgelöst, aber während der Pandemie muss man halt nehmen, was man kriegen kann. Und schon da blieb bei mir "Privat" als verdammt guter Song hängen. Als ich dann dieses Jahr auf einem Flughafen auf Die Ärzte gewartet habe, erkannte ich den auch sofort wieder, und habe mir dann direkt nach Release die mit "Tempelhof" signierte Vinyl gesichert. Die war dann mit mir in Trebbin, was der Platte noch mehr Charakter gibt. Das Album ist bei weitem nicht mehr so punkig, wie in den Jugendjahren, sondern verschiebt sich mehr in Richtung Hamburger Schule. Das würde ich als Laie zumindest behaupten, andere dürften mich dafür enterben. Der Nagel ist definitiv ein guter Texter, den man auch 2 Mal im Jahr live sehen kann.
Platz 8: Waving the Guns - Am Käfig rütteln: Manche Bands brauchen einfach länger, um wirklich gut zu werden. Oder es muss halt alles aussortiert werden, was einen zurückhält. Also ja, ich verstehe nicht ganz genau, warum "Fünf vor Fick", welches auch schon gut war, als "Milli Dance und U.N.O." veröffentlich wurde, man jetzt aber zu "Waving the Guns" zurückkehrt, obwohl mit Admiral Adonis und Doktor Damage 2 wesentliche Teile der Crew nicht mehr dabei sind. Dafür hat man jetzt DJ Joaf für die Cuts und das Liveprogramm ausgegraben, den ich noch von der Northside Tribe Vinyl kenne. Aber so richtig zur Band gehört er dann doch nicht. Es ist halt eigentlich ein Milli Dance Solo Album. Andererseits macht Waving the Guns halt doch genau das, was sie immer gemacht haben: antifaschistische Rapmusik. Und das mittlerweile auf wirklich gutem Niveau. Da reicht das Geld tatsächlich für einen Urlaub auf Gran Canaria.
Platz 7: Little Simz - Sometimes I might be introvert: Auch die hätte mir früher auffallen dürfen. Schließlich ist das hier schon ihr vorletztes Album, das aktuelle verdaue ich dann nächstes Jahr. Little Simz liefert den amtlichen Beweis, dass man gar nicht viel machen muss, um mich zu begeistern: Einfach nur gut zu rappen, reicht da völlig aus. Vernünftige Inhalte helfen ungemein. Beides liefert Little Simz souverän. Demonstrativ wird "I love you, I hate you" verlinkt.
Platz 6: Tocotronic - Nie wieder Krieg: Ach Tocotronic, was soll ich mit dir nur anstellen. Irgendwie schreibt ihr zwischendurch geniale Lieder, aber dann auch immer wieder einen Haufen Musik, mit dem mich nichts anfangen kann. Nirgends zeigt sich das so deutlich, wie auf diesem Album, welches mit "Nie wieder Krieg" und "Jugend ohne Gott gegen Faschismus" echte Höhepunkte des Musikjahres beinhaltet. Aber drumherum sind auch verdammt viele Songs wie "Sirius" von der Bonus Vinyl, die ich einfach nicht brauche. Es bleibt also alles wie immer.
Platz 5: Ätna - Push Life: Ich habe ja eine ganze Weile gebraucht, um die beiden zu mögen. Also das Debütalbum "Made by Desire" war einfach nicht so mein Ding. Aber dann haben sie das beste Konzert gespielt, welches ich während der Pandemie sehen durfte. Was natürlich auch nur bedeutet: das beste Konzert unter den beschissenen Umständen. Aber Ätna mit der NDR Bigband in der Elbphilharmonie war schon richtig fett. Also das drittbeste Elbphilharmonie, dass ich je sehen durfte. Ätna ist grob vereinfacht gesagt Die Antwoord in kreativ. Die Ähnlichkeiten dürften sich aber hauptsächlich in Inez Gesang wiederfinden. Denn Ätna macht halt eher verspielten Electro mit ganz vielen Effekten auf der Stimme. Ich verlinke demostrativ "Smile".
Platz 4: Neonschwarz - Morgengrauen: Beim ersten Hören dachte ich mir: Ist halt nen Neonschwarz Album. Also links-grün-versiffter Gutmenschen Hip Hop. Schön, dass es das gibt, aber es ist auch keine wirkliche Weiterentwicklung. Aber wahrscheinlich hat der Fakt, dass ich "Alles groß" 2-mal live sehen durfte, dass ich dieses Album weit nach oben geschoben habe. Was jetzt aber nicht bedeutet, dass ich auf ein Marie Currie Soloalbum warte. Neonschwarz ist als Band besser als ihre Einzelteile. Und nebenbei eine der wenigen Bands, bei der DJ Spion Y ein fester Bestandteil der Musik ist und nicht nur Live die Platten auflegt. Warum gibt es das eigentlich so selten? Also gerade, wo Blumentopf, die Beginner und Eins Zwo doch legendäre Crews waren oder sind. Trotzdem stellen sich die Rapper lieber als Egoisten da. Oh und ja, "Einzelfall" kommt mit Lina-Referenz. Und "In der Freiheit spielen nur noch Nena und der Wendler" dürfte eine der besten Pandemie-Zeilen sein, die niemand gebraucht hat.
Platz 3: Fiva - So viel Meer: Ach ja, Fiva. Trotz all der neuen und jüngeren Konkurrenz bleibt Fiva für mich die beste Rapperin des Landes. Deswegen habe ich mir die Vinyl auch schon signieren lassen, bevor man sie offiziell bestellen konnte. Fivas Musik begleitet mich halt seit über 20 Jahren. Sie war eine derjenigen, die mich durch die "dunklen Jahre" um 2003 gebracht hat, als alles Aggro war und verdammt viele gute Rapper einfach geschwiegen haben. Mittlerweile ist die Szene ja so groß gewordenm dass das alles parallel nebeneinander existieren kann. Auch mit 44 Jahren hat sie auf der Bühne noch dasselbe Lächeln, dass sie 2006 schon aufgelegt hat. Fiva ist sprachlich einfach brillant. Und wenn ich das Album schon komplett entschlüsselt hätte, würde es vielleicht noch weiter oben stehen. Aber der Titeltrack ist absolut überragend. Und normalerweise brauche ich mehr als 20 Tage um Songs in dieser Kategorie einzuordnen. Also zur Einordnung: Ich habe 13 Jahre gebraucht, um Goldfisch in diese 5 Sterne Kategorie zu heben.
Platz 2: Mono und Nikitaman - Autonome Zone: Ich bin ein wenig verwirrt, dass dieses Album erst dieses Jahr rausgekommen ist. Verdammt viele Songs des Albums waren halt schon vorher im Umflauf. Zumindest wenn man ein richtiger Groupie ist. Und das bin ich definitiv, seit dem ich die beiden 2004 das erste Mal live gesehen haben. Das muss man an der Stelle dringend dazu erwähnen: Mono und Nikitaman muss man in einem kleinen Club live gesehen haben. Die haben auf der Bühne eine unfassbare und ansteckende Energie. Mit "Freier Fall" arbeiter Nick dann nach Jahren seine eigene Jugend auf. Man merkt dem Lied an, dass es 20 Jahre gedauert hat, bis er ihn so schreiben konnte. "Wenn man tanzt" traf mitten in der Pandemie, während man auf Konzerten und auch sonst einfach nicht tanzen durfte, mitten ins Herz. "Geboren um frei zu sein" schlägt den Bogen von unseren europäischen Umgang mit den Flüchtlingskrisen zu Adorno. Und das sind nur die Höhepunkte, auch der Rest ist wirklich großartig. Also zumindest, wenn man auf derartige Musik steht. Nikitaman ist nebenbei auch einfach ein überragender Texter, der immer wieder komplexe Sätze wie selbstverständlich auf den Takt bringt.
Platz 1: Beyoncé Knowles - Act I: Renaissance: Zur allgemeinen Überraschung... steht die Königin auf Platz 1. Wer hätte das gedacht. Wobei ich zugeben muss: Nach dem ersten Hören dachte ich: Ich vermisse die wütende Beyoncé. Aber spätestens, als ich im Booklet gelesen habe, dass dies Teil I von III sein soll, dachte ich mir: Das hat sie sich für den 2. Teil aufgespart, jetzt ist halt erstmal Zeit für eine Party. Meine persönliche Entstehungstheorie: Beyoncé hat in den letzten 2 Jahren festgestellt, dass die DJs in den Clubs immernoch "Crazy in Love" und "Single Ladies" auflegen und dass sie da mal dringend ein Update rausschicken muss: Ein Album, dass komplett auf den Dancefloor will. Das aber auch einfach auf einem anderen Level ist, als Single Ladies. Also es passiert auf "Break my Soul" musikalisch so unfassbar viel und es werden ständig neue Elemente eingeführt... weshalb die DJs doch lieber den sicheren alten Scheiß auflegen. Das ganze Album hat eine unfassbare Energie. Die erste Pause zum Luft holen gönnt es sich ganz kurz im Intro von "Church Girl" und das ist der 7. Song. Dazu kommt, dass das Album mit seinen nahtlosen Übergängen nebenbei auch so angelegt ist, dass man es eigentlich am Stück hören muss. Und nebenbei packt sie auch noch ein paar fiese Zeilen in die Tanzexzesse, wie das "May I suggest, you don't fuck with my Sis." Die einzige Schwachstelle könnte darin liegen, dass die Homage an ihren Göttergatten mit 2 Songs und 10 Minuten etwas zu lang geworden ist.
Lasst uns mal an der Stelle über das "Spaz out" reden. Also die Zeile, die sie ja leider geändert hat. Denn gerade Heated fasst die Energie des Albums am besten zusammen. Das Outro, in der die entsprechende, Zeile mit den behindertenfeindlichen Fluch drauf ist, klingt halt, als würde Beyoncé einfach in der Gesangskabine stehen und spontan freidrehen. Das klingt auch komplett improvisiert und am Ende hört man sie einfach nur dreckig Lachen. Man kann die Freude der Aufnahme förmlich raushören.
Hey, vielleicht bekommt sie ja sogar ihren Grammy für "Best Album", der ihr immernoch fehlt.
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