Oder: Wie man's macht, macht man's verkehrt.
Pal Dardai ist ja gerade in seiner 5. Saison bei der Hertha. Und seit Dardai den Titel "Interimstrainer" losgeworden ist, hat die Hertha nichts mehr mit dem Abstiegskampf zu tun. Was für einen Verein, der alleine in diesem Jahrzehnt 2 Mal abgestiegen ist, keine Selbstverständlichkeit ist. Dardais Bilanz sieht mit Platz 7, 6 und 10 mehr als ordentlich aus. So einen guten Trainer muss du erst Mal finden...
Und ja, es ist durchaus möglich, dass Dardai vor 2022 wieder Cheftrainer in Berlin wird, weil er die Hertha wieder vor dem Abstieg retten muss... oder dass er nach Stuttgart geht, weil die von einer derartigen Bilanz träumen.
Aber Dardais Bilanz kommt mit einem entscheidenden Markel: Platz 16, Platz 16, Platz 13, Platz 11 und Stand jetzt Platz 13. Oder 17, 18, 19 und 19. Das sind die Anzahl der Punkte, die Hertha unter Dardai in der Rückrunde holte. Das ist jeweils schlechter als in der Hinrunde. Im Best Case Szenario holt Dardai in der Rückrunde 5 Punkte weniger, im Worst Case 14...
Und wir reden halt von Berlin, einer Stadt mit erstaunlichen Möglichkeiten. Klar, Berlin ist unter Dardai zur Grauen Maus geworden... und das ist nice... Aber auf Dauer kann das nicht das Ziel sein. Dardai allerdings nachgewiesen hat, dass er seine Mannschaft im Saisonverlauf nicht besser machen kann, was aber für die Hertha zwingend erforderlich ist, wenn sie den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung machen will. Er kann wunderbar dafür sorgen, dass sein Team eine außerordentliche Frühform an den Tag legt und sich dadurch ein Polster aufbaut, welches ihr den Klassenerhalt sichert. Deswegen wird, obwohl meine ursprüngliche 10 absurde Thesen Theorie, dass Dardai keine komplette Saison konstant trainieren kann, doch noch wahr geworden, auch wenn Dardai nie in den Abstiegskampf abgerutscht ist. Also kein I Told you so... aber fast...
Dieses Phänomen lässt sich am besten an Ondreij Duda festmachen: Der begann im Sommer überragend mit 6 Toren in 8 Spielen... Hat aber seine Form nicht annähernd halten können. Und da ist er ja keine Ausnahme.
Oder überlegt einfach mal wie viele relativ große Talente die Hertha im
Sommer hatte... da wird seit Jahren so getan, als hätten die herausragende Jahrgänge in der Pipeline... wo alle dachten, dass sie in dieser Saison den nächsten
Schritt machen. Nehmen wir (auch wenn der schon seit Jahren da ist) Marvin Plattenhardt, der ja nicht erst
seit gestern deutscher Nationalspieler ist... Hätte Dardai den nicht
mittlerweile auf ein Niveau bringen müssen, wo er für Mannschaften, die
konstant international spielen, interessant wird... Aber der stagniert
halt auf dem allgemeinen Hertha Niveau... genau so wie Arne Meier...
oder, oder, oder... Ich sag das mal so: Wenn ich einen Trainer suche,
der meine durchaus vorhandenen Talente nicht weiter entwickelt, dann
nehme ich doch Heiko Herrlich.
Lasst uns das mal mit 2 Gegenbeispielen vergleichen, die derzeit beweisen, dass sie eine Mannschaft über den Verlauf der Saison hinweg und ohne große Impulse von außen weiterentwickeln können: Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann.
RB Leipzig dürfte derzeit die 2. Beste Mannschaft in Deutschland sein. Mindestens. In der Konferenz bei Sky fiel der wunderbare Satz: Wenn die nicht so oft verloren hätten, könnten die um die Meisterschaft mitspielen... was auch auf Hannover 96 zutrifft, aber es geht ja ums Prinzip:
Wenn Leipzig schon zu Saisonbeginn so gut gewesen wäre, wie sie es jetzt sind. Aber dies bedeutet auch: Man sieht in der Mannschaft eine klare Entwicklung. Sowohl individuell als auch taktisch.
Und in Hoffenheim kann man dies am besten an der individuellen Entwicklung von Ishak Belfodil festmachen. Der gibt quasi gerade den Anti-Duda: In der Winterpause wollte er persönlich eigentlich schon wieder weg, aber jetzt merkt man die Arbeit von Nagelsmann und er steht bei 9 Rückrundentoren. Und nur um zu beweisen, dass das keine Ausnahme ist: Andrej Kramaric trifft unter Nagelsmann das dritte ja in Folge in der Rückrunde wesentlich besser als in der Hinrunde...
Nebenbei reden wir von genau dem Belfodil, den Übertrainer Florian Kohfeldt nicht zum funktionieren gebracht hat und bei dem sich im Sommer alle gefragt haben: Was will ein Champions League Teilnehmer denn mit dem? Aber Nagelsmann braucht halt ein halbes Jahr um diese Frage zu beantworten.
Vielleicht sollte sich Nagelsmann Dardai als Co-Trainer sichern und ihn die Grundlagen legen lassen, damit seine Mannschaft 2 starke Halbserien spielen können... Denn Rangnick und Nagelsmann kommen natürlich mit dem Problem, dass sie gerade international so richtig verkackt haben und definitiv noch lernen müssen, wie sie ihre Entwicklung der Mannschaft mit der Zusatzbelastung Europapokal in Einklang bringen.
Nur um mal zu erwähnen, dass dieses Dardai Dilemma gar nicht so außergewöhnlich ist, sondern eventuell sogar zum entscheidenden Entwicklungsschritt eines Trainers gehört: Selbst Trainerlegenden wie Thomas Schaaf hatten eingangs in Bremen große Probleme ihre Hinrunden zu bestätigen. Zyniker werden behaupten, dass er das in all den Jahren nur ein Mal geschafft hat, aber die gibt es hier ja zum Glück nicht... Bruno Labbadia hat ja auch deswegen so eine geringe Halbwertszeit. Peter Bosz macht das alles immer im Zeitraffer. Sandro Schwarz hat gerade die 2. Saison in Folge das Problem, dass seine Mannschaft in der Rückrunde nur in Ausnahmefällen bundesliga-tauglich aussieht. Und ja, Schwarz hat gerade extremes Glück, dass der Spielverlauf gegen Freiburg so absurd war, wie er war, das Ergebnis überdeckt vieles, was Mainz zum 2. Mal in Folge im März und April abliefert. Und letztes Jahr um diese Zeit haben wir uns alle gefragt, ob es eigentlich vernünftig ist den Mann nicht zu entlassen.
Selbst ein Dieter Hecking muss sich irgendwie fragen lassen, warum seine Mannschaft in der Rückrunde schon wieder nachlässt. Selbst ihm passiert das seit 2014/15 (der letzten Saison, in der Hecking in der Rückrunde einen Punkt mehr als in der Hinrunde holte) immer wieder...
Nebenbei sind das alles Statistiken, die sich Michael Preetz mal genau angucken sollte. Denn wenn eine sichtbare Weiterentwicklung innerhalb der Saison der Anspruch sein soll, kann man Hecking schlecht als die Traumlösung verkaufen...
Aber das ist ja das nächste Problem des Leistungssports: Wenn (Extrembeispiel) Preetz einen Alexander Zorniger aus dem Exil holt, bei dem man nach einem Halben Jahr genau die Entwicklung zu sehen bekommt, die Hertha dringend braucht um voranzukommen, aber der Weg dahin eher schmerzhaft ist... dann werden alle nach der stabilen "Wir sichern uns erst Mal den Klassenerhalt mit einer starken Hinrunde und gucken dann weiter" schreien und behaupten, dass Dardai zu entlassen unfassbar dumm war.
Nebenbei wollte ich zum Schluss nochmal eines erwähnen: In diesem Ominösen Früher wo alles besser war sind solche Trainer wesentlich schneller (also bereits in ihrer ersten, spätestens in der 2. Rückrunde) vorgeführt, sind dann in den Abstiegskampf gerutscht und wurden wesentlich schneller entlassen. Da es in einer Liga, in der selbst Nürnberg mit einem Sieg aus 24 Partien nicht hoffnungslos abgeschlagen ist, quasi unmöglich ist in den Abstiegskampf zu rutschen, haben diese Trainer ein wesentlich entspannteres Leben... Was aber nicht bedeutet, dass die Liga dadurch besser wird, eher im Gegenteil.
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