Ausgangslage: Ach ja, der Tradtionsklub unter den Retortenvereinen. Oder aber der Beweis, dass man das Image als Werksverein niemals so richtig los wird. Und ja, Leverkusen hat die wunderbare Chance, der Zweitlieblingsverein eines jeden Bundesligafans zu werden. Weil die auch in der Lage sind, echt geilen Fußball zu spielen. Aber wirklich viele eigene Fans werden sie niemals haben.
Um mal eine Absurde Statistik in den Raum zu werfen: Von allen nicht Aufsteigern hat Bayer Leverkusen das kleinste Stadion. Was für eine Mannschaft, die in 4 von 5 Jahren an der Champions League teilnimmt, eher ungewöhnlich ist. Was ja nur halb so schlimm wäre, wenn das Stadion deswegen quasi permanent ausverkauft wäre... und man deswegen bereits ein neues in Planung hat. Aber nein: Leverkusen ist mit seinem 30.210 Plätze Stadion gut bedient.
Nur so als Vergleich: Hannover 96 hat eine beschissene Saison gespielt. Ihre eigenen Fans haben sich ein halbes Jahr von der Mannschaft abgewendet... und trotzdem hat Hannover einen Zuschauerschnitt von 43.459 erreicht. Was ja auch nur bedeutet: Der Deutsche guckt sich aus Tradition lieber Müll als guten Fußball an.
Das ist halt schon faszinierend: in Leverkusen wird seit Jahren ein Premium-Produkt angeboten. Trotzdem ist die allgemeine Reaktion der unentschlossenen Fußball-Fans ein "Nee, wir gehen doch lieber woander hin"... Um mal einen völlig absurden Vergleich zu ziehen: RB Leipzig zieht schon in der 2. Liga bei jedem Heimspiel 25.000 Mann in die Arena. Wenn Leverkusen nicht um die Champions League mitspielen würde, hätten die Probleme 15.000 ins Stadion zu bekommen. Es ist irgendwie schon faszinierend, dass sie in Leverkusen auch nach all den Jahren diese Schlucht nicht überwinden können.
Wer soll's richten? Charles Aranguiz ist endlich da! Und wenn es eines gibt, was Bayer Leverkusen besser kann, als alle anderen, dann ist es doch das Verpflichten von Südamerikanischen Leistungsträgern. Dazu kehrt mit Christoph Kramer ein Weltmeister zurück. Und das muss man auch erst Mal hinbekommen: Einen Spieler in die Ausbildung zu anderen Vereinen schicken und einen Weltmeister zurückbekommen.
Wen werden sie vermissen? Gonzalo Castro und Stefan Reinartz. Castro ist für mich sowieso einer dieser Spieler... der bringt seit Jahren konstant Leistung bei einer Spitzenmannschaft... könnte im Zweifelsfall sogar den Rechtsverteidiger auf Champions League Niveau geben... und aus irgendwelchen Gründen hat er in der Nationalmannschaft trotzdem nie eine Rolle gespielt. Dazu kommt: Castro war 16 Jahre Teil des Vereins. Reinartz immerhin 6... Wenn man in einem Sommer 22 Jahre Vereinszugehörigkeit verliert, würden alle anderen Mannschaften von einem gravierenden Identifikationsverlust sprechen... da Bayer allerdings (siehe oben) davon eh kaum etwas hat...
Viel faszinierender ist ja, wie es zu dem Wechsel von Reinartz kam. Der (und Castro) bekamen nämlich die Volle Breitseite ihres Vorgesetzten ab, als der Sami Hyypiä entlassen wollte. Und davon sprach, dass die Mannschaft mehr Charakter bräuchte... worauf hin er Josip Drmic verpflichtete... der auch schon wieder weitergezogen ist.
Aber ja, Reinartz hat quasi in dem Moment beschlossen: Ok, wenn ich nicht geschätzt werde, gehe ich spätestens im nächsten Sommer.
Leischtungschträgscher: Habe ich schon den Namen dieses Vorgesetzten genannt? Nein... Das könnte daran liegen, dass ich ihn mir bis hier hin aufheben wollte: Rudi Völler scheint auserkoren zu sein unsere neue moralische Fußballinstanz zu werden. Wem der ständige Wechsel zwischen "es ist toll, dass sich hier alle so wohl fühlen, nur so kann man Leistung bringen" und "wir brauchen mehr Reibungspunkte, unser Wohlfühlklima verhindert bessere Ergebnisse" ist fantastisch. Die meisten Vereine rühmen sich dafür, entweder das eine oder das andere zu haben. Bayer sucht Rudi sei Dank immer das, was er gerade braucht.
Dazu kommen unqualifizierte Aussagen über die Intensität bei Luftzweikämpfen und der Schlag ins Gesicht von Marcel Jansen. Eines ist doch garantiert: Irgendjemand wird Rudi zu einem Interview einladen und der wird dann irgendwelchen Müll von sich geben. Oder er macht das einfach auch mal so und ungefragt.
Best Case Szenario: Am Ende sagt Rudi doch noch einen richtigen Satz: "Wichtig ist aufm Platz!" Wen interessiert es, dass zum letzten Heimspiel gegen Ingolstadt 1000 Plätze leer bleiben. Dass sich danach nur ganze 500 Fans auf dem Rathausplatz einfinden? Am Ende schreit Stefan Kießling nicht für die, sondern für die restlichen 82 Millionen Menschen sein "Wir sind Meister, und ihr nicht" ins völlig überdimensionierte Megafon...
Worst Case Szenario: Leverkusens Fans sind sauer. Nicht auf ihren Verein, sondern darüber, dass sie so gar nicht wahr genommen werden. Die logische Konsequenz: Eine Schlägerei mit den Werder Fans an einem wahllosen Rastplatz vor dem 2. Spieltag. Ein Spielabbruch weil man den Schiedsrichter mit einem Feuerzeug beworfen hat gegen Wolfsburg... deren Angestellte sich zeitgleich bespucken lassen müssen... der Schuss mit einer Feuerwaffe auf den Mannschaftsbus der Hertha... und ein in Brand gesetzter Gästeblock in Darmstadt (ernsthaft, was zur Hölle war eigentlich an diesem Pokalwochenende mit dem Fans los? So viele so krasse Nachrichten gab es doch früher nicht... zumindest nicht zu Saisonbeginn). Und Rudi Völler gibt selbstsicher zu Protokoll, dass man stolz drauf sei jetzt endlich richtige Traditionsfans zu haben.
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