Montag, 3. Februar 2020

Worst of des "Und täglich grüßt der Platzverweis" Wochenendes

Anscheinend ist dies jetzt echt das neuste Ritual in der Bundesliga. Und es funktioniert so verlässlich, dass es sogar die Diskussionen ums Handspiel übertönt:

Ein Spieler sieht für eine entweder übertriebene oder unfassbar dumme Aktion in Richtung Schiedsrichter Gelb Rot.
Die Schiedsrichter weisen darauf hin, dass dies jetzt die neue Regelung ist.
Der DFB weist auf die Vorbildfunktion für die Kinder und Amateure hin.
Die Journalisten bestärken DFB und Schiedsrichter in ihren Ansichten.
Die Fans bestärken die Journalisten mit Umfrage-Ergebnissen, dass sie das wirklich nicht mehr sehen wollen.
Alle verweisen gemeinschaftlich darauf, dass es dieses Problem ausschließlich in der Bundesliga gibt und dass man sich lediglich dem internationalen Standard anpasst.
Fehlt eigentlich nur nur noch der Hinweis, dass sich die Spieler auf internationalem Parkett ja auch benehmen können und eigentlich nur dem Bundesliga Schiedsrichter genau so viel Respekt entgegen bringen müssen, wie dem Champions League Schiedsrichter...
Und dann gibt es die kleine Minderheit, die lauthals schreit: "ABER EMOTIONEN MÜSSEN DOCH ERLAUBT SEIN!"
Also ja, in der großen Maschinerie der Fußballindustrie gibt es nur einen sehr kleinen Teil, der sich gegen einen Respektvollen Umgang mit Schiedsrichtern im Alltag wehrt: Die deutschen Profis und ihre Trainer.

Premiere League Spieler würden sich, zumindest wenn man dem Ruf glauben schenkt, ich sehe ja relativ wenig europäischen Fußball, totlachen, wenn sie die derzeitige Debatte verstehen würden... Ihr beschwert euch worüber? Dass Abfällige Gesten gegenüber dem das Spiel leitenden Personal mit Verwarnungen geahndet werden? Dass die Verwarnungen dann auch zu Platzverweisen führen? Solltet ihr euch nicht eigentlich auf euer eigenes Werk konzentrieren?

Nebenbei: Stellt euch mal vor, ihr würdet auf Entscheidungen von Abteilungsleitern so reagieren, wie Fußballprofis. Oder wenn die Polizei euch ermahnt. Oder die Security auf der Party am Samstag Abend. Ihr werdet dann entweder entlassen, oder euch wird weh getan. Aber irgendwie gehen Fußballprofis immer noch davon aus, dass sie das selbstverständlich dürfen.

In der Bundesliga wird von den Spielern und Trainer als notwendig angesehen. Das geht halt nicht ohne. Da alle anderen (außer vielleicht die Fanlager der gerade betroffenen Mannschaften) gerade einen knallharten "Wir wollen das jetzt durchziehen" Kurs fahren (oder halt "Wir wollen, dass das durchgezogen wird"), dürften wir dieses Schauspiel noch einige Wochen erleben.

Inklusive der Wehklagen der Betroffenen. Oder im Falle von Julian Nagelsmann sogar der Profiteure. Der ist halt intelligent genug um mitzukriegen, dass ihn diese Strafe auch noch mal betreffen wird. Und dann klinkt sich David Wagner in die Debatte ein, obwohl er gar nicht beteiligt ist...

Das wirklich spannende ist: Wie lange wird es dauern, bis ein Lernprozess einsetzt? Also in erster Instanz im Diskurs hinterher. Weg vom "Man muss doch noch mal Emotionen zeigen können" hin zum "Wir müssen endlich verstehen, dass niemand mehr Bock auf jammernde und meckernde Millionäre hat." Ein "Die Regeln sind jetzt so, wir müssen uns daran gewöhnen."
Man hat sich ja auch daran gewöhnt, dass es für die Grätschen von hinten direkt Rot gibt, was auch nicht immer so war. Und im Gegensatz zu dem Handspielen musste hier keine Regel ständig geändert werden, man muss nur die vorhandenen Regeln endlich mal anwenden...

Und das geforderte "Fingerspitzengefühl"... also das faszinierende ist ja, dass Fußball die einzige Sportart ist, wo die Verantwortlichen der Vereine glauben, dass es so etwas wie Fingerspitzengefühl gibt. Dass man als Schiedsrichter, natürlich nur zum Vorteil für den eigenen Verein, auch mal die Regeln aussetzen kann... Auch wenn das Spiel genau genommen darunter leidet.

Jedenfalls zeigt sich das Fingerspitzengefühl ja derzeit erstaunlich konstant. Es fliegt jede Woche der eine, der es übertreibt vom Platz. Oder zumindest alle 2 Wochen... Das ist ja jetzt das eigentlich wichtige: Die Konstanz. Das ganze Konstrukt fällt in dem Moment zusammen, in dem sich ein beliebiger Bayern oder Dortmund Star so daneben benimmt wie Alassane Plea und damit durch kommt, bricht das gesamt System zusammen.

Oder es wird uns in den Highlights einfach nicht gezeigt... Also es gibt Gladbach Fans in Kommentarspalten, die den Platzverweis von Plea sogar klar kommen, wenn Timo Werner auch für sein Meckern bestraft werden würde. Da ich dieses Spiel nicht live gesehen habe, kann ich das ganz schlecht beurteilen. Ich halte Fans da für die schlechteste Quelle. Fakt ist: Auch Werner hat für seine Reaktion auf einen "schlechten Pfiff" eine Verwarnung gesehen. Er ist danach aber nicht zum Schiedsrichter gegangen um sich über diese Verwarnung zu beschweren.

Jedenfalls wird in dem Moment, wo so ein Star damit durchkommt, dieses eh schon vorhandene Gefühl, dass gewisse Leute bei gewissen Vereinen mit einem gewissen Standing halt mehr dürfen, als der kleinen Pissvereine weiter bestärkt. Und dann, aber nur dann, bricht das ganze Konstrukt zusammen. Solange sage ich nur: Weiter so. Und das dürfte ja die Meinung der Mehrheit sein...


Das einzige, worauf man sich derzeit neben der neuen Diskussionskultur über die Diskussionskultur noch verlassen kann... ist Werder Bremen. Also der "Wir haben uns dazu im Wintertrainingslager committed, und ich werde nicht der erste sein, der gegen dieses Committment verstößt." Zitat könnte auch genau so von Florian Kohfeldt kommen. Der sagt dagegen nur noch verwirrende Sachen. So irgendwas von "Ich bin ja auch Werder Fan und wäre als Werder Fan auch genervt vom Trainer, aber ich bin ja auch Trainer und habe deswegen nicht die Nerven mich damit zu beschäftigen sondern muss immer noch den Nerv der Mannschaft treffen... was ich tue." Oder so. Also wenn das mit der Trainerkarriere nichts wird, kann er immer noch ins Verbraucherschutzministerium gehen. So nach dem Motto "Als Verbraucher wäre ich auch unzufrieden und ich bin ja auch irgendwie Verbraucher aber hauptsächlich ist es halt meine Aufgabe die Industrie vor den Verbrauchern zu schützen..."

Jedenfalls wird ja alles, auch wenn es absurd erscheint, immer schlimmer. Also zum einen hilft es einem jetzt nicht mal, wenn das Kacktor für einen erzielt wird. Das war zum Rückrundenauftakt noch anders. Deutlicher ausgedrückt: Das letzte eigene Tor war das 1:0 von Milot Rashica... der hat sein Pulver ausgerechnet gegen die Bayern verschossen, obwohl da schon absehbar war, dass man eh noch 6 Gegentore kassiert. Vor allen Dingen war das am 14.12.2019. Also praktisch in einem anderen Jahrzehnt. Ok, Werder Fans werden sich an der Stelle einreden, dass ein neues Jahrzehnt ja erst 2021 beginnt. Aber das ist wie mit den Kids damals, die am 1.1.2000 noch Jungfrauen waren und sich einreden wollten, dass sie noch ein Jahr lang die Chance haben in 2 Jahrtausenden gefickt zu haben. Und ja, ungefähr auf dem Niveau bewegt sich Werder gerade...

Um das andere Problem zu verdeutlichten. Werder musste Davie Selke in die Startformation stellen, bevor sie den offiziell vorstellen konnten. Und daneben Nick Woltemade als jüngsten Werder-Debütanten aller Zeiten. Und während Augsburg mit Alfred Finnbogason den Matchwinner einwechseln konnten, blieben die Hoffnungsträger der Bremer in Form von Yuya Osako und Johannes Eggestein 90 Minuten lang auf der Bank. Denn die sind halt derzeit Hoffnungsträger als Annegret Kramp-Karrenbauer.
Also ja, wir haben den Punkt erreicht, an dem Augsburg mehr Qualität hat als Werder Bremen. Also auch Florian Niederlechner dürfte besser sein als Davie Selke, der irgendwie immer noch ein großes Versprechen für die Zukunft ist, welches nie eingelöst worden ist. Und wo der auch schon 25 ist, muss man nicht zwingend davon ausgehen, dass es noch eingelöst werden wird.

Aber hey, die Gute Nachricht für Werder: Wenn sie in den nächsten 1 1/2 Jahren absteigen, müssen sie die 15 Millionen Kaufoption nicht ziehen.
Hier ist meine Prognose für die Selke-Werder-Ehe: Die wird, wie alles derzeit, nach HSV Vorbild verlaufen: Selke hat 1 1/2 eher frustrierende Jahre in Bremen. Dann kommt der übernächste Trainer, der endlich Selkes Potenzial wach küssen will und Selke schießt als Einwechselspieler Werder in der Relegation zum Klassenerhalt. Dann liegt man sich kurz in den Armen, bis einem bewusst wird, dass man jetzt 15 Millionen, die man eigentlich nicht hat, in einen Spieler, der eigentlich höchstens 4 wert ist, investieren muss.
Während die Hertha mit ihrem Investor auf die 15 Millionen eigentlich scheißen könnte, sie aber in ein hoffnungsvolles Talent steckt, welches dann als Dank für ein halbes Jahr nach Bremen verliehen wird.
Also gerade wenn man sich anschaut wie die Konkurrenz gerade an Werder Bremen vorbei zieht. Obwohl Werder vor ein Paar Jahren noch auf Augenhöhe mit Gladbach war, ziehen jetzt Mannschaften wie Augsburg oder Berlin (gleich 2 Mal) oder Frankfurt an ihnen vorbei. Und man kann sich kaum noch vorstellen, wie Werder die wirkliche Aufbruchstimmung, die für einen Umschwung von Nöten wäre, erzeugen soll.
Ich muss zugeben: Das hat bei einem Verein, der mir persönlich unsympathisch war, wesentlich mehr Spaß gemacht. Aber gleiches Recht für alle... Also muss ich mich auch über Werders Niedergang lustig machen...

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