Mittwoch, 23. September 2020

Die Sache mit Alaba und der Loyalität

 Oder Dankbarkeit. Beides kommt auf das Selbe hinaus.

Zunächst mal muss natürlich eines festgehalten werden: Wir haben alle keine Ahnung, ob die Forderungen von David Alabas Berater wirklich übertrieben sind, oder nicht. Er selber behauptet nur den Marktüblichen Preis zu fordern.

Warum Berater, die ja Angestellte der Spieler sind, überhaupt von den Vereinen bezahlt werden, ist ja die eigentliche philosophische Frage. Aber das Kind ist halt in den Brunnen gefallen, da kann man jetzt als einzelner Verein nicht sagen "David, kläre selber, was dein Berater bekommt, das geht uns nichts an."

Das wirklich faszinierende ist ja, wie Alaba von seinem Berater UND seinem VATER getrennt wird. Die beiden sind die "geldgierigen Piranhas", er ist der gute Junge, der halt leider auf die falschen Berater hört. Dass er zum Vater und Berater jeweils wahrscheinlich ein tiefes Vertrauensverhältnis hat, wird dabei komplett ignoriert. Man kann die nicht voneinander trennen.

Am Ende will Alaba ja nur... seiner Rolle bei den Bayern entsprechend bezahlt werden. Und da ist er nun mal auf Augenhöhe mit Manuel Neuer und Robert Lewandowski. Dieser Anspruch ist für jemanden, der seit Ewigkeiten im Verein ist und seit Jahren eine Schlüsselrolle einnimmt, durchaus berechtigt.

Und Geld ist ja trotz Krise anscheinend vorhanden. Zumindest konnte man die Ablöse für Leroy Sané auch stemmen. Für den sind 45 Millionen da, für Alaba aber keine 5 pro Jahr mehr? Und die Bayern wollen ja noch weiter investieren und ein paar Spieler für die Breite holen.

Die erzählen uns also, dass sich die Realitäten im Fußball geändert haben und alle kleine Brötchen backen müssen, während sie mit einem Transferminus von 50 Millionen + X rechnen. Nice try.


Worum es jetzt aber eigentlich gehen soll, ist ja die Reaktion der Öffentlichkeit. Denn da wird dann immer ganz schnell "Der muss den Bayern doch dankbar sein" und halt "Loyalität" geschrien. Und da frage ich mich nur: Warum? Und vor allem: Sollte das nicht in beide Richtungen gehen?

Genau das ist das Problem: Loyalität ist immer eine Einbahnstraße: Wir erwarten das von den Spielern, aber in den seltensten Fällen von den Vereinen. Nehmen wir mal als naheliegendstes Beispiel eben jene Bayern und deren gelebte Umsetzung dieser Ideen. Dabei muss man natürlich gleich erwähnen, dass sich die Bayern extrem um ihre ehemaligen Stars nach der Karriere gekümmert haben. Aber bei den Aktiven Fußballern, zu denen Alaba ja gehört, sieht das halt ganz anders aus. Also es gibt halt Gründe, warum Franck Ribery und Arjen Robben gerade in den Trikots schwächerer Mannschaften auflaufen. Obwohl sie doch so viel für den Verein geleistet haben und gerne länger geblieben wären. Ribery wollte damals unbedingt länger als ein Jahr verlängern, den Bayern Bossen war das zu riskant. Einer der beiden Parteien war extrem loyal...

Und das sind ja keine Ausnahmefälle. Selbst die Vereinsikone aus der eigenen Jugend Bastian Schweinsteiger wurde freundlichst nach Manchester abgeschoben. Und ging dann in die USA. Miroslav Klose ging nach Italien. Franz Beckenbauer ging erst in die USA und dann zum Hamburger SV. Genau genommen war Philipp Lahm der einzige Feldspieler, der seine Karriere im Bayern Trikot beenden durfte.

Gerade Schweinsteiger und Beckenbauer waren doch Spieler, die eigentlich nur in ein Vereinstrikot gehörten. Trotzdem gibt es diese Bilder. Denn bei den Bayern ist halt kein Platz für solche Sentimentalitäten. Dennoch fordern alle Außenstehenden von Alaba, dass er genau diese zeigt. Warum sollte er dies tun, wenn der Verein es ja definitiv auch nicht macht?

Ein anderes aktuelles Beispiel ist Union Berlin. Ein Verein, der ja bewusst anders sein will. Aber wenn man genau hinguckt, zeigt RB Leipzig mehr Treue als die Unioner. Also Leipzig hat ihrem Kaiser noch einen Champions League Einsatz ermöglicht, bevor sie ihn weiter ziehen ließen. Obwohl eigentlich allen schon vor der 2017/18er Saison allen klar war, dass die Entwicklung des Vereins Kaiser lange abgehängt hat.

Jetzt überlegt euch mal, wie viele Vereinsikonen Union Berlin seit dem Aufstieg still und heimlich (oder laut Polternd) abgeschoben hat. Da spielt ein ehemaliger Kapitän Felix Kroos plötzlich in Braunschweig. Am deutlichsten dürfte das nebenbei bei der Torwart-Rotation von Gikiewicz zu Luthe werden. Also ich kann mir halt nicht vorstellen, dass Rafal Gikiewicz in Augsburg signifikant mehr verdienen wird als die Berliner zahlen könnten. Aber Union hat ihrem Aufstiegshelden die Bundesliga dauerhaft einfach nicht zugetraut. Also haben sie sich einen anderen, eventuell ein wenig besseren Torwart geholt. Wie immer eiskalt und konsequent.

Genau so wurde dem bereits angedeuteten Sebastian Polter, seinerseits Aufstiegsheld, der laut eigener Aussage für Berlin auf viel Geld verzichtet hat, schon vorm ersten Bundesligaspieltag mit Anthony Ujah ein gestandener Bundesligastürmer vor die Nase gesetzt. Das Ergebnis: Der Stammspieler wurde zum Ergänzungsspieler. Das mag, das Polter in die Kategorie "Marius Ebbers Angreifer" fällt, durchaus vernünftig sein. Aber Dankbarkeit sieht doch irgendwie anders aus. Und das Polter dann auch noch suspendiert wurde, weil man sich nicht auf den Gehaltsverzicht einigen konnte... Also laut Aussage seines Anwalt ging es nie darum, ob sich Polter am Gehaltsverzicht beteiligt, sondern wie das vor allem auch rechtlich funktioniert.

Trotzdem galt Polter immer als "der Bösewicht"... weil halt auch niemand so genau hin geschaut hat, dass er die Aussagen des Anwalts überhaupt gehört hat. Und das auch Union sich ihm gegenüber alles andere als Loyal verhalten hat, sondern ihn bei erster Gelegenheit raus geschmissen hat, kommt nirgends zur Sprache.

Nehmen wir am Ende noch ein theoretisches Beispiel: Wie oft will ein Verein, nennen wir ihm mal Schalke 04, einen Spieler, der nicht annähernd so eingeschlagen, wie man sich das erhofft hat, loswerden. Nennen wir diesen Spieler mal Bentaleb. Dann scheitert dieses Abschieben des Spielers meistens an den Gehaltseinbußen, die der Spieler halt in Kauf nehmen müsste. Da wird dann aber nicht dem Verein vorgeworfen, dass sie ihren Vertrag nicht einhalten wollen, sondern der Spieler gilt als "geldgieriger Piranha", der lieber seinen hoch dotierten Vertrag auf der Tribüne absitzt, als sich eine neue und "günstigere" Herausforderung zu suchen. Die Doofen sind in solchen Situationen immer die Spieler. 

Wir erwarten halt immer, dass die Spieler zu ihren Beitrag leisten und zu ihren Vereinen halten. Aber das die Vereine dies eigentlich auch machen müssten, ist uns meistens egal. Wichtig ist nur, dass der Spieler unserem Verein treu bleibt, der Verein selber hat da keinerlei Verpflichtungen. Das ist, als würde man selber in einer offenen Beziehung leben, dem Partner aber verbieten ebenfalls "fremd zu gehen". Aber genau so ist die Moral von Fußballfans.

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