Wie sehr man sich im Hamburger Umfeld daran gewöhnt hat, dass man die Klasse hält. Also klar, als "Erfolg" wird das noch nicht gefeiert, aber selbst der vorher so vollmundig den Aufstieg versprechende Tim Walter weist hinterher darauf hin, dass der Unterschied zwischen dem HSV und dem VfB Stuttgart halt verdammt groß geworden ist.
Ok, das eigentliche Problem ist eher, dass man Darmstadt und Heidenheim nicht mehr hinter sich lassen konnte.
Nebenbei ist der HSV echt der einzige Verein, der sich, während er an der Relegation teilnimmt, über diese beschwert. Und deren Fans dann so in den Kommentarspalten: "Wir waren ja schon immer dagegen und können gar nichts dafür, dass die DFL das eingeführt hat"... während genau diese DFL gerade daran gescheitert ist, eine 2/3 Mehrheit für einen Investor zu finden.
Aber vergleicht einfach mal Tim Walters Haltung zur Relegation mit der von Markus Kauczinski. Einem Trainer, der gerade in seiner dritten Relegation war. Zum zweiten Mal als Unterklassiger Verein. Oder anders ausgedrückt: Das ist die arme Sau, die damals um seinen Bundesligaaufstieg betrogen wurde, weil es einen mehr als fragwürdigen Freistoß für den HSV gab. Der sagte vorher trotzdem "Wir haben davon geträumt, solche Spiele zu machen." Das ist die Haltung, mit der man den Gegner mit 4:0 aus dem Stadion schießt.
Aber Bielefeld ist ja aus einer anderen Sicht interessant. Denn selbst die V-Männer brennen hinterher ihr eigenes Stadion ab... Wobei man das natürlich verstehen muss, denn wahrscheinlich ist dieser Verein ja ein Resozialisierungsprojekt für V-Männer, die zu Dynamo Dresden geschickt worden sind und jetzt wieder irgendwie auf die normale Gesellschaft losgelassen werden sollen. Da parkt man die ein paar Jahre in Bielefeld, damit die wieder klarkommen... und dann gibt die DFL denen so einen Flashback Trigger. Das waren keine Ausschreitungen, das war PTSD!
In Hamburg sind die Fans mittlerweile so weit, dass sie ihrer Mannschaft, die in der Summe mit 1:6 abgeschlachtet wurde, mit Applaus verabschieden. Keine Randale, keine Spielunterbrechung, keine Verletzten. Kein völlig aufgelöster Fabian Klos vor dem Mikrofon. Kein "Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch." Das ist nicht mehr meine Relegation.
Ich dachte, der einzige Grund, warum wir das machen, ist die Eskalation auf den Rängen. Denn schlechten Fußball kann ich ja das ganze Jahr über in der Bundesliga sehen. Aber die wirklich krassen Ausschreitungen bringt mir nur die Relegation!
Und die HSV-Fans so: Ach, was soll's, dafür gibt es nächstes Jahr ein Derby. Ist schön hier. Und mehr Spiele gewinnen wir in der 2. Liga auch hin und wieder. Das ist doch lustiger, als in der Bundesliga auf Platz 15 rumzugurken...
Das lustigste ist diese Kicker Zusammenfassung mit dem Titel "Auf dem Weg zum Zweitliga-Dino". Auch wenn dieser Beitrag den entscheidenden "Die sind in ihrer Vereinsgeschichte noch nie aufgestiegen" Information fehlt. Mal ganz ernsthaft: Warum ist das keine größere Sache? Warum bin ich der einzige, der darauf hinweist? Was machen die ganzen Meme-Ersteller beruflich? Das ist einerseits faszinierend, andererseits halt extrem lustig. Deswegen verstehe ich nicht, warum das sonst keiner aufgreift.
Aber auch ohne diesen elementar wichtigen Hinweis ist der Beitrag einfach extrem unterhaltsam. Also nur noch Holstein Kiel und der FC St. Pauli haben gerade mehr Zweitligajahre am Stück vorzuweisen. Beiden ist, im Gegensatz zum HSV, zuzutrauen, dass sie die Liga verlassen... es steht nur nicht ganz fest, in welche Richtung. Und dann die absolute Perle. Trommelwirbel Bitte:
"In der kommenden Saison werden sie wahrscheinlich aber klettern."
Der Kicker traut ihnen tatsächlich zu, in der nächsten Saison 8 Punkte einzufahren und damit auf Platz 60 zu steigen. Aber so ganz festlegen will man sich da noch nicht.
Also ich als Optimist traue denen ja schon so 50 Punkte zu. Mindestens. Wäre ja auch langweilig, wenn die sich wirklich schon im Februar aus dem Aufstiegsrennen verabschieden. Damit ist die entscheidende Frage nicht, ob sie "klettern", sondern ob sie Eintracht Frankfurt mit ihren 357 Punkten einholen können. Ich hab an der Stelle mal kurz nachgeschlagen, ob, für die Poesie, die Eintracht zeitgleich den HSV in der ewigen Bundesligatabelle überholen können, aber 250 Punkte werden die nicht in einer Saison holen.
Frankfurt einzuholen, ohne aufzusteigen, wäre nebenbei wirklich episch. Also es würde den "Unaufsteigbar" Mythos weiter verstärken. Denn dann hätten beide Verein 6 Jahre in der Zweiten Liga verbracht und ungefähr gleich viele Punkte gesammelt. Nur ist die Eintracht in ihren 6 Zweitligajahren mit im Durchschnitt 59,5 Punkten pro Saison nur ein Mal nicht aufgestiegen: In der Saison 2001/02, die wohl als schlechteste der Vereinsgeschichte in den Annalen steht, wurde man Siebter.
Der HSV holt im Schnitt 58,8 Punkte und hat es trotzdem geschafft, nie aufzusteigen. Das ist eigentlich unmöglich, aber die schaffen das. Die schaffen das mit einer beeindruckenden Konstanz. Und nächstes Jahr spielen Schalke und hoffentlich die Hertha wieder mit um den Aufstieg, es wird also nicht leichter.
Als Letztes wollte ich nochmal erwähnt haben, dass sie zwischen den Rolling Stones und Beyoncé Knowles extra nochmal das Stadion "fußballtauglich" gemacht haben, denn eigentlich hatte die Konzertsaison schon begonnen. Für ein am Ende bedeutungsloses 1:3, welches nur für die Fernsehgelder und die Statistik ausgetragen wurde. Jetzt bleibt die Frage, ob der göttliche Segen der Besten den Verein retten kann.
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