Oder: Joachim Watzke liest meinen Blog! Zumindest geht er plötzlich auf all das ein, worauf ich hingewiesen habe. Die Zusammenarbeit des Führungstrios ist also "optimierungsbedürftig". Und man könnte auch 2 Jahre ohne Champiosn League überleben.
Eigentlich ist es nicht überraschend, weil ich ja hier gerade nur versuche, die allgemeinen Schlagzeilen und Debatten aus einem etwas anderen Winkel zu betrachten. Eher überrascht es, dass wir beide von den Aussagen auf dem neuen Textor-Album irritiert sind. Was sagt denn der Philosoph Andi Brehme dazu?
Wobei das Kleingedruckte in dem "wir halten 2 Jahre ohne Champions League aus" interessant ist. Denn das Zitat geht mit einem "Dann macht der BVB ein oder zwei Transfers, dann ist wieder alles im Lot. Wir haben ein, zwei Spieler, die schon sehr begehrt sind in Europa" weiter. Damit spricht Watzke relativ offen aus, dass der BvB ans Tafelsilber muss, wenn man die Champions League verpasst. Dann verkauft man halt Jamie Gittens und Niko Schlotterbeck. Dass man dann das Geld nicht in neue Spieler stecken kann, könnte problematisch werden. Dass diese neuen Spieler dann auch eher auf dem Julian Brandt Niveau sind, als der nächste Erling Haaland, wird das nächste Problem, dass Watzke ignoriert.
Aber hier möchte ich, obwohl ich vorgestern selber noch den Vergleich gezogen habe, festhalten: Die Lage wird nicht annähernd so dramatisch, wie bei der fast Insolvenz 2005. Ich glaube nicht, dass die Dortmunder kurzfristig in eine extreme Schieflage gelangen könnten, dafür wirtschaften die zu seriös. Ich befürchte eher einen schleichenden Niedergang.
Also mein Szenario sieht eher so aus: Im Sommer ist dann, weil man schon wieder nur auf Platz 5 landete, Gittens weg. Man kommt aber, weil der Kader trotzdem durchaus gut besetzt ist, in der Europa League überraschend weit. Nur verdient man halt im Halbfinale dieses Wettbewerbes weniger, als im Achtelfinale der Champions League. Aber die Zusatzbelastung hat man ja trotzdem und so landet man dieses Mal sogar nur auf Platz 6. Man redet sich ein, dass das aufgrund der komplizierten Vorbereitung mit der Klub-WM und dank der Halbfinalteilnahme gar nicht schlecht war. Aber Schlotterbeck geht, weil er konstant in der Champions League spielen will. Wie auch vorher Gittens wird er nicht gleichwertig ersetzt. Dafür bietet man Julian Brandt immerhin einen leistungsbezogenen Vertrag an, was ein Fortschritt ist.
So scheidet man Jahr für Jahr etwas früher aus der Europa League aus. Beim einmaligen Comeback in der Champions League ist auch schon nach den Playoffs Schluss, weil man halt den Anschluss verpasst hat. Plötzlich muss man froh sein, dass man überhaupt an der Europa League teilnimmt. Aber Julian Brandt steigt 2034 in Management auf, weil der ja schon immer da war.
Wenn RB und Bayer nicht nachlassen, wird Dortmund zeitnah "nur noch" um den 4. Startplatz in der Champions League kämpfen. Also der legendären Wenger Trophy. Und die Voraussetzungen in Frankfurt sind, was Umfeld und Infrastruktur betrifft, nicht schlechter als in Dortmund. RB und Bayer haben als Dosen-Werks-Elf wirtschaftlich klare Vorteile. Irgendwann müssen die Borussen beten, dass Beyoncé im Signal Iduna Park spielt und bezahlen mir dann das VIP Ticket. Dass genau dieses Szenario eintritt, soll Niko Kovač verhindern.
Und hier kommt etwas völlig Absurdes: Kovač ist der erste externe "Neuzugang" im leitenden Personal seit Marco Rose. Rose war dabei ja eher ein einjähriges Intermezzo, dass die Ära Edin Terzić unterbrochen hat. 5 Jahre mit nur einem kurzfristig beschäftigten externen Mitarbeiter? Das wäre selbst im hintersten Bayern zu inzestuös.
Also ja, sie folgen damit technisch gesehen dem Vorbild der Bayern. Aber die hatten halt einen Uli Hoeneß. Mit dem besten Manager aller Zeiten kann man das machen.
Nebenbei hat ein Hoeneß einen Christian Nerlinger auch sehr schnell entlassen, als er merkte, dass der nicht in seine Fußstapfen passt. Auch Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić waren sehr schnell wieder weg vom Fenster. Hoeneß gibt ehemaligen Spielern eine Chance und die Möglichkeit, sich zu profilieren. Aber sobald er merkt, dass das nichts wird, greift er auch ein. Und vor allem holt er sich dann doch externe Hilfe: Matthias Sammer und Max Eberl. Und ja, technisch gesehen war Eberl auch mal kurz Bayern-Spieler. Aber geholt haben sie den, weil er in Gladbach überragende Arbeit geleistet hat. Und weil man nebenbei RB Leipzig schwächen konnte.
Und vor allem hat man, wenn man das Management weitgehend "intern" besetzt hat, dafür immer externe Trainer geholt. Louis van Gaal, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti und Thomas Tuchel waren international extrem anerkannte Namen, die keinerlei Verbindung zum Verein hatten, Jupp Heynckes kam das erste Mal als Ende der 80er als externer Trainer. Und zwischen den Amtszeiten legte er eine verdammt erfolgreiche Karriere hin und gewann unter anderem die Champions League mit Real Madrid. Kovač holte vorher wenigstens einen Titel. So kam immer wieder externe Expertise in den Verein.
Der einzige in Dortmunds Führungsriege, der relevante externe Erfahrungen vorweisen kann, ist Sven Mislintat. Und der hat primär in Erfahrung gebracht, dass seine exzentrische und komplizierte Art nur in Dortmund toleriert wird. Bei Arsenal London und dem VfB Stuttgart konnte er nie wirklich Fuß fassen. In Amsterdam wurde er verdammt schnell vom Hof gejagt. Dortmund hat ihn wieder mit offenen Armen empfangen, weil man sich auf sein Diamantenauge verlassen muss. Da muss man aber auch festhalten: der ist nur wieder da, weil er auf allen anderen Stationen gescheitert ist.
Sebastian Kehl kennt 22 Jahren ausschließlich den BvB. Der hat seine "gute Kinderstube" aus der Freiburger Zeit doch schon längst verdrängt. Lars Ricken hatte nicht mal eine gute Kinderstube. Der kam als 14-jähriger zum BvB und hatte seit dem de facto keinen anderen Arbeitgeber. Ok, er war 3 Jahre Experte bei Sky. Aber das war's.
Das hat bei Michael Zorc damals natürlich gut funktioniert. Aber das ist kein Grund, diese einmalige Idee bedingungslos zu kopieren. Und vor allem sollte man dieses Konzept nicht auf alle Positionen anwenden.
Kovač ist jetzt der Erste, der dieses Inzest-Konstrukt komplett aufbricht. Der nicht einfach nur in seine derzeitige Position befördert wurde, weil er ja schon immer da war und sonst keiner konnte. Allein deswegen wird er einen frischen Wind in diese Büros bringen.
Die aufmerksamen Zyniker werden hier jetzt anmerken, dass Dortmund doch beim Trainer das macht, was ich ihnen bei den Führungsspielern vorwerfe: Sie holen den Kandidaten, der bei den Bayern gewogen und als zu leicht empfunden wurde. Das stimmt. Trainer haben halt eine wesentlich geringere Halbwertszeit als Spieler in einem Verein, da ist es nichts Ungewöhnliches, dass man sich den ehemaligen Cheftrainer der Konkurrenz holen kann. Aber dass Kovač Karriere seit der Entlassung bei den Bayern eher auf dem absteigenden Ast war, ist suboptimal. Wenn man Anfang Januar plötzlich einen Trainer sucht, findet man nur ganz selten die optimale Lösung.
Kovač bringt etwas anderes mit, was den Dortmundern gerade chronisch fehlt: Titel. Und eben nicht nur Titel mit dem FC Bayern, wo ja außer Jürgen Klinsmann jeder was holt. Er hat den DFB-Pokal gegen die Bayern gewonnen. Das ist jemand, der nicht in Ehrfurcht erstarrt, wenn der Rekordmeister vor ihm steht.
Also um das mal zu verdeutlichen: Seit der Saison 2017/18, als dem offiziellen Ende der Ära Zorc, hat der BvB einen einzigen Titel geholt: den DFB Pokal 2021. Im selben Zeitrahmen haben RB Leipzig, Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt je 2 Trophäen in ihre Vitrinen gestellt. Nur um festzuhalten, dass "Die Bayern sind ja so übermächtig" keine Ausrede ist. Niko Kovač selbst hat 3 Titel geholt.
Kovač wird sich nicht mit Finalteilnahmen und Vize-Meisterschaften zufriedengeben, wenn es am Ende um die Wurst geht. Er wird auch nicht nach Ausreden suchen, warum es am Ende nicht klappen konnte. Und das hat den Dortmundern, die es sich in ihrer Rolle als "Nummer 2 in Deutschland" bequem gemacht haben, wirklich gefehlt hat.
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