Wer hat das nochmal gesagt? Angeblich Eric Cantona. Also anscheinend hat der sich mit entsprechendem Merch ablichten lassen... Was mich auch nur zu dem Punkt bringt: Cantona trägt Merchandise von Roter Stern Leipzig... Das ist ein Bezirksligist, der, optimistisch ausgedrückt, sozial engagiert ist. Wie geil ist das denn?
Anyhow, ich wollte ja woanders hin: FUCK YOUR NATIONAL IDENTITY!
Denn es ist mal wieder so weit. Die gewöhnlichen 2 Jahre sind vergangen. Dieses Mal waren es 3, aber das tut nichts zur Sache. Denn alle 2 Jahre stellen wir völlig entsetzt fest: Die Italiener spielen gar keinen Catenaccio mehr! Die spielen mittlerweile richtig attraktiven Fußball. Wie unfair von denen. Die haben doch sonst IMMER nur gemauert.
Hier ist das faszinierende: Die ursprüngliche Catenaccio Strategie kommt aus den 30er Jahren. Sie wurde in Italien bis in die 70er Jahre hinein praktiziert. Aber selbst das ist 50 Jahre her. Trotzdem wird das Klischee jedes Turnier wieder ausgepackt.
Also nur um das mal festzuhalten: Arigo Sacchi legte die Grundlagen für modernes, offensives Ballbesitzspiel. Er ist quasi der Vater von Pep Guardiola, wenn Johann Cruyff die Mutter ist. Und der war 1994 italienischer Nationaltrainer.
Oh und ein gewisser Marcelo Lippi hat in einem WM-Halbfinale 3 Stürmer eingewechselt, weil er auf keinen Fall ins Elfmeterschießen wollte. Hat auch gut funktioniert. Und jetzt haben sie mit Roberto Mancini einen Trainer, der für begeisternden Offensivfußball steht. Wer da überrascht ist, dass die nicht mehr Mauern... hat sich praktisch seit 100 Jahren nicht mehr mit Fußball beschäftigt. Das ist natürlich auch wieder der Kicker.
Aber dieses Stigma der defensiv denkenden Mannschaft werden sie nicht mehr los. Obwohl es mittlerweile die Franzosen sind, die sich vor dem eigenen Tor verbarrikadieren, auch wenn sie das gar nicht nötig haben. Aber da niemand auf die Idee kommt, dass die Franzosen, bei all ihrem Offensivpotenzial, von sich aus mauern, gehen alle davon aus, dass es eine großartige Leistung war, gegen die 60 % Ballbesitz zu haben. Wie schon erwähnt schafft das selbst Peru.
Die Franzosen spielen einen richtigen Assi-Fußball. Da fängt der Torwart in der 30. Minute mit dem Zeitspiel an. Aber weil das unserem Bild von Michel Platini und Zinedine Zidane entspricht, weigern wir uns einfach, das anzuerkennen. Deswegen steht in der Vorschau auch kein "Wird sich zum Titel Mauern, obwohl sie Potenzial für wesentlich mehr hätten... aber der Erfolg gibt Didier Deschamps recht."
Und gerade das Deschamps schon vor 3 Jahren seine technisch hochbegabten Individualisten davon überzeugte, dass der Weg zum Titel über disziplinierte Defensivarbeit gehen wird, ist eine herausragende Trainerleistung. Man sieht das ja an Paul Pogba, der im Nationalteam ein ganz anderer Spieler ist, als bei Manchester United. Die Arbeit, die Deschamps macht, ist schon richtig, richtig gut. Aber man muss halt auch den richtigen Kontext dieser Arbeit darstellen. Macht aber keiner, weil es nicht ins Klischee passt.
Nächstes Beispiel: Die Spanier sollen jahrelang Tikitaka mit falscher 9 gespielt haben. "Wie Barca ohne Messi", weil wir das halt erwarten, wenn eine Mannschaft um Xavi und Iniesta aufgebaut wird. Aber, dass die jahrelang nur mit Ballbesitz verteidigt haben. Dass die eigentlich nicht angegriffen haben, sondern nur den Gegner Müde spielen wollten, um dann irgendwann ein Tor zu erzielen. Erzählt euch natürlich niemand, weil es nicht ins Klischee passt. Also gut, ich habe euch das natürlich erzählt, aber Details.
Wo wir schon dabei sind: Die Holländer haben seit dem Rücktritt von Johann Cruyff häufiger Rumpelfußball um Beert van Marwijk und Mark van Bommel als Voetball Total gespielt. Trotzdem gehen wir vor jedem Turnier davon aus, dass die begeisternden Offensivfußball spielen, nur um wieder enttäuscht zu werden.
Nur um zu beweisen, dass das in alle Richtungen geht: Selbst wir Deutschen gelten ja immer als "Turniermannschaft, die sich reinarbeitet und mit den deutschen Tugenden" überzeugt. Aber die beste Nationalelf aller Zeiten bestand in wesentlichen Teilen aus Beckenbauer, Breitner, Netzer, Heynckes und Müller. Die stehen jetzt nicht für die klassischen deutschen Tugenden.
Jetzt wird aber gerne behauptet, dass Jogi Löw eine neue Identität geschaffen hat. Dabei hat er doch eigentlich "nur" den Geist der 70er Jahre wiederbelebt. Und das ohne das damalige Niveau wieder zu erreichen oder zu übertreffen.
Selbst ich rechne es Jogi Löw hoch an, dass er immer der Manager war, der schon beim ersten Spieltag auf Sieg spielte anstatt zu taktieren. Und der auch schon am ersten Spieltag konsequent aufs 2. und 3. Tor ging. Das machen halt nicht viele. Aber er hat die deutsche Nationalmannschaft nach finsteren Jahren, die nichts mit ihm zu tun hatte, wieder dahin geführt, wo sie sonst auch immer war: Er hat den guten Individualisten (Damals Beckenbauer und Netzer, 2014 Özil und Kroos) ein Kollektiv zur Seite gestellt, in dem diese gut funktionieren konnte.
Aber es passt halt nicht in das Klischee, dass "wir" auch schon in den 70ern einige großartige Künstler in der Mannschaft hatten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen