Also ja, auf den ersten Blick ist das ja schon sehr enttäuschend. Im ersten Moment hatte ich ja schon die Hoffnung, dass mit Joan Laporta das alte Barca zurückkehrt. Der Verein, der 6 Weltmeister und Lionel Messi ausgebildet hat. Die ihre eigene Jugendabteilung nur gezielt und punktuell verstärken mussten, weil sie halt keine Außenverteidiger und keine Mittelstürmer ausbilden.
Das war ja auch der Verein, der allen nicht Real Madrid Fans sympathisch war. Der unter Pep Guardiola auch für einen einzigartigen, attraktiven und faszinierenden Fußball stand. Aber dieser Verein ist halt tot. Auch Laporta bringt ihn nicht zurück.
Aber eine offene Frage steht ja doch gerade im Raum: Ist das, was Laporta gerade macht, wirklich Wahnsinn? Also das ist ja die Meinung, die man sonst überall hört. Barca verkauft seine Zukunft, damit die Gegenwart besser wird. Das hat Borussia Dortmund auch schonmal gemacht und da ging es richtig schief. Barca ist der einzige Verein der Welt, der kein Geld hat und trotzdem alle Spieler kauft. Ihr habt die Sätze garantiert auch alle irgendwo gelesen. Aber stimmt das?
Also zunächst mal empfehle ich euch, wie immer, erst mal das HITC Seven Video zu dem Thema. Da wird dann wirklich mal aus einer halbwegs neutralen Sicht auf diesen Transfersommer und dieses "Wie geht das" geguckt. Mit der Randnotiz, dass Betis Sevilla über eine ähnliche Finanzspritze nachdenken muss.
Da muss man auch mal direkt mit einer Falschaussage aufräumen: Dortmund ist nicht der einzige deutsche Verein, der zukünftige Fernsehgelder veräußert hat. Also Michael Kölmel bekam zwischenzeitlich 13,75 % der TV-Einnahmen von... natürlich... Union Berlin. Diese Zahl wurde mittlerweile prozentual verringert, aber wahrscheinlich bekommt Kölmel praktisch mehr Geld, weil die 13 % ja noch für Zweitligaverträge ausgerechnet wurde. Aber wenn Union mit solchen Finanzspritzen den Aufstieg am Reißbrett plant, ist das Kult. Wenn Barca das macht, ist es Wahnsinn...
Und an der Stelle muss man eine Sache festhalten: Barca hat lediglich die nationalen TV-Rechte verscherbelt. Es geht immer nur um das Geld, welches in La Liga erwirtschaftet wird. Sie machen das ganz praktisch, damit sie weiterhin an die großen Geldtöpfe der Champions League kommen, was sie zwingend müssen. Und solange sie in 8 der nächsten 10 Jahre ins Viertelfinale plus X kommen, ist das auch ein gutes Geschäft.
Natürlich könnte Barca jetzt ein paar Jahre zum Konsolidieren einlegen und einen wirklichen Neuaufbau um die Talente Pedri und Ansu Fati wagen. Sie würden sich mit diesem Kader wahrscheinlich auch noch für die Champions League qualifizieren. Aber die internationale Saison würde halt ungefähr so verlaufen, wie die Letzte: Man droht in der Gruppenphase auszuscheiden. Und spätestens im Achtelfinale wäre definitiv Schluss. Man würde sich also zielgerichtet in die, wie ich es zu nennen pflege, Arsenal-Falle bewegen. Einem Verein, der jahrelang zur europäischen Spitze gehörte, bis er dann irgendwann nur noch gut genug war, um am Achtelfinale teilzunehmen. Das funktionierte 7 Jahre am Stück... bis man plötzlich nicht mal mehr an der Champions League teilnahm, weil andere, die mehr investierten, an einem vorbeigezogen sind. Und jetzt stehen sie vor der unlösbaren Aufgabe, dass sie irgendwie zurück in die internationale Spitze kommen wollen, in der es aber verdammt eng ist. Gerade für englische Vereine, die haben halt 6 Kandidaten für 4 Champions League Plätze.
Das ist ja die grundlegende Perversion des Fußballs: Wir haben 10 Vereine, die ins Champions League Viertelfinale einziehen müssen, damit ihre Bilanz nicht völlig aus den Fugen gerät. Diese Vereine müssen alle weiter hochrüsten, weil sie sonst nie wieder auf dieses Niveau kommen. Und gleichzeitig drohen "von unten" neureiche Klubs mit moralisch fragwürdigen Investoren nachzurücken.
Damit kommt Laporta halt zu dem Schluss: Die einzige Chance Barca zu retten, ist halt diese Risikoinvestition. Denn das ist der einzige Weg, wie man weiterhin zu den Top 10 gehört. Da rauszufallen kann man sich halt auf keinen Fall leisten, dann geht man eh zugrunde. Da kommen halt die 1,3 Milliarden Euro Schulden, die er geerbt hat. Noch sind die Investoren gewillt, kurzfristige Schulden in langfristige Darlehen umzuwandeln, aber wenn Barca sich aus dem Kreis der Riesen verabschiedet, dürften die ungeduldig werden.
Dazu kommt, dass Barca halt noch diese Strahlkraft hat, dass Spieler da unbedingt hinwollen. Also der eine oder andere Neuzugang hat ja auf Geld verzichtet, damit er für diesen Mythos spielen darf. Pedri hat seinen Vertrag verlängert. Aber dieser Mythos wird nicht ewig halten. Wenn Pedri dann irgendwann feststellt, dass es bei Barca halt nur noch ums Erreichen des Achtelfinales geht, zieht er halt doch unter Tränen weiter.
Man hat sich also in eine Falle manövriert, in der weiter investieren die einzige Möglichkeit ist. Also zumindest bis irgendwann die ganze Bubble platzt. Wenn einem das verstanden hat, wird einem bewusst, dass Laporta überraschend vernünftig handelt. Also so weit man im Rahmen des europäischen Spitzenfußballs vernünftig handeln kann.
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