Die gute Nachricht vorneweg: So wie das gerade läuft, ist es nicht sooo schlimm, dass ich diese Woche im Ausland unterwegs bin und deswegen deutlich weniger sehen werde... Denn dieses Turnier leidet gerade an einem ganz großen Favoriteninnenproblem. Am ersten Spieltag trafen halt hauptsächlich die Kandidatinnen für höhere Aufgaben auf Mannschaften, die froh sind, dass sie mitspielen dürfen. Da sich keine eine Blöße gab, haben wir jetzt das Problem, dass es in Gruppe A und B realistisch nur noch darum geht, wer erster wird.
Gerade das Dänemark sich direkt für die "Wir haben den Urlaub schon gebucht" Elf beworben hat. Die sollten doch die "deutsche" Gruppe eigentlich zur Todegruppe erheben. Entweder die Deutschen sind wirklich verdammt gut, oder aber das Thema ist jetzt schon durch.
Das eigentlich spannendste Spiel war damit... Portugal gegen die Schweiz, wo die Portugiesinnen einen 2 Tore Rückstand aufgeholt haben und am Ende beide auf Sieg spielten. Aber wahrscheinlich wird für beide spätestens im Viertelfinale Schluss sein.
Beim Rest bleibt halt festzuhalten: Es war schon beeindruckend, wie konsequent aufs 3. und 4. Tor gespielt wurde. Also außer bei den Engländern, die sich nach dem 1:0 erfolgreich einredeten, dass es schon reichen wird.
Was auch auffällig ist: Quasi alle Mannschaften (Frauschaften?) versuchen mitzuspielen, auch wenn es nicht immer funktioniert. Also man kann sich das 2:0 der Norwegerinnen aus der arroganten Position angucken, dass so ein leichtsinniger Ballverlust bei den Männern nie passieren würde. Das stimmt auch. Allein schon, weil der nordirische Torhüter jeden Ball blind nach vorne schlagen würde, in der Hoffnung, dass der Stürmer den Ball dann fest macht und ein Foul zieht. Ob das dann wirklich "besser" ist, muss jeder selber entscheiden. Ich muss zugeben: Ein Turnier, bei dem nicht gejanckert wird, kriegt eine eigene Dynamik.
Die 2. Auffälligkeit: Die Ecken werden wesentlich dichter vors Tor gezogen, weil halt die Strafraumbeherrschung der Torhüterinnen deutlich ausbaubar ist. Das ist schon die Schwachstellenposition bei diesem Turnier. Die fallen im Vergleich zu dem Rest schon merklich ab.
Alexandra Popp hat dann jetzt mehr EM Tore erzielt, als Thomas Müller. Wie faszinierend. Also die beiden sind ja schon vergleichbar. Beide sind Legenden im Nationalmannschaftsdress, mit über 100 Einsätzen und beide gewannen ihren persönlich wichtigsten Titel im Maracanã. Er 2014, sie 2016. Für beide liefen ihre EM Auftritte bisher sehr beschissen. Also gut, so richtig beschissen lief es nur für Popp, die bisher einfach jedes Kontinentalturnier aus Verletzungsgründen verpasst. Und nach ihrer Einwechslung brauchte sie nicht mal 30 Minuten, um diesen Missstand zu beenden... Thomas Müller wartet nach 15 Spielen weiterhin auf ein Erfolgserlebnis. Vielleicht wird es 2024 ja was...
Was soll ich sagen... wenn ich keinen Ansatz zum Müller-Bashing finden würde, wäre es ja kein richtiges Turnier. Und es ist schon schlimm genug, dass Boris Johnson es nicht fürs "Burrying" verwenden konnte, sondern wirklich zurücktreten musste, obwohl in seinem Land eine EM stattfindet.
Ansonsten muss natürlich noch die Serie "Frauen machen das einfach" eingeführt werden. Und da reden wir noch nicht mal direkt über "Während der Menstruation in weißen Hosen spielen"... obwohl ja auch darüber anscheinend geredet werden muss. Dabei muss man auch mal bedenken, dass so ein Turnier 25 Tage dauert. Sprich: Die Wahrscheinlichkeit, dass Frau während dieses Turniers mit der Periode zu kämpfen hat, ist erschreckend hoch. Da fragt man sich schon, warum die Frauen nicht vorher darauf kamen, dass weiße Hosen bei so einem Turnier nicht ganz so geschickt sind... Und wir sind hier ja nicht in Wimbledon, wo die Veranstalter ignoranter Weise darauf bestehen, dass die Frauen in Weiß spielen...
Aber eigentlich sollte es hier um Ana Hegerberg gehen. Also für Kontext: Hegerberg ist eine der besten Fußballerinnen der Welt. Sie gewann 2016 die Wahl zu Eurpas Fußballerin des Jahres und 2018 den Ballon d'Or. Aber weil der Kampf um die gleichen Prämien für die wesentlich erfolgreichere Frauenmannschaft zu frustrierend verlief, trat sie 2017 im besten Alter aus der Nationalmannschaft zurück. Jetzt gehören die Norwegerinnen zu den Mannschaften, die die gleichen Prämien bekommen und sie ist zurück.
Nur mal so für Kontext: das ist, als würde Robert Lewandowski oder Luka Modrić zur WM in Qatar "Nein" sagen. Das ist etwas, was ja bei gerade dieser WM ausführlich diskutiert wird, aber sein wir ehrlich: Abgesehen von den Italienern wird das keiner machen. Als Mann sagt man sich da "Na klar, die Zustände sind Scheiße, aber deswegen verzichtet man doch nicht auf eine WM..." Sowas macht man doch nicht...
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