Oder ist das alles gar nicht so neu.
Union Berlin ist jetzt ja das neuste Mitglied "unserer Bundesligafamilie"... und lasst es mich mal so sagen: Der Verein ist etwas seltsam.
Zunächst mal ist er einer dieser absurden Relikte aus der DDR, wo der Staat Ende der 60er Jahre die Sportlandkarte neu sortierte um für eine bessere Abdeckung zu sorgen... und dann die Spieler entsprechend verteilte. Das wäre, als würde Horst Seehofer morgen bestimmen, dass Fortuna Düsseldorf ab sofort in Rostock antreten muss, weil es da doch einen dramatischen leeren Fleck auf der DFL-Landkarte gibt... Und dann noch 5 brauchbare Spieler der Konkurrenz nach Rostock delegiert, damit der neue Verein auch eine Chance hat... Heutzutage ist das unvorstellbar, dass so etwas in Rostock passieren würde... Seehofer würde Düsseldorf natürlich nach Rosenheim verlegen...
Und Union wurde damals gegründet, weil sie die mächtigen im Arbeiter und Bauernstaat dachten, dass die Arbeiter ja auch einen Verein kriegen könnten. Absurd, ich weiß.
Aber damit wurde auch schon frühzeitig die eigentliche Rolle der Unioner begründet: Als Gegenspieler zum Stasi-Klub (und deswegen Rekordmeister) BFC Dynamo und damit bei der breiten Masse übermäßig (im Verhältnis zu den sportlichen Leistungen) beliebt. Daraus wurde dann später das Gegenstück zur Hertha als Verein im Herzen der Stadt.
Union ist nicht der klassische "X-Mal Meister" Ostklub. Man gewann lediglich ein Mal den Pokal und kämpfte häufiger gegen den Abstieg als von höheren Trauben zu träumen. Oh und es ist faszinierend, wie oft Union in der Relegation scheiterte. Die wurden damals "Die Unaufsteigbaren" genannt.
Und nach der Wende... war man praktisch tot. Mehrere Jahre in Folge bekam man keine Lizenz für die Profiligen. Was jetzt nebenbei die "Ist das alles nur ein Mythos" Frage in den Raum wirft... Denn im Endeffekt wurde Union von Kinowelt, also dem Investor im Ostfußball zur Jahrtausendwende und einem fragwürdigen Sponsorendeal gerettet. Letzterer ist aus dem Jahr 2014... vielleicht ist das Image des Vereins wirklich nur ein Mythos.
Aber gerade als Zweitligist konnte man dieses Image auch gut pflegen. Man hatte die Art Fanbasis, die einem in der Freizeit das Stadion renovieren. Und die dann während der WM ihr Stadion in das größte Wohnzimmer des Landes verwandelten. Frei nach dem Motto: Ich hab das Ding hier gebaut, ich darf auch meine Couch hier aufstellen. (Das wirklich faszinierende an den Bildern sind ja die leeren Couchs... Anscheinend wissen die Unioner, wem welche gehört und dass es sich nicht gehört sich auf fremde Wohnzimmermöbel zu setzen...)
Dazu kommen Aktionen wie "Bluten für Union" und das jährliche Weihnachtssingen, welches angeblich in Berlin erfunden worden ist.
Union Berlin hat sich schon als Ostdeutsche Alternative zum FC St.Pauli etabliert. Als kleines Kulturgut für all diejenigen, die den Fußball noch in seiner ursprünglichen Form und jenseits des Turbokapitalismus genießen wollen. Und die dies jetzt überraschender Weise in der Bundesliga machen dürfen.
Aber gleichzeitig hat man einen Präsidenten, der während des größten Erfolges der Vereinsgeschichte die Angst verbreitet, dass sich Union von der Landkarte verschwinden könnte, wenn man sich nicht für Investoren öffnet.
Wenn es sich bei dem alternativen Bild des Vereines um mehr als nur einen Mythos handelt, sollte sich diese Frage nicht stellen. Denn dann werden die Fans dafür sorgen, dass der Verein immer präsent bleibt. Und genau genommen verschwindet der Verein, also zumindest das, was ihn besonders macht, von der Landkarte, wenn man sich Investoren öffnet.
Andererseits... ist das halt auch alles nicht so neu. Dirk Zingler ist seit 15 Jahren Präsident in dem Verein. Und Union ist eben kein Überraschungsaufsteiger, sondern spielt seit Jahren oben mit, sie haben es dieses Jahr nur geschafft die Saison auch zu Ende zu spielen. Wobei das auch falsch ist, der Hamburger SV hat es geschafft sich im Saisonfinale noch unfähiger zu präsentieren... (Keine Pessimistische Saisonvorschau ohne HSV Referenz!!!)
Union hat es geschafft, 8 Jahre in Folge in der oberen Tabellenhälfte zu stehen. Das klingt nicht nach viel, bis einem bewusst wird, dass kein anderer Verein dies auch nur 5 Jahre in Folge geschafft hat. Was ja auch Sinn ergibt, denn wenn man in der 2. Liga gut abschneidet, aber nicht aufsteigt, steigen die besten Spieler eben trotzdem auf und man selber kann diesen Qualitätsverlust als normaler Zweitligist einfach nicht kompensieren. Deswegen spielt zum Beispiel St.Pauli gefühlt immer im Wechsel um den Auf- und Abstieg. Union hat es geschafft konstant und fast ohne jegliche Rückschläge zu wachsen, was dafür spricht, dass sie schon seit Jahren außergewöhnliche (für einen Zweitligisten) Möglichkeiten haben.
Die Fieberkurve der Unioner ist dabei extrem spannend: Denn seit dem absoluten Tiefschlag des doppelten Abstieges in die drittklassige Regionallige 2005 gab es ganze 2 Jahre, in denen man seine Vorjahresposition nicht verbesserte: 20013/14 wurde man "nur 9." in der 2. Liga, 2017/18 "nur 8.". An sonsten ging es immer nach oben. Die logische Konsequenz muss dann irgendwann ein Aufstieg sein.
Union war eben nie nur dieser sympathische, aber emotionale, Kultklub. Es war immer auch ein ständig wachsendes Projekt. Es war nie der Verein, der davon geträumt hat mal 1-2 Jahre in der höchsten Liga zu spielen, dem es aber wichtiger ist, seine Identität zu wahren, sondern es ist ein Verein, dessen eindeutiges Ziel es ist, sich in der Bundesliga zu etablieren... koste es, was es wolle...
Dass man sich dafür dann mit Aroundtown zusammenschließt... nun ja, verdeutlicht dies halt nur. Es gibt wahrscheinlich wenig, womit der gemeine "Schlosserjunge" in Berlin so hart zu kämpfen hat, wie mit seinen steigenden Mieten. Und jetzt packen sich "Die Schlosserjungs" einen der Konzerne, der dies mitzuverantworten hat, auf die Brust. Das ist, als würde Hoffenheim mit Windows auf dem Trikot werben... Der Zyniker in mir findet das wunderbar... Der wohnt aber auch nicht in Berlin...
Ist das jetzt schlimm? Nun, das ist eine Frage, die wir nicht beantworten können. Also Fußballdeutschland schadet es nicht, wenn man einen kompetent geführten und ständig wachsenden Klub in der Hauptstadt hat. Und die Stadt Berlin ist auch groß genug für 2 derartige Bundesligisten, falls Hertha das auch noch mal wird, muss es trotzdem nicht zu eng werden... Einzig die Union Fans, die damals das Stadion renoviert haben, müssen sich irgendwann fragen, ob sie das wirklich gewollt haben... selbst wenn "das" dem Verein als ganzes auf keinen Fall schadet.
Um dann mal eine finstere Prognose abzuliefern: Wie lange wird es dauern, bis die Union-Ultras sich den Anhang von Hannover 96 zum Vorbild nehmen und gegen all das protestieren, was ihnen den wesentlich besseren Fußball, den sie zu sehen bekommen, ermöglicht hat?
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