Mittwoch, 12. Oktober 2016

Weil Fußball halt auch nur die schönste Nebensache der Welt ist Part 1

Hey, das ist mein Blog. Und wenn ich Bock drauf habe, mal über was ganz anderes und viel wichtigeres zu schreiben... dann mache ich das halt.
Das ist natürlich einfacher, wenn abgesehen von dem ersten Auswärtstor seit 15 Jahren für San Marino (Es gibt keine Kleinen mehr!!!!) so gar nichts passiert ist...


An diesem Wochenende hatte ich das zweifellose Vergnügen an einem großen Familientreffen teilzunehmen. 4 Generationen für ein Wochenende unter einem Dach ist schon ein rares Experiment. Auch wenn ich mal darüber nachdenken sollte, warum ich auf Familientreffen mehr trinke als auf einem Festival...

Vor allem hatte ich das mittlerweile viel zu selten gewordene Vergnügen, mich mit einem Menschen Baujahr 1931 zu unterhalten. Der auch noch geistig frisch genug war, dass man wirklich mit ihm reden konnte. Also in zusammenhängenden Sätzen und auch über aktuelle Themen.

Ich habe ja die Geschichten aus dem Krieg meines eigenen Opas jahrelang als viel zu selbstverständlich angesehen. Bis bei dem dann die Altersschwäche die Altersweisheit übertrumpft hat. Aber an diesem Wochenende ist mir mal wieder bewusst geworden wie unfassbar wichtig solche persönlichen Erfahrungsberichte von einem persönlich bekannten Menschen sind.
Wir reden hier von für uns unvorstellbaren Ereignissen. Davon, dass man von Schwerin aus Hamburg brennen sehen kann. Also buchstäblich. Es ist das eine von Operation Gomorrha auf Wikipedia zu lesen. Es ist etwas ganz anderes jemanden bei Flashbacks zuzuschauen, der dir beschreibt, wie er das aus sicherer Distanz am Horizont sehen musste... und wir reden von 111 Km Distanz.

Und ja, wir haben vergessen, wie grausam Krieg wirklich sein kann. Weil wir so was nur noch aus Geschichten oder fremden Ländern kennen. Das ist nebenbei meiner Meinung nach der Grund, warum die EU den Friedensnobelpreis verdient hat. Dass es für uns unvorstellbar ist, gegen Frankreich oder Polen in den Krieg zu ziehen, ist ganz entscheidend deren Verdienst. Und unsere Eltern sind noch mit dieser Angst vor solchen Kriegen groß geworden. Während es für unsere Großeltern gerade zu selbstverständlich war, dass man sich ein Mal in seinem Leben mit Frankreich bekriegt... Uns geht es dagegen so gut, dass wir den Wehrdienst abschaffen konnten.

Das wirklich faszinierendste war allerdings die darauf folgenden Debatte über die AfD und Pegida. Weil der Mann halt Kindesalter mitbekommen hat, was passiert, wenn solche Strömungen Überhand gewinnen. Wie leicht das eskalieren kann. Und vor allem wie krass das schon mal eskaliert ist.. .

Während ich als gnadenloser Optimist und überzeugter Demokrat in solchen Strömungen neben der Bedrohung auch das Potenzial sehe, dass unsere offene Gesellschaft und unsere Politik durch die Auseinandersetzung mit diesen "Problemkindern" gestärkt hervorgeht, hat dieser Mensch einfach nur Angst vor solchen Bewegungen.
Ist ja auch logisch. Der Mann wurde durch Hitlers Nationalismus von der Muttermilch entwöhnt. Er ist zur Reichskristallnacht eingeschult worden. Er schrieb sein Abitur auf den Trümmern des Dritten Reichs. Und durfte als gratis Zusatz danach die nächste Diktatur studieren.

Und an der Stelle kommt mein neustes Lieblings-Böhmermann-Zitat zum Vorschein: "Kaum steht die Frauenkirche wieder, versammeln sich die Idioten und beweisen, dass sie keinen Schimmer haben, warum sie mal kaputt war."
Und ja, Dresden sollte eigentlich ein Mahnmal gegen die Diktaturen des 20. Jahrhunderts sein. Guckt euch einfach mal die Prager Straße in der Stadt an. Dort kann man von den Architektonischen Meisterleistungen des Ostblocks aus den Zwinger beobachten. Man wird die Narben des 20 Jahrhunderts dort hoffentlich ewig beobachten können. Auch wenn es hässlich ist.

Trotzdem geht genau von dort diese Rückwärts geprägte Bewegung zurück zum Nationalstolz aus. Obwohl diese Strömungen, wenn sie an die Macht kamen, immer zu genau dem Krieg und der Zerstörung geführt hat, deren Folgen man bis heute dort bewundern kann.

Und da sind wir wieder bei den Großeltern die diese Welt noch hat. Noch könnte jeder Pegida Anhänger in seinem Verwandtenkreis einen Menschen finden, der ihnen erklären kann, warum national gesinnte Strömungen so gefährlich sind und wie sie funktionieren. In 10 bis 15 Jahren müssen die einem Lutz Bachmann endgültig das Feld überlassen. Und an der Stelle kriege ich dann auf ein Mal auch genau die Angst, die der Opa hatte...

Und deswegen jetzt die wichtigste Erkenntnis: Wenn ihr noch die Chance habt mit Verwandten zu reden, die wissen, wie es ist, wenn in seiner Heimat Krieg herrscht. Die wissen, wie es ist ein kaputt gebombtes Land wieder aufzubauen. Die wissen, wie leicht man als Volk eine große Lüge glauben will. Dann nutzt sie. Dann geht zu ihnen und hört ihnen zu. Denn viele Gelegenheiten werdet ihr dazu nicht mehr finden.

2 Kommentare:

  1. Ich mag es nicht nur, wenn Du über Fußball schreibst. Du schreibst mir immer wieder aus dem Herzen, kannst aber wesentlich besser formulieren.

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  2. Da kann ich meiner Vorredner*in nur zustimmen!

    "Nationalstolz ist der Stolz derer die sonst nichts haben auf das sie stolz sein können"

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