Also es gab ja schon die ersten hoffnungsvollen Ansagen, dass der Fußball hinterher ein anderer sein wird. Dass die Zeit der Transferrekorde erst Mal vorbei sein wird. Dass das Hockrisikowirtschaften durch Vernunft ersetzt wird. Und dass tatsächlich mal ein paar Schrauben zurück gedreht werden...
Spoiler: Das wird alles nicht passieren. Und der Grund dafür liegt nicht mal in den 100 Millionen, die Manuel Neuer gerne mitten in der Krise bekommen würde... und der Frage, ob Neuer dieses Geld wirklich wert ist. Das sind genau genommen nur unwichtige Details.
Denn wenn sich im Fußball (und im Sport allgemein) etwas ändern sollte, muss man ganz andere Diskussionen geführt werden. Ganz praktisch muss man sich die Frage stellen, warum Liverpool gegen Atletico Madrid vor Zuschauern ausgetragen werden durfte. Und warum Atalanta Bergamo gegen den FC Valencia antreten musste. Beide Spiele sind gerade im Fokus der Untersuchungen über die Verbreitung des Virus. Es gibt Theorien, dass diese Ansetzung der Grund sein soll, warum gerade diese Region am härtesten vom Corona Virus getroffen worden ist. Und hier ist der absolute Wahnsinn: Das Bergamo Valencia Spiel fand 21 Tage vor Liverpool Madrid statt. Trotzdem meinte irgendjemand, dass dieses Spiel mit 3.000 Gästefans stattfinden kann... während es in Spanien bereits eine Ausgangssperre verhängt worden ist.
Nun ist es für mich als Blogger natürlich einfach vorher darauf hinzuweisen, dass das Wahnsinn ist. Ich habe ja keinerlei Verantwortung zu tragen. Aber die spannende Frage ist ja: Welche Konsequenzen ziehen die Verantwortungsträger daraus, dass sie die wirtschaftlichen Faktoren vor die Gesundheit der Spieler, Fans und Allgemeinheit gestellt haben? Denn dass die Uefa nicht frühzeitig die Internationalen Wettbewerbe ausgesetzt hat, lag einzig und allein am Geld.
Die eigentliche Frage, die jetzt also gestellt werden muss, lautet: Wer hat diese Ansetzungen genehmigt. Und wie gehen wir damit um.
Wobei natürlich auch vorne weg erwähnt werden muss, dass hier niemand gesetzlich verfolgt werden kann. Das ist ja das absurd schöne daran: Zum ersten Mal seit Ewigkeiten geht es nicht um Korruption oder Vetternwirtschaft, sondern um eine katastrophale Fehleinschätzung der Situation: Anstatt auf Vernunft und Führungsstärke zu setzen, hoffte man, dass das alles schon nicht so schlimm sein wird und es nur so ne leichte Grippewelle wird. Was halt mal so gar nicht funktioniert hat. Solche Fehleinschätzungen können durchaus passieren. Gerade weil wir Europäer ja so was seit gefühlt 100 Jahren nicht mehr in der Extremform hatten.
Trotzdem muss man ganz sachlich klären, wer das durchgewunken hat. Und da muss man halt Aleksander Ceferin anfangen. Also der ist ja praktisch Funktionär, Lobbyist und Sportpolitiker in einem. Und er hat seine Führungsaufgabe richtig in den Sand gesetzt. Denn er hätte den Arsch in der Hose haben und das Liverpool Madrid Spiel komplett absagen müssen. Gemeinsam mit dem restlichen europäischen Spieltag. Also spätestens in dem Moment, wo klar war, dass die italienischen Vertreter die Internationalen Wettbewerbe definitiv nicht regulär zu Ende spielen können. In dem Moment hätte es Ceferin auffallen müssen, dass er keine Sportmannschaften quer durch Europa fliegen lassen kann. Selbst wenn die lokalen Behörden, über die man vor Ort auch diskutieren muss, den Spaß genehmigt haben.
Aber gibt es irgendwo eine Diskussion, ob Ceferin jetzt noch der richtige Mann ist? Ich sag das mal so: Wenn ich Ceferin und Rücktritt google, kommt ein "Er war naiv, ja, er hat Fehler gemacht."... von Ceferin über Reinhard Grindel dem der Rücktritt nahe gelegt wurde. Wenn Ceferin jetzt den Grindel-Maßstab auf sich selber anwenden würde... aber so was macht man ja nicht.
Wobei ja ein Rücktritt noch nicht mal zwingend notwendig ist. Aber für eine vernünftige Aufklärungsarbeit wäre halt eine "Vertrauensfrage" elementar wichtig. Auf aufzuarbeiten wie die Uefa mit dieser Krise umgegangen ist und um zu klären, was man besser machen muss, wenn so was nochmal passiert. Aber stattdessen geht die Uefa dem "Wir könnten ein Brandbeschleuniger bei der Verbreitung der Pandemie gewesen sein" (also quasi ein 2. Ischgl) geschickt aus dem Weg. Und Ceferin regelt lieber, wie es weiter gehen soll und unter welchen Umständen die internationalen Wettbewerbe noch beendet werden könnten...
Um das an der Stelle nochmal zu verdeutlichen: Während der Rest der Welt sich mehr oder weniger damit abgefunden hat, dass es bis 2021 keine unnötigen Auslandsreisen geben wird. plant Ceferin weiterhin einen großen Kongress der europäischen Spitzenspieler... Die danach dann alle zurück in ihre Heimatländer fahren, um dort dann die nationalen Ligen zu beenden.
Schon die Nationalen Ligen zu Ende zu spielen, ist ein gewisses gesellschaftliches Risiko. Und man muss halt irgendwie abwiegen, ob die Ablenkung Sport dieses Risiko wert ist. Was auch schon schwierig genug ist.
Die Champions League lässt sich praktisch nur auf eine Variante durchziehen: Man trifft sich nach der Meisterschaftssaison in einem Land wie Weißrussland, die es mit Corona Schutzmaßnahmen nicht so haben. Gute Idee.
Eine vernünftige Debatte für die Uefa wäre gerade, wie man die nächste Europacup Saison angehen kann... denn genau genommen dürfte es unmöglich werden im Juni mit der Qualifikation für die Gruppenphase zu beginnen. Vernünftig wäre es jetzt nach einer Variante zu suchen, eine verkürzte Europacup Saison für 2020/21 zu planen, anstatt irgendwie zu hoffen, dass man im August noch ein Finale austragen kann... Da frage ich mich ja schon: Planen die die nächste Champions League Qualifikation schon anlaufen zu lassen, während der aktuelle Titelträger noch gesucht wird?
Und genau jetzt wird es halt richtig bitter, dass der Rahmenterminkalender keinerlei Freiräume mehr hat. Also um das mal zu verdeutlichen: Die Champions League Saison läuft planmäßig vom 26.6. - 1.6. Zumindest war das der Rahmen für die 2018/19er Saison. Denn selbst wenn man den Meister Gibraltars einmalig ausschließt, beginnt der Spaß immer noch Anfang Juli und dauert 11 Monate. Diese 11 Monate wird man vor der EM im folgenden Sommer einfach nicht haben.
Genau genommen sollte sich die Uefa jetzt dringend mit der Frage beschäftigen, ob man für die nächste Saison einmalig zu reinen K.O. Spielen zurückkehrt und die Gruppenphase jeweils streicht.
Und als Bawful Bonus Feature droht Ceferin den Funktionären, die Verantwortung übernehmen und zu dem Schluss kommen, dass Gesundheit wichtiger ist als die Frage, wer Meister wird. Denjenigen, die gewillt sind die wirtschaftlichen Folgen eines Saisonabbruchs, vor denen Ceferin sich drückt, zu tragen.
Nebenbei ist Ceferin nicht der einzige Name, dessen Rolle man kritisch durchleuchten sollte. Thomas Bach vom IOC ist auch so ein Experte. Dass der, angeblich im Sinne der Sportler, noch lange nach dem Ausbruch der Pandemie davon geredet hat, dass in diesem Sommer olympische Spiele stattfinden sollen... Auch wenn die Mehrheit der Sportler das für nicht darstellbar hielten... Aber auch der muss sich dafür nicht wirklich rechtfertigen.
Wenn wir in Zukunft einen anderen Sport erleben wollen, müssen wir halt genau jetzt über die Entscheidungsträger reden... und uns einigen, ob wir deren Krisenmanagement und ihre Schwerpunkte für angemessen halten oder nicht.
Aber diese Debatte wird so schnell nicht geführt werden. Damit sollten wir auch jegliche Hoffnung begraben, dass sich irgendetwas ändern wird, wenn der Scheiß irgendwann vorbei ist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen