Donnerstag, 26. Mai 2022

Die wichtigste Nachricht der Woche

 Die US-Frauennationalmannschaft wird endlich angemessen bezahlt. Also wie sich das gehört. Deswegen hier jetzt pünktlich zum Herrentag alles, was ihr zum Thema "Equal Pay im Fußball" wissen müsst, damit ihr eine ordentliche Argumentationsgrundlage habt.

Dabei muss man dieses Thema natürlich auf mehreren Ebenen betrachten. Wer hätte das gedacht. Die Lage in Deutschland ist eine ganz andere als die in Amerika. Kommen wir dabei also direkt zu dem ersten dummen Gegenargument: Jeder sollte nach dem, was er erwirtschaftet, bezahlt werden.

Das stimmt... Da sind sich alle einig. Hier kommt das Problem: Genau darum haben die US-Frauen doch jahrelang gekämpft. Also hier sind ein paar ganz absurde Umsatzzahlen: 24,5 Millionen gegenüber 18,5 Millionen. Die größere Zahl gehört zu den Frauen, auch wenn die ein paar Spiele mehr absolviert haben und der "Pro Spiel Umsatz" dann annähernd gleich ausfällt. Aber obwohl die Frauen bei jedem Spiel mehr Geld umgesetzt haben, bekamen sie 4.000 Dollar weniger pro Auftritt. Da kommen dann ganz schön große Zahlen zusammen.

Für uns Deutsche ist es natürlich unvorstellbar, dass eine Frauenmannschaft ähnliche Umsätze generiert, wie die Männer. Aber da sollte man sich einfach mal die Bilder von der Siegesparade 2019 in Erinnerung rufen und sie mit den Eindrücken aus dem 1:2 gegen Trinidad und Tobago vergleichen. Dann ergibt das auf einmal Sinn. Aber selbst als Weltmeisterinnen bekommen die weniger Geld, als "ihre Männer", die sich nicht mal fürs Turnier qualifizieren...

Und ja, dass Frauen, die gleiche oder ähnliche Umsätze generieren wie die Männer, jahrelang dafür kämpfen müssen, dass sie auch gleich bezahlt werden, sollte jedem deutlich machen, wie schlimm die Lage ist. Denn selbst in den wenigen Fällen, in denen das der Fall ist, wird die Frau schlechter behandelt.

Ein weiteres wichtiges Thema ist da ja auch, dass beide Mannschaften gleich behandelt werden. Und da kann man noch so oft behaupten, dass die doch auch in tollen Hotels wohnen. Fakt bleibt halt; Megan Rapinoe hat sich auf einem Platz, den sie Christian Pulisic nie betreten lassen würden, das Kreuzband gerissen. Also auf einem dieser hässlichen amerikanischen Kunstrasenplätze, die zum Fußballspielen echt ungeeignet sind.

Nebenbei muss ich hier noch einen kurzen Einschub, der nur bedingt was mit Fußball zu tun hat, aber sehr viel mit dem Umgang amerikanischer Athletinnen aussagt. Ich bin letztens völlig random über die GoFundMe Kampagne von Sedona Prince gestolpert. Die hat sich bei einem Jugendturnier für die Nationalmannschaft das Bein böse gebrochen und blieb hinterher auf den Kosten der Folgebehandlungen sitzen. 22.000 US-Dollar. Und all das zu einer Zeit, wo sie als "College Athlete" 0 Cent mit dem Basketball spielen verdienen durfte. Und ja, vielleicht ist sogar das College Schuld an der Infektion, weil sie die Dame mit Antibiotika vollgepumpt haben, damit sie so schnell wie möglich wieder spielen kann. Deswegen hat Price dann auch das College gewechselt, was als Nächstes dazu führte, dass sie von der NCAA gesperrt wurde... denn man kann ja nicht einfach das College wechseln, wenn man medizinisch schlecht behandelt wird... Aber wie kaputt ist es eigentlich, dass man auf den medizinischen Rechnungen sitzen bleibt, wenn man sich im patriotischen Dienst verletzt? Wie kann man nicht mal annähernd ordentlich versichert sein, während man als Amateur für ein großes, Millionen Umsätze generierendes College spielt?

Aber zurück zum Equal Pay: Den Amerikanerinnen geht es immer nur darum, dass sie an den Umsätzen, die sie generieren, genauso beteiligt werden, wie die Männer. Also das ist ja auch der ewige Kampf der WNBA. Es geht nie darum, dass Megan Rapinoe so viel Geld bekommt, wie Lionel Messi. Oder dass Elena Della Donne einen 200 Millionen Vertrag unterschreibt, wie LeBron James ihn angeboten bekommt. Es geht ausschließlich darum, dass auch die Frauen 50 % von dem Betrag X, den sie erwirtschaften, ausgezahlt bekommen. So wie es bei den Männern im Tarifvertrag festgeschrieben ist. Bei den Frauen wird es an der Stelle aber richtig kompliziert. Aber dass der Betrag X bei den Frauen wesentlich geringer ausfällt, als bei den Männern, ist allen Beteiligten bewusst. Es geht also wirklich nur darum, dass sie das bekommen, was sie auch erwirtschaften. Also genau das, was alle Equal Pay Kritiker auch wollen...

Was uns dann zu der Lage in Deutschland bringt. Denn auch da fordern die Frauen keine direkte Anpassung der Gehälter ans Männerniveau. Bei den deutschen Frauen haben wir ein ganz anderes Problem: mangelnde Sichtbarkeit.

Nun muss ich direkt zugeben, dass ich einen Aspekt davon nicht nachvollziehen kann: die Anstoßzeit der Nationalmannschaft. Damit ihr euch auch für beide Gesprächsoptionen für beide Parteien gebe. Also eine der prägenden Fragen ist ja: Wer soll sich das denn angucken, wenn am Freitag um 16 Uhr angepfiffen wird? Und wer kommt da ins Stadion? Und meine spontane Antwort lautet: Kinder und Schulklassen? All diejenigen, die vom Stadionbesuch der Männermannschaft ausgeschlossen sind, weil Mittwoch Abend 21 Uhr für sie einfach eine ungünstige Zeit ist? Also die Fans der Männernationalmannschaft haben sich jahrelang darüber aufgeregt, dass die Anstoßzeit so fanfeindlich ist. Und die Frauen sagen jetzt "Da wollen wir auch hin!"? Warum versucht man nicht mal, diese Fans mit einem "Kommen sie bitte zu uns!" abzuholen? Und klar, dann wird man immer noch nicht in der Allianz-Arena spielen... aber vielleicht kommen doch ein paar mehr junge Leute ins Stadion. Und wenn man die abholen könnte und früh eine Bindung aufbaut...

Das ist ja eines der Grundprobleme: Der Frauenfußball bietet eigentlich genau den Sport, den all die Traditionsfans, die sich von der Bundesliga wegen Red Bull und Aktiengesellschaften angewidert abwenden, so gerne sehen würden. Keine übertriebene Kommerzialisierung. Seltenere Schauspieleinlagen. Kinderfreundlichere Anstosszeiten. Mehr Fußball. Trotzdem gehen diese Fans dann lieber zur Regionalliga als zur Frauenbundesliga. Die eigentliche Frage lautet also: Wie überzeugt man diejenigen, die eigentlich nur ordentlichen Fußball sehen wollen und auf das ganze drumherum keinen Bock haben, dass die Frauenbundesliga eine Option wäre?

Aber im Großen und Ganzen haben die Frauen doch recht: Die mangelnde Sichtbarkeit ist ein riesiges Problem. Und andere Nationen haben "uns" da gerade einfach mal überholt, obwohl es nach der WM in Deutschland 2011 doch so aussah, als würde es Fortschritte geben. Aber die Zuschauerrekorde werden in Wembley und im Camp Nou aufgestellt. Barcelona schafft es 90.000 Fans zu ihren Champions League Spielen zu locken, Wolfsburg nur 10.000. Wobei, es ist der VfL Wolfsburg, die kriegen auch bei den Männern das Stadion nicht voll...

Und nur so nebenbei: 2019 wollten 60.000 Fans das Ligaspiel zwischen Atletico Madrid und Barca sehen. Klar, beide Spiele sind Ausnahmeveranstaltungen. Aber es zeigt doch, dass da mehr gehen würde. Dass man sich dann als deutsche Nationalspielerin fragt, warum solche Festtage in Deutschland nicht möglich sind, ist doch nachvollziehbar.

Natürlich leiden die am Ende an dem einen Problem, welches alle haben: Der Männerfußball ist in diesem Land so dominant, dass er alles andere platt macht. Man muss irgendwie die Lücken im viel zu vollen Spielplan finden, wenn man mit seiner Nischensportart Erfolg haben will. Und abgesehen von der Formel 1 sind das alles Nischensportarten. Faszinierender Weise hat ja ausgerechnet die größte Sportliga der Welt genau diesen Sweetspot gefunden: Also die pfeifen genau dann an, wenn der gemeine Fußballfan nicht vom Fernseher sitzt, weil es am Sonntagabend keine Bundesligaspiele gibt... Schade für alle anderen Sportarten, dass sie diese Lücke nicht gefunden haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen