Also ein Länderspiel der Herren, die Damen würden so was nie anbieten.
Es ist schon faszinierend, dass die Deutsche Nationalmannschaft es trotz der eher katastrophalen letzten 10 Jahre immer noch schafft, neue Tiefpunkte zu finden. Aber dann verlieren die ihr erstes Auswärtsspiel in einer WM-Qualifikation... im 53. Versuch.
Und es kommt natürlich die erwartbaren Reaktionen. Der DFB muss quasi seine gesamte Abwehr vor rassistischen Äußerungen schützen. Her muss ich dann doch mal einen etwas komplexeren Einschub bringen: Letzte Woche habe ich es tatsächlich geschafft, den Kicker der Vorwoche zu kaufen. Also mit DFB-Pokal Ergebnissen statt Bundesliga. Ich war halt entspannt unterwegs. Das entpuppte sich aber gar nicht als ganz großer Fehlkauf, denn so bekam ich das wunderbar unkritische Interview mit Michael Gabriel als Munition. Der ist Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte und malt ein rosarotes Bild der Fanszene: die alten Hooligans wurden durch eine neue Generation an Ultras verdrängt. Und die sind so viel bunter, diverser und toleranter. Man benimmt sich auch auf Auswärtsfahrten nicht mehr so asozial. In dem Kopf von Gabriel muss das alles echt schön sein.
Das absurde: Das Interview war im selben Kicker, in dem die ganzen rassistischen Ausschreitungen des Pokalwochenendes erwähnt werden mussten. Und hey, vielleicht hat der sogar ein bisschen recht, weil sich die rassistischen Fans mittlerweile lieber in der Anonymität des Internets outen, als im Block. Dass aber keiner von denen ins Stadion geht, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Und das es gerade eher schlimmer als besser wird, sollte offensichtlich sein.
Dass Ausschreitungen einfach zu den Relegationsspielen dazugehören, wird auch einfach ignoriert. Und die Anfeindungen und Gewalt, die RB Leipzig Fans auf Auswärtsfahrten erleben durften, wird auch nicht erwähnt. Auch wenn die einfach nicht mehr wegfahren, weil sie einfach nur friedlich Fußball gucken wollen, anstatt im Krankenhaus zu landen. Diese tolerante und diverse Fanwelt bricht sofort in sich zusammen, sobald es sportlich nicht mehr läuft... oder die anderen Anhänger Fans eines Konstruktes sind, welches aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt werden muss.
Und jetzt gibt es wieder rassistische Beleidigungen nach einem Länderspiel. Das sind bestimmt nur bedauerliche Einzelfälle.
Völlig absurd wird es, wenn Debütant Nnamdi Collins ins Kreuzfeuer der Kritik gelangt. Der gebürtige Düsseldorfer ist 21 Jahre alt. Er wurde vielleicht etwas früh in die Startelf geworfen, schließlich hat er erst eine ordentliche Saison in der Vita stehen. Aber von dem jetzt zu erwarten, dass er funktioniert, wenn Jonathan Tah, Antonio Rüdiger und Joshua Kimmich ihm keinerlei Hilfe geben, ist absurd. Wenn deine erfahrenen Nebenleute so einen Scheiß spielen, ist es praktisch unmöglich als Debütant gut auszusehen.
Der abgesehen von den Rassisten dümmste Kommentar, den ich gesehen habe, war nebenbei ein "Wir sollten die U21 spielen lassen"... während mit Collins und Nick Woltemade 2 der "Helden des Sommers" in der Startelf standen. Nur um zu beweisen, wie wenig sich diese Leute mit Fußball beschäftigen...
Die Frage, warum eine Mannschaft mit Tah, Rüdiger und Kimmich im Zentrum so auseinanderfällt, muss aber gestellt werden. Also bevor jetzt gleich die Forderung nach noch weniger Qualität kommt, muss man festhalten, dass da eigentlich genügend Veteranen und Führungsspieler auf dem Platz standen, um die Slowakai, eine eher drittklassige Mannschaft zu schlagen.
Bei der Forderung nach weniger Qualität von Julian Nagelsmann muss man auch festhalten: Es ist ein wenig überraschend, wie dünn man gerade besetzt ist:
Im Tor steht gerade aus irgendwelchen Gründen Oliver Baumann. Der ist und bleibt für mich das, was ich einen durchschnittlichen Bundesligatorwart nenne. Der spielt ja auch seit Ewigkeiten in Hoffenheim, weil sich trotz oder wegen deren Achterbahnfahrten niemand für ihn interessiert. Wenn eine der konstant um Europa spielenden Mannschaften wie der SC Freiburg nach einem neuen Torwart sucht, nehmen die lieber einen jungen Niederländer mit Mark Flekken oder den eigenen Jugendtorwart mit Noah Atubolu. Wenn Bayer Leverkusen eine Lösung für ihr Torwartproblem der Vorsaison suchen, nehmen sie ebenfalls Flekken. Wenn Eintracht Frankfurt spontan nach einem Nachfolger für Kevin Trapp sucht, gucken die lieber in Bremen.
Und im Ausland interessiert sich auch niemand für den. Jetzt könnte man sich natürlich einreden, dass der aufgrund der tiefen emotionalen Verbindung geblieben ist... aber wir reden von einem Mann, der nach Hoffenheim gewechselt ist. Ich habe da meine Zweifel. Und auch wenn es mittlerweile 11 Jahre her ist und er auch zu alt für einen Standortwechsel ist, so muss man auch festhalten, dass sich in diesen 11 Jahren kein einziger Premiere League Klub für ihn interessiert haben dürfte.
Versteht mich da nicht falsch: Es ist prinzipiell nichts verkehrt daran, ein durchschnittlicher Bundesligaprofi zu sein. Damit ist man immer noch verdammt gut. Aber gerade im Tor war "verdammt gut" nie ausreichend, um ein Turnier zu spielen. Jetzt könnte er als Stammtorwart ins Turnier gehen, wenn Marc-André ter Stegen seinen Scheiß nicht auf die Reihe kriegt. Er wäre die schlechteste Nummer 1 seit Andreas Köpke 1998. Und er war der einzige Spieler, der halbwegs gut gespielt hat.
Als Außenverteidiger spielten Maximilian Mittelstädt und der bereits erwähnte Collins. Mittelestädt ist für mich auch eher ein Mitläufer, als ein Führungsspieler. Und sein Kicker-Notenschnitt von 3,44 in seiner einzigen Champions League Saison spricht nur bedingt dafür, dass er auf dem höchsten Niveau mithalten kann. Solide, aber halt nicht wirklich gut. Collins ist ein Talent, der wird vielleicht mal gut. Aber das "wird" ist hier der wichtige Teil. David Raum muss, wie ich schon in meiner Saisonvorschau geschildert habe, jetzt nachweisen, dass er mehr als nur ein Mitläufer sein kann. Und klar, die Position des Außenverteidigers ist die unwichtigste, man ist schließlich mit Benedikt Höwedes Weltmeister geworden. Also mit einem Schalker Innenverteidiger. Aber "gut" ist die Auswahl da gerade nicht.
Im zentralen Mittelfeld spielt jetzt doch wieder Joshua Kimmich, obwohl wir eigentlich alle wissen, dass er da die allerhöchsten Ansprüche nicht erfüllt. Als Rechtsverteidiger kann man mit dem die Champions League gewinnen, aber im Zentrum fehlt da einfach ein bisschen was. Neben ihm spielt Angelo Stiller. Das ist auch "nur" ein Spieler für den VfB Stuttgart. Und auch da ist er für mich kein Führungsspieler. Wenn um ihn herum alles funktioniert, qualifiziert man sich für die Champions League. Wenn dann die eigentlichen Führungsspieler zu Bayern und Dortmund wechseln, wird man Neunter.
Dort findet man auch nur wenig Weltklasse. Und, bei allem Respekt vor Stiller, auch wenig Weltklasse-Potenzial. Also nach der Matthias Sammer Definition, dass wir den Begriff wirklich nur verwenden sollten, wenn es angebracht ist.
Auf der 10 startet dann Leon Goretzka. Ein Spieler, der seit 2 Jahren im besten Fall umstritten beim Rekordmeister ist... und das als 8ter und nicht als kreativer Kopf. Die 10 auf dem Rücken trägt Nadiem Amiri. Der musste nach Mainz fliehen, weil es für Bayer Leverkusen nicht gereicht hat. Natürlich ist er in Mainz ein Unterschiedspieler, aber das ist eben auch nur Mainz. Ich würde jetzt fast behaupten, dass Amiri die schlechteste Nummer 10 aller Zeiten ist, aber Lukas Podolski hat die jahrelang getragen. Aber eigentlich sollte diese symbolträchtige Nummer an einen Weltklassespieler gegeben werden, nicht an einen überdurchschnittlichen Bundesligaspieler.
Rechts neben Goretzka spielt Serge Gnabry, der bei den Bayern genaugenommen auch nur ein Mitläufer und kein Fixpunkt ist. 9 seiner 16 Champions League Tore hat er in der ersten Covid-Saison inklusive Final 4 erzielt. 4 davon in einem Spiel gegen Tottenham. Und natürlicht hübscht er seine Statistik gegen überforderte Bundesligisten auf, aber auf internationalem Niveau wird auch für ihn die Luft schnell dünn.
Ganz vorne stürmt Woltemade, der genau genommen auch nur ein starkes Halbjahr im Lebenslauf stehen hat. Und der, wie jetzt alle richtig festgestellt haben, auch nicht zu dem absoluten Spitzenverein in England gewechselt ist, sondern nur zu panisch mit Geld um sich werfenden Newcastle United. Jetzt muss er erst noch nachweisen, dass er sich in der Premiere League durchsetzen kann.
Immerhin spielt er bei einem der Big 7 und in der Champions League, während sein direkter Konkurrent Niclas Füllkrug im Mittelmaß der Premiere League versunken ist. 3 Premiere League Tore schreien jetzt nicht nach "Hoffnungsträger"...
Dann ist da noch Florian Wirtz, der in seinen wenigen hellen Momenten Weltklasse zumindest aufblitzen ließ. Der ist aber für mich auch der einzige, von dem ich das erwarte.
Um das nochmal zu verdeutlichen: Das sind alles gute Fußballer. Bei einem Kimmich konnte man sich ja sogar einreden, dass der mal Weltklasse war. Und als Ergänzungen zu einer starken Startelf kann der eine oder andere durchaus auch Weltmeister werden. Aber nur mit diesen Spielern ist es unmöglich. Und wenn Wirtz dann einen Scheißtag erwischt, reicht es nicht mal für die Slowakai.
Natürlich sollten Jamal Musiala und Kai Havertz zumindest in der Offensive einiges regeln, wenn die wieder gesund sind. Aber im letzten Turnier hat man deutlich gesehen, dass selbst sich selbst die Übertalente Musiala und Wirtz einspielen müssen. Da dürfte jetzt schon wieder wichtige Zeit verloren gehen, weil die sich bis März nicht sehen werden. Aleksandar Pavlovic sollte zumindest langfristig ein Problemlöser sein. Aber so viele verletzte Hoffnungsträger gibt es gerade auch einfach nicht.
Gegen die Slowakei hätte man trotzdem nicht verlieren dürfen. Aber dieses Spiel macht zumindest mir deutlich, wie dünn die deutsche Mannschaft gerade wirklich besetzt ist: Es gibt am Ende viel zu wenige Spieler, die Weltklasse repräsentieren. Und einigen von denen, die es waren (Antonio Rüdiger hat 2 Mal die Champions League gewonnen, das kann kein komplett Blinder sein), funktionieren im Nationalteam seit Jahren nur bedingt. Das ist ein hochgefährliches Gemisch.
Andererseits... könnte man in der Gruppe auch Letzter werden und sich trotzdem über den Nations League Weg für die WM qualifizieren. Jetzt muss man abschätzen, ob man da die leichteren Gegner findet...
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