Mittwoch, 16. August 2023

Worst of des WM Halbfinales

 Jürgen Klinsmann wird irgendwo mit dem Kopf schütteln. Und Klinsmann kann ja als Trainer nicht viel, aber wie man bei einem Heimturnier das Spiel angehen muss, hat er verstanden.

Es war wirklich schade, wie passiv die Australierinnen gerade ihr Halbfinale angegangen sind. Wie wenig Druck auf die Engländerinnen ausgeübt wurde. Wenn man eine Wand hinter sich weiß, dann muss man doch auch aktiv das Spiel gestalten, damit diese Wand dann die Gegnerinnen beeindrucken und beeinflussen kann. Wenn man aber die englischen Verteidigerinnen den Ball quer schieben lässt, wird es halt auch unmöglich, diese Stimmung zu erzeugen, die diese abgezockte Mannschaft dann nervös macht. Das war einfach zu wenig. Da muss man einfach mutiger auftreten.

Die Engländerinnen sind halt die abgezockteste Mannschaft des Turniers. Die legen sich die Gegnerinnen in aller Ruhe zurecht und schlagen dann zu. Und dann spielen die das souverän runter. Um es optimistisch anzugucken. Um bei den Vereinsvergleichen zu bleiben: Das ist halt der FC Chelsea in diesem Turnier.

Und Sarina Wiegman ist der José Mourinho. Also die mit Abstand beste Trainerin der Welt. Die steht vor ihrem 4. Finale in Folge. Dabei ist es ja nicht so, dass sie sich in das gemachte Bett der Amerikanerinnen gelegt hat, sondern sie hat mit ihren Nationen jeweils ein neues Niveau erreicht. Weder die Niederlande, noch England haben vorher ein Finale bei einem großen Turnier der Frauen erreicht. Sie hat einen Titel mit dem seit 1966 verfluchten England geholt. Mehr kann man eigentlich nicht erreichen.
Und sie hat ja auch als Trainerin einen extremen Einfluss auf die Spiele. Also bei der EM hat sie die beste Torschützin konsequent eingewechselt. Und das Siegtor im Finale war ebenfalls ein Koproduktion von Jokern.
Jetzt musste sie ihre beste Spielerin dank einer dummen Sperre ersetzen und musste eine Spielidee entwickeln, um in einem ausverkauften feindlich gesinnten Stadion den Gastgeberinnen den Zahn zu ziehen. Auch das hat sie drauf.

Trotzdem wird sie kein Mann auf dem Schirm haben. Also um doch mal auf strukturelle Benachteiligungen zu sprechen: Mittelmäßig erfolgreiche Trainer wie Andries Jonkers und Hervé Renard werden die spannendsten Jobs in der Frauenwelt angeboten. Also gerade Renard durfte halt wirklich eine der Favoritinnen übernehmen, weil er vorher.. ähm... Entwicklungshilfe in Afrika geleistet hat. Der hat nie nachgewiesen, dass er Starspieler von einem System überzeugen kann. Oder dass er während eines langen Turniers die nötigen Anpassungen vornehmen kann, denn für ihn war ja immer nach der Vorrunde Schluss.

Das wäre, als würde irgend so ein gescheiterter Durchschnittstrainer plötzlich die deutsche Nationalmannschaft übernehmen... also Jogi Löw. Oder Markus Kauczinsnki. Also nichts gegen Kauczinski, der ist ein hervorragender Zweitligatrainer, aber niemand wird glauben, dass der für den wichtigsten Trainerposten des Landes geeignet ist. Aber mit den Frauen kann man es ja machen. Dafür reicht's.

Und an der Stelle muss man nochmal festhalten: Wenn Gareth Southgate die Eier und die Kompetenz einer Wiegman hätte, wäre England jetzt amtierender Europameister. Trotzdem ist es unvorstellbar, dass diese Frau überhaupt irgendeinen "Trainer-Job" angeboten bekommt. Denn dass eine Dame den Herren erklärt, wie Fußball funktioniert und wie sie zu spielen haben, ist halt unvorstellbar. Also zumindest auf dem gehobenen Niveau. Das ist auch eine dieser Mauern, die in eine Richtung nie durchbrochen werden wird, denn gescheiterte Herren können immer noch eine Frauenmannschaft übernehmen.

Das wäre ja auch kein Problem, wenn nicht so viele inkompetente Herren bei Welt- und Europameisterschaften auf den verschiedenen Bänken sitzen würden. Und ob man Wiegman wirklich den Job als "englischer Nationaltrainer" anbieten muss, sei mal dahin gestellt. Aber dass niemand überhaupt darüber nachdenkt, dass sie eine geeignete Kandidatin sein könnte, ist doch bezeichnend.

Im zweiten Halbfinale können wir auch bei den bekannten Vereinsvergleichen bleiben. Denn die Spanierinnen haben wir ja schon zum Arsenal des Turniers gekürt. Dann sind die Schwedinnen in aller Konsequenz Tottenham: Immer vorne dabei, aber am Ende holen sie nie den Titel. Also seit 1984. Die erste Ausgabe der Europameisterschaft konnten die Skandinavierinnen gewinnen. Seit dem sind sie immer vorne dabei. 8-mal mindestens im Halbfinale bei der EM. 5 Halbfinale bei 9 Weltmeisterschaften. 2-mal Olympia-Silber. Aber halt keinen Titel hinterher wie Tottenham.

Und Arsenal gegen Tottenham ging halt aus, wie Arsenal gegen Tottenham ausgehen sollte: mit einem bemühten, aber glücklosen Tottenham. Wobei das Spiel schon ein faszinierender Abnutzungskampf war. Beide Mannschaften bearbeiteten sich auf taktisch-technisch gehobenem Niveau, aber so richtige Chancen gab es erst, als die Spielerinnen müde wurden. 

Was Claudia Naumann zu der Frage brachte, warum eine Salma nicht schon früher mitwirken durfte? Ähm... Weil es für die verdammt wichtig war, dass ihre Kolleginnen die Gegner müde gespielt haben? Also Salma hat das Turnier ja als Stammspielerin begonnen. Die stand bis einschließlich des Achtelfinales immer in der Startelf und kam auf 0 Tore und 0 Vorlagen, obwohl die Spanierinnen 13 Tore erzielt haben. Da fragt sich selbst ein Thomas Müller nach 2014, wie man so ineffizient sein kann.
Die beiden Spiele, in denen sie von der Bank kam, hat sie dann entscheidende Tore erzielt. Trainer Jorge Vida hat also genau die Rolle für sie gefunden, in der sie am besten funktioniert und ihrer Mannschaft helfen kann.

Jetzt wird das Finale halt der ultimative Kampf der Systeme: Hier das verspielte Spanien, dort das eiskalte England.

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