Und ja, ich würde auch lieber ein Worst of über Barcelona - Bayern schreiben... aber dieses Spiel wurde leider vorher durch die Lazarette entschieden: Bei Barca waren alle fit und in Form, bei den Bayern nicht. Dann geht das halt 3:0 aus. Die Spielverlagerung nennt bei ihrem Fazit eine interessante Statistik: 28:3 Dribblings für Barca... das wäre mit Arjen Robben und Franck Ribery nicht passiert...
Dass es trotzdem 80 Minuten lang ein spannendes Fußball-Spiel war, in dem die Bayern (Robert Lewandwoski, Gomez der Woche) sogar mit 1:0 in Führen gehen müssen...Lag an Pep Guardiola... und an dem, was man ihm am liebsten vorwirft: seinem In Game Coaching.
Und ja... Bayern Ausrichtung in den ersten 15 Minuten war entweder gnadenlos optimistisch oder absurd konsequent... Auf die Idee gegen einen 100 Tore Sturm Mann gegen Mann zu spielen, würden definitiv nur wenige kommen... Wenn dann muss es ein Überzeugungstäter wie Guardiola sein, der halt felsenfest davon überzeugt ist, dass Fußballspiele durchs zentrale Mittelfeld und Ballbesitz gewonnen werden... Und Pep hat garantiert darauf gesetzt, dass er Barca mit dieser Marschroute (und der Überzahl im Mittelfeld) überraschen kann...
Aber vor allen Dingen... konnte er diese Taktik im Spiel korrigieren... so wie er immer im Spiel Dinge korrigiert. Und ja, für die Bayern-Profis ist es ein ganz gewöhnlicher Vorgang, dass sie innerhalb von Minuten vom Linken Innenverteidiger, der auf Lionel Messi angesetzt wird, zum rechten Außenverteidiger, der hauptsächlich gegen Neymar ran muss, umsatteln müssen... Aber das liegt halt auch daran, dass Pep so was in der Bundesliga ausprobiert und trainieren lässt, anstatt (was er auf Grund der Qualität auch könnte) 90 Minuten und 34 Spieltage lang nur ein System spielen zu lassen.
Die Bayern wurden dadurch nicht etwa ins Chaos gestürzt, sondern Guadriola gab ihnen die fehlende, aber dringend benötigte Stabilität. Und das ganz ohne Zettelchen, die er verteilen musste.
Das lustige daran: Haufenweise Experten bezweifeln, dass die Spieler überhaupt in der Lage sind, solche Anweisungen zu verarbeiten. Und ja, es ist durchaus möglich, dass Guardiola es etwas übertreibt. Aber gestern hat er eindrucksvoll bewiesen, dass er es vor 95.000 feindlichen Zuschauern schafft, seiner Mannschaft im laufenden Spiel eine neue Taktik zu verpassen. Und diese wurde sofort umgesetzt... damit sollte jede "Kann man das überhaupt aufnehmen" Debatte zu den Akten gelegt werden. Ein Bayern-Profi kann... Er muss das können, sonst kann Guardiola mit ihm nichts anfangen.
Das faszinierende: Diese Experten sind allesamt alt. Und würden im heutigen Fußball kaum noch eine Rolle spielen. Der "jüngste" ist Stefan Effenberg mit 45... und der hat sein gesamtes Leben Zentrales Mittelfeld gespielt. Und das war zu Zeiten, als es noch keine Abkippenden Sechser, sonder Jens Jeremies Kampfschweine (auf allerhöchstem Niveau) gab.
Ein Stefan Effenberg würde heute als absurder (und auf Champions League Niveau nicht mehr zu gebrauchender) Spezialist gelten.
Aber er würde heute natürlich auch anders ausgebildet werden... sein quasi Nachfolger im Geiste war Bastian Schweinsteiger. Und ja, es ist kein Zufall, dass zwischenzeitlich auch optisch viel Effenberg im jungen Schweinsteiger steckte... Aber: Schweinsteiger ist ein zentraler Mittelfeldspieler der neuen Schule. Das fängt schon damit an, dass er als Flügelspieler angefangen hat und sich dann Stück für Stück ins Zentrum der Bayern gearbeitet hat...
Da kommt halt auch das Problem, dass er Effenbergs Erbe im Geist ist... also er hat das Bayern-Motto zum "Mia san Mitte" weiterentwickelt... Und damit ist er halt verdammt unflexibel. Lahm, Thiago, Bernat, Alaba, Götze und ja selbst Rode können Guardiolas Zentralen Mittelfeld verschiedenste Rollen übernehmen. Robben, Ribery und Müller können in der Offensive jede Position besetzen... Nur Schweinsteiger und Xabi Alonso sind irgendwie auf eine Position festgelegt. Deswegen lautet die Frage ja auch "Schweini oder Xabi"... während man alle anderen fast beliebig anordnen kann. Und ja, Schweinsteiger ist gerade an dem Punkt, wo diese mangelnde Flexibilität zum Problem für ihn wird.
Verdammt, das Ding artet schon wieder aus... warum müssen einfache Gedanken immer so komplett eskalieren?
Zurück zum eigentlichen: Der Next Gen Fußball-Profi muss halt im Kopf so fit und flexibel sein, dass er sich innerhalb von Minuten taktisch komplett umstellen kann... Und ja, das ist eine reine Kopfsache. Rafinha ist nun wirklich nicht der Überfußballer, sondern kommt eher aus der "Warum haben die immer noch keinen besseren?" Kategorie. Aber er ist genau dazu in der Lage: Sich innerhalb von Sekunden ein komplett neues taktisches Konzept hochzuladen. Für die meisten dieser Experten, die sich nicht vorstellen können, dass das gehen kann, wäre es eine taktische Meisterleistung gewesen, innerhalb von einer Woche Rafihnas Umstellung von gestern hinzukriegen. Halbwegs fehlerfrei.
Aber diese Experten konnten sich zu ihrer aktiven Zeit auch nicht vorstellen, dass man mal 12 Kilometer pro Spiel laufen würde...
Und der Fußball entwickelt sich doch in folgende Richtung: Man hat 2 Innenverteidiger. Dann einen Fixpunkt im Zentralen Mittelfeld (Nennen wir ihn Sergio Busquets) und (falls man den hat, denn der ist am schwierigsten zu finden) einen auch physisch herausragenden, aber trotzdem fußballerisch fitten Mittelstürmer (nehmen wir Suarez). Und darum herum "positioniert" man Spieler, die wild rotieren und eigentlich nicht mehr auf eine Position beschränkbar sind...
Nehmen wir doch einfach mal das Beispiel Außenverteidiger... Deren Aufgabenstellung ist so komplex, dass man eigentlich keinen Profi aus den 90ern erzählen könnte, dass die noch Verteidiger sind. Das muss man nebenbei auch können.
Oder offensiveren der beiden 6er. Ist das ein Defensiver Mittelfeldspieler? Ein Achter? Oder doch eine Falsche 10? Und ja, wir reden hier von der Positionsbeschreibung eines Iniesta, Xavi, Gündogan, Fabregas, Kroos... um nur die besten zentralen Mittelfeldspieler zu nennen, man könnte die Liste ewig fortsetzen...
Oder die "Hybridspieler" in der Offensiven Dreierreihe... Mittlerweile kann da doch beinah jeder Profi mit Champions League Aspirationen jeder der 3 Rollen im "klassischen" 4-2-3-1 besetzen.
Anders ausgedrückt: wie viele Bundesligaprofis fallen euch ein, die wirklich noch Linker Mittelfeldspieler und sonst nichts in der Berufsbeschreibung stehen haben (Die Antwort: Marcel Jansen...)
Am lustigsten ist das immer, wenn die Jungs von der Spielverlagerung am Ende versuchen, dass "System", dass sie gerade beschrieben haben, in Zahlen zu fassen. Da kommen die dann gerne mal auf 5 unterschiedliche Zahlenkombinationen, die stark nach einem nicht zu knackenden Tresorcode klingen... und die allesamt nur die Vierekette gemein haben... Was dann schon wieder absurd ist, weil man genau genommen nicht davon ausgehen kann, dass Dani Alves und Jordi Alba wirklich viel Zeit auf Augenhöhe mit ihren Innenverteidigern verbracht haben. Aber deren Variabilität ist halt so konstant, dass sie schon wieder als Fixpunkt in einem System betrachtet werden muss...
Und ja, für einen modernen Fußballer ist es völlig normal, in 90 Minuten zwischen 5 unterschiedlichen Systemen hin und her zu wechseln. Genau so, wie es für ihn normal ist, 11 Kilometer zu laufen... Aber: Dafür braucht man halt auch einen Trainer, der von Außen entsprechende Anweisungen gibt, weil der halt eher einen Überblick hat, wo es gerade fehlt (und was der Gegner gerade macht) als die Spieler auf dem Feld...
Um noch mal in die Glaskugel zu gucken: In 5 bis 10 Jahren wird es völlig normal sein, dass jeder Trainerstab einen Assistenten auf der Tribüne sitzen hat, der dann mit dem Coach via Funk im Austausch steht und ihm aus seiner viel besseren Perspektive mitteilt, was ihm gerade auffällt und wie man darauf reagieren müsste. Und dann wird es ganz selbstverständlich sein, dass jeder Profi immer in der Lage ist, zwischen 10 unterschiedlichen System und Aufgabenbereichen hin und her zu wechseln. Und auch dann wird es die Riege der alten Experten geben, die sich nicht vorstellen können, dass die Spieler das aufnehmen können...
Aber: Die heutigen Spieler sind halt auch jetzt schon ganz anders geschult als die alte Generation. Und die nächste Generation wird noch mal (sowohl technisch, als auch taktisch) besser geschult aus den Jugendakademien kommen. Und dementsprechend selbstverständlich werden sie dann auch die Dinge, die Trainer von ihnen verlangt, umsetzen.
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