Und damit ein kleiner Exkurs in die Empörungskultur. In der Hauptrolle: Lutz Wagner als Vollidiot der Woche.
Also ihr werdet es ja alle mitbekommen haben: Dortmund ist unter anderem wegen eines fragwürdigen und wiederholten Elfmeters ausgeschieden. Gut, eigentlich sind sie ausgeschieden, weil sie sich gegen den Tabellenzehnten der Premiere League zu wenige Chancen erspielt haben. Aber das wird ja ignoriert, weil Chelsea theoretisch gut sein sollte. Nur um das mal festzuhalten: Diese Mannschaft liegt 29 Punkte hinter dem Tabellenführer Arsenal London. So viel Abstand liegt sonst nicht mal zwischen Dortmund und Bayern. Die sind nicht wirklich gut.
Fairerweise muss man auch anerkennen, dass Dortmund im Großen und Ganzen zugibt, dass sie nicht nur wegen der fragwürdigen Entscheidung ausgeschieden sind, sondern dass der Gegner insgesamt einfach besser war.
Aber das ehemalige Fachmagazin der Kicker schwingt sich dann zum Verteidiger der Dortmunder Ehre auf und kommentiert ausführlich über diesen Vorfall. Also als das führende Magazin aus dem Land der betroffenen Mannschaft.
Nur so als Vergleich: Der an sich eher als sachlich einzustufende "The Guardian" gibt zu, dass der VAR bei der Rettung von Coach Potter geholfen hat. Aber einen Fehler wollen die nicht gesehen haben. ESPN als theoretisch neutrale Amerikaner zitieren Jude Bellingham, ringen sich aber auch nicht zu einer eindeutigen Bewertung der Szene durch. In dem Video lobt Frank Leboeuf Kai Havertz dafür, dass er nochmal antritt und sich nicht vor der Verantwortung drückt. Die französische L'Equipe erwähnt auch nur, dass der Elfmeter wiederholt wurde.
Aber ob es überhaupt korrekt war, den Elfer zu wiederholen, diskutieren nur wir Deutschen. Und das bringt uns dann zu Lutz Wagner, Regelexperte und Mitglied der Schiedsrichter-Kommission Amateure beim DFB. Damit ist er technisch gesehen nicht direkt für die Profis verantwortlich, aber nicht so weit weg. Er wird im Kicker Kommentar als "DFB-Regelexperte" vorgestellt. Und der sagt jetzt tatsächlich eindeutig, wie und warum der Eingriff des VARs falsch war.
Das ist an sich sehr schön. Das Problem ist doch aber: Eine derartige, auch kritische, Einordnung von offizieller Seite müsste doch eigentlich jedes Wochenende kommen. Denn an jedem Montag fragt sich der gemeine Fußballfan, warum der VAR in der einen Situation eingegriffen hat, in der anderen aber stumm blieb. Vom DFB hört man aber meistens Rechtfertigungen. Wenn überhaupt.
Also stellt euch einfach mal vor, das Spitzenspiel am ersten April wird durch so einen wiederholten Elfmeter entschieden. Glaubt wirklich irgendjemand, dass sich jemand vom DFB dann hinstellen und den Fehler zugeben würde? Das macht man nur, wenn man selber unbeteiligt ist. Natürlich. Genau so führt man einen Diskurs und verbessert sich selbst. Herzlichen Glückwunsch.
Und klar, diese Szene beweist uns auch nur, dass der VAR auch woanders beschissen läuft. Dass all die Debatten gar nicht nur in der Bundesliga geführt werden. Aber als DFB sollte ich meinen gesamten Fokus darauf legen, dass es in der Bundesliga besser wird. Wenn man da dann vorzeigbare Ergebnisse hat, von denen wir immer noch weit entfernt sind, dann kann diese mit den anderen Teilen. Bis dahin sollte man vor seiner eigenen Tür kehren.
Nebenbei sollte dieser Vorfall ganz realistisch zu einer Regeländerung führen. Denn das, was Bellingham da sagt, stimmt ja vollkommen: In dem Moment, wo der Schütze den Anlauf verzögert, ist es quasi unmöglich, dass die anderen Spieler nicht in den Strafraum laufen.
Es ist sowieso schon fragwürdig, dass der Schütze das überhaupt darf. Aber wenn er auf derartige Sperenzchen setzt, sollte die anderen Spieler wenigstens nicht dafür bestraft werden. Ein einfacher "Wenn der Schütze seinen Anlauf verzögert, dürfen andere Spieler den Strafraum betreten" würde hier alle Probleme lösen. Nur so als Idee, die man eigentlich nach dieser Szene diskutieren könnte.
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