Also so bewusst habe ich das selten erlebt. Die Europacup-Woche war ja wirklich großartig. Also die Champions League Viertelfinale haben beinahe alles gehalten, was sie versprochen haben. Selbst die sachlich gesehen grausameren Spiele kamen mit reichlich Emotionen, weil
- Villarreal als krasser Außenseiter in letzte Minute die Überraschung klarmachte.
- Atlético Madrid seinen Ruf als größter Assi-Club der Welt eindrucksvoll bis in den Kabinengang verteidigte.
Und da Liverpool seine A-Elf schonte, gab es in den anderen Halbfinalen ganz großen Sport, mit Modrićs Gemälde als Höhepunkt für die Ewigkeit.
Die Europa League lieferte eines der absoluten Highlights in der Vereinsgeschichte von Eintracht Frankfurt. Dazu eine Verlängerung in Unterzahl und eine endgültige Entscheidung in der 88. Minute. Nur Lyon gegen West Ham war frühzeitig entschieden. Da hatte man quasi gar keine Zeit, um die Europa Conference League zu verfolgen.
Also es sei denn, man kommt aus Griechenland, Norwegen oder Tschechien... denn diese Nationen und ihre Fans dürften tatsächlich mal im April relevante europäische Pflichtspiele bereiten. Und auch wenn jetzt nur noch die Niederlande als relativ kleine Nation übrig ist, geht es doch bei der Liga genau darum: Dass mehr als England, Spanien, Deutschland, Italien und Frankreich an den Viertelfinalen teilnehmen dürfen. Das könnte man also auch als Erfolg verbuchen.
Und dann... war wieder Bundesliga. Und es fiel einem auf, wie "durch" diese Bundesligasaison ist. Wie egal 85 % der Spiele sind, die noch ausgetragen werden. Das kann man ganz praktisch an einem Spiel festmachen: Bayer Leverkusen und RB Leipzig tragen das Millionenspiel um Platz 3 aus. Der Gewinner kommt mit ziemlicher Sicherheit in die Champions League, der Verlierer muss weiter zittern.
Nun ist das erste Problem, dass sich niemand für diese beiden Mannschaften interessiert. Das liegt wahrscheinlich daran, dass beide für kultivierten Hochgeschwindigkeitsfußball stehen und damit kann der gemeine Fan halt wenig anfangen. Deswegen sind die überregionalen Reaktionen halt verhalten.
Was aber noch viel schlimmer ist: Beide Vereine werden vom SC Freiburg gejagt. Darauf hoffen ja praktisch all die neutralen Fans: Dass Freiburg dieses Wunder schafft. Aber bei allem Respekt vor der großartigen Arbeit dort: Das ist keine Mannschaft, vor der man wirklich Angst hat. Und das merkt man ja auch an der Leipziger Aufstellung, in der sich nur 4 Spieler von der erfolgreichen Europapokal-Nacht am Donnerstag wiederfanden. Christopher Nkunku und Dani Olmo wurden zunächst einfach geschont... weil man sich sagte: Selbst wenn wir hier das direkte Duell verlieren, bleiben wir immer noch vor den Freiburgern. Und das wird auch bis zum Ende so bleiben. So geht dann diese Ansetzung mit großem Potenzial zwischen den englischen Wochen unter.
Und ja, ganz vielleicht erleben wir noch ein wirklich spannendes Finale um Platz 4 am letzten Spieltag. Aber wahrscheinlicher ist es, dass die Freiburger nach einem aufreibenden Pokalspiel nächste Woche die entscheidende Punkte liegen lassen.
Realistisch gesehen geht es in der oberen Tabellenhälfte nur noch darum, ob Köln oder Union in die Europa Conference League einzieht. Vielleicht fängt sich Hoffenheim wieder, aber wer gegen Fürth nur ein trostloses 0:0 holt ist für mich erstmal raus aus dem Rennen ums europäische Geschäft... also aus Prinzip. Und ja, da sich in Deutschland niemand für die Conference League interessiert, ist es eher spannend, wer es schafft, diesem Wettbewerb aus dem Weg zu gehen. Und wenn die Pokal-Halbfinale unter der Woche so ausgehen, dass Leipzig und Freiburg im Finale stehen (was ebenfalls der wahrscheinlichste Ausgang ist), kommen 2 dieser 3 Mannschaften nach Europa... Wo sie sich dann nächste Saison blamieren werden. Hochgradig spannend.
Und im Abstiegskampf? Hat Arminia Bielefeld aus den letzten 7 Spielen einen Punkt geholt und ein Tor erzielt. Das ist jetzt nicht die Bilanz, vor der ich als Stuttgart oder Hertha Angst habe. Im Wesentlichen spielen also die beiden aus, wer von ihnen in die Relegation darf. Und auch wenn (oder gerade weil) der Aufstiegskampf in der 2. Liga wirklich eng ist, muss man festhalten: Keiner von denen wirkt so stark, dass er den Bundesligisten wirklich herausfordern kann. Also wenn man schonmal grundlegend bedenkt, dass sich eh in 90 % der Fälle der Bundesligist durchsetzt, sehe ich nicht, wie St. Pauli oder Darmstadt da was reißt. Also ist auch der Abstiegskampf genauso pseudospannend wie der Kampf um die Europa Conference League: Ja, man will nicht wirklich daran teilnehmen, aber wenn es doch dazu kommt, ist es auch nicht weiter schlimm...
Allein schon, dass sich eine Mannschaft wie Wolfsburg, die im 14-Tages-Rhythmus darum bettelt, unten reinzurutschen, eine "sorgenfreie Saison" spielen kann, sagt eigentlich alles aus. Und somit wird einem bewusst, dass es für 5 von 18 Mannschaften wirklich noch um was geht. Der Rest spielt für die Ehre... oder für die Fernsehgelder. Oder gegen den Trainer, damit im Sommer ein neuer kommt.
Oder aber ich bin zu pessimistisch... Also letztes Jahr um diese Zeit hatte Werder 4 Punkte Vorsprung vor dem Relegationsrang und Dortmund 4 Punkte Rückstand auf die Champions League... Beide holten nicht nur diesen Rückstand auf, sondern erreichten sogar Platz 3 oder den direkten Abstiegsplatz. Aber ich sehe halt gerade echt viel belanglosen Fußball auf uns zukommen...
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